"Red Storm Bravo" in Hamburg Militärfahrzeuge rollen nachts durch die Stadt

Drei Tage lang verwandelt die Bundeswehr Hamburg in ein Nato-Drehkreuz: Mit Konvois, Hubschraubern und hunderten Soldaten wird der Ernstfall trainiert.
In dieser Woche übt die Bundeswehr gemeinsam mit Polizei, Feuerwehr, Technischem Hilfswerk, zivilen Behörden und Unternehmen den Spannungsfall in Hamburg. An der Übung vom 25. bis 27. September nehmen bis zu 500 Soldaten teil, mit Fahrzeugen und Hubschraubern.
Grundlage der Übung ist der im März 2024 vom Territorialen Führungskommando vorgelegte Operationsplan Deutschland. Er sieht vor, dass Deutschland im Spannungs- oder Bündnisfall als zentrale logistische Drehscheibe für die Nato dient – sowohl für den Aufmarsch als auch für die Versorgung Tausender Soldaten. Die Bundeswehr betont, dass die Übung eine Reaktion auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine ist, der die sicherheitspolitische Lage in Europa grundlegend verändert hat.
Szenario der Übung
Unter Leitung des Landeskommandos der Bundeswehr in Hamburg sollen Truppenbewegungen geprobt werden – so, wie sie im Krisenszenario bei einem Nato-Einsatz notwendig wären. Der Kommandeur des Landeskommandos Hamburg, Kapitän zur See Kurt Leonards, erklärt: Rein juristisch sei in dem Szenario weiterhin Frieden, "aber wir bewegen uns in einer Phase erhöhter Spannungen, auf die wir vorbereitet sein müssen."
Angenommen wird eine Situation, in der sich ein baltischer Staat von Russland bedroht fühlt. Darauf reagiert die Nato mit einer großangelegten Verlegung von Truppen und Material an die Ostgrenze des Bündnisgebiets. Truppen-Kontingente treffen im Hafen ein und müssen Richtung Osten an die Nato-Außengrenze verlegt werden.
Beteiligte Einheiten und Koordination
An der Übung beteiligen sich neben dem Landeskommando Hamburg auch das Panzergrenadierlehrbataillon 92 aus Munster, das Versorgungsbataillon 141 aus Neustadt am Rübenberge sowie das Transporthubschrauberregiment 10 aus Fassberg. Dazu kommen Hamburger Dienststellen wie die Führungsakademie, das Bundeswehrkrankenhaus und das Feldjägerregiment 1.
Die Koordination der gesamten Übung erfolgt aus einer eigens eingerichteten Operationszentrale in der Reichspräsident-Ebert-Kaserne im Stadtteil Iserbrook.
Zivil-militärische Zusammenarbeit im Fokus
Neben den militärischen Abläufen steht vor allem die Koordination mit Blaulichtorganisationen wie Polizei, Feuerwehr und THW, aber auch mit zivilen Unternehmen im Mittelpunkt. "Uns war wichtig, nicht nur militärische Abläufe zu trainieren, sondern vor allem das Zusammenspiel mit zivilen Akteuren, auch mit der Privatwirtschaft", erläutert der Kommandeur des Landeskommandos Leonards im Interview mit t-online.
Es wird beispielsweise die Zusammenarbeit mit der Werkfeuerwehr des Unternehmens Blohm+Voss bei einem simulierten "Massenanfall von Verletzten" nach einem Angriff geübt. Hubschrauber der Bundeswehr sollen die dort "Verletzten" ausfliegen.

An "Red Storm Bravo" beteiligte zivile Stellen
Neben Einheiten der Bundeswehr werden auch zivile Unternehmen und Behörden an der Übung beteiligt sein, darunter: Airbus, Blohm+Voss, HHLA, HPA, Behörde für Inneres und Sport, THW, Polizei, Feuerwehr und die Agentur für Arbeit.
Zudem will das Landeskommando bei einem Drohnenforum Teilnehmer gezielt über die Arten von Drohnen und die Abwehrmöglichkeiten der Bundeswehr informieren. Immer wieder kommt es auch über kritischer Infrastruktur zu Sichtungen von Drohnen – auch im Hamburger Hafen.
Besonders ist diesmal die Beteiligung der Agentur für Arbeit: Sie probt Abläufe nach dem Arbeitssicherstellungsgesetz, das im Spannungs- oder Verteidigungsfall den Arbeitskräftebedarf für kritische Bereiche wie Energieversorgung, Transport oder Gesundheitswesen regelt. Die Agentur selbst stellt dafür kein Personal oder Gerät, sondern übt nur intern die Umsetzung – und das zum ersten Mal seit Inkrafttreten des Gesetzes.
Einschränkungen für Hamburger – Proteste angekündigt
Das Manöver ist laut Bundeswehr so angelegt, dass der Alltag der Stadt möglichst wenig beeinträchtigt wird. Trotzdem müssen Anwohner mit ganztägigem Fluglärm und Militärfahrzeugkolonnen rechnen. Truppenbewegungen sollen überwiegend nachts stattfinden, begleitet von Hubschraubern zur Absicherung. Über Facebook will die Bundeswehr die Bevölkerung über Verkehrsbeeinträchtigungen informieren.
Begleitet wird die Übung von Protesten: Am Donnerstagabend lädt die Linksfraktion zu einer Diskussion im Rathaus ein, am Freitag ist eine Kundgebung unter dem Motto "Keine Kriegsspiele in Hamburg" auf dem Rathausmarkt geplant. Für Samstag ist zudem eine Demonstration am Hauptbahnhof angekündigt.
Die drei Tage gelten als Testlauf für Hamburgs Rolle als logistisches Drehkreuz, so wie es im "Operationsplan Deutschland" vorgesehen ist – und sollen zeigen, wie militärische und zivile Strukturen im Ernstfall ineinandergreifen. Bereits im vergangenen Jahr fand die erste Übung der "Red Storm"-Reihe im Hafen statt.
- Frühere Berichterstattung von t-online
- bundeswehr.de: "Red Storm Bravo – Katastrophenschutzübung in Hamburg"
- t-online.de: "Hamburg: 'Red Storm Bravo' – Bundeswehr-Kommandeur warnt vor Russland"
- Mit Material der Nachrichtenagentur dpa