Hamburger Delikatesse Erstaunliche Fakten über die Krabbe – die gar keine ist

Backfisch, Franzbrötchen – und Krabben. Hamburg ist reich an Delikatessen. Vor allem die kleinen Krebstiere sind gefragt. Verblüffende Fakten über die Eiweißquelle, die immer seltener wird.
Sie sind winzig, aber wirtschaftlich bedeutsam: Nordseekrabben gehören fest zur Küstenkultur – und landen auch in Hamburg tonnenweise auf den Tellern. Doch der Bestand steht unter Druck. Warum die Garnele so wichtig ist, wie sich ihr Lebensraum verändert und warum Krabben streng genommen gar keine Krabben sind.
Ohne Krabbenkutter kein Nordseefeeling
Ein Tag an der Küste ohne Krabbenbrötchen? Für viele Nordseeurlauber undenkbar, doch nicht unrealistisch. Denn die Branche, die die beliebte Delikatesse produziert, kämpft ums Überleben. Die Krabbenfischer an der deutschen Nordseeküste stehen unter Druck: hohe Dieselpreise, fehlender Nachwuchs und strengere Umweltauflagen machen dem traditionsreichen Handwerk zu schaffen.
Auch in Hamburg, wo die Krabbe meist im Brötchen oder als Salat in den Restaurants landet, spüren Händler und Verbraucher die Folgen: Die Preise steigen, die Lieferketten werden länger – und das bei einem Produkt, das als Inbegriff norddeutscher Küche gilt. Mittlerweile sind die Preise pro Brötchen auf etwa 15 Euro gestiegen – mehr dazu erfahren Sie hier.
Die Krabben sind eigentlich gar keine
Wer ein Krabbenbrötchen isst, verspeist in Wahrheit keine Krabbe, sondern eine Garnele. Die sogenannte Nordsee- oder Sandgarnele (Crangon crangon) gehört zu den Langschwanzkrebsen – im Gegensatz zu "echten" Krabben wie dem Taschenkrebs, die zu den Kurzschwanzkrebsen zählen.
Der Begriff "Krabbe" hat sich im Norden trotzdem durchgesetzt – und mit ihm der Name der Krabbenfischer und Krabbenkutter. Auch in Hamburg ist das Brötchen mit den kleinen, hellbraunen Garnelen ein Klassiker – ob auf dem Fischmarkt, in Imbissen oder Feinkostgeschäften.
Meisterin im Tarnen und Überleben
Die Nordseegarnele wird rund acht Zentimeter lang und ist perfekt an das Leben im Wattenmeer angepasst. Ihre sandfarbene Färbung macht sie nahezu unsichtbar auf dem Meeresboden. Sie gräbt sich blitzschnell in den Sand ein, um sich vor Feinden zu schützen – oder selbst auf Beutezug zu gehen.
Sie ist nachtaktiv und ernährt sich von Kleintieren, Würmern und abgestorbenem Pflanzenmaterial. Besonders bemerkenswert: Die Garnele kann ihre Farbe leicht verändern, um sich an den Untergrund anzupassen – ein natürlicher Tarnmechanismus, der ihr Überleben sichert.
"Schlüsselart im Wattenmeer"
Nordseegarnelen sind unverzichtbar für das ökologische Gleichgewicht im Wattenmeer. Sie stehen am Beginn vieler Nahrungsketten – sowohl als Räuber als auch als Beutetier.
Für Fische wie Schollen, Dorsche oder Seezungen sind sie eine wichtige Nahrungsquelle, ebenso für Seevögel wie Möwen oder Austernfischer. Die Schutzstation Wattenmeer bezeichnet sie deshalb als "Schlüsselart", die das Funktionieren des gesamten Lebensraums mitbestimmt.
In den Sommermonaten leben sie im flachen, warmen Wasser des Watts. Im Herbst ziehen sie in tiefere und salzigere Regionen der Nordsee, wo sie den Winter verbringen.
Sie werden schon seit Jahrhunderten gefangen
Die Geschichte des Krabbenfangs reicht Jahrhunderte zurück. Bereits im 17. Jahrhundert wurden Garnelen mit einfachen Netzen aus dem Wattenmeer gezogen. Der kommerzielle Fang begann jedoch erst im 19. Jahrhundert – vor allem an der Westküste Schleswig-Holsteins.
Heute stammen die meisten Nordseekrabben aus Deutschland, den Niederlanden und Dänemark. Die Hauptsaison liegt zwischen August und November. In Deutschland sind rund 200 Krabbenkutter im Einsatz – die meisten davon fahren unter schleswig-holsteinischer Flagge.
Nach 72 Stunden müssen sie an Land
Ein Krabbenkutter unternimmt pro Jahr zwischen 50 und 150 Fangfahrten. Nach dem Einholen der Netze werden die Garnelen sofort in Meerwasser gekocht, im Kühlraum gelagert und spätestens nach 72 Stunden an Land gebracht.
Allerdings werden die meisten Krabben anschließend nach Nordafrika transportiert, wo sie in Handarbeit geschält werden – vor allem in Marokko. Von dort aus gelangen sie wieder zurück nach Europa. Diese langen Transportwege gelten als umstritten, da sie hohe CO₂-Emissionen verursachen und soziale Fragen aufwerfen.
Der Transport von Nordseekrabben nach Afrika und zurück ist ein Beispiel für die Schattenseiten der Globalisierung. Kritiker bemängeln die ökologischen Folgen und fordern, die Verarbeitung wieder stärker in Norddeutschland anzusiedeln.
Einige Fischereibetriebe setzen inzwischen auf technische Innovationen und maschinelles Schälen direkt an der Küste – zum Beispiel in Büsum oder Husum. So könnte die Wertschöpfung wieder in der Region bleiben und gleichzeitig die Umweltbelastung sinken.
Spezialität auf dem Rückzug
Nach Angaben des Thünen-Instituts für Seefischerei schwanken die Krabbenbestände stark von Jahr zu Jahr. Das liegt an natürlichen Faktoren wie Wassertemperatur, Salzgehalt und Futterangebot. In besonders warmen Sommern kommt es häufiger zu Rückgängen, weil sich die Larven langsamer entwickeln.
Insgesamt gilt der Bestand derzeit als stabil – doch Forscher warnen, dass sich die Lebensräume der Garnelen durch den Klimawandel verschieben könnten. Steigt die Wassertemperatur weiter, drohen die Krabben aus flachen Küstengewässern in kühlere, tiefere Bereiche abzuwandern.
Wie viele Krabben essen die Deutschen – und die Hamburger?
Deutschland gehört nicht zu den größten Garnelenkonsumenten weltweit, aber zu den anspruchsvollsten. Der durchschnittliche Pro-Kopf-Verbrauch von Fisch, Krebs- und Weichtieren lag 2023 bei rund 12,5 Kilogramm – etwa 1,9 Kilogramm davon entfielen auf Garnelen und andere Schalentiere.
Hochgerechnet auf Hamburg mit seinen 1,85 Millionen Einwohnern ergibt das einen jährlichen Verbrauch von mehr als 3.000 Tonnen Garnelenprodukten. Der größte Teil stammt aus Importen, doch Nordseekrabben bleiben die regionale Lieblingsspezialität – vor allem in Restaurants entlang von Elbe und HafenCity.
Nordseekrabben: Eiweißquelle mit wenig Fett
Nordseekrabben überzeugen nicht nur durch ihren Geschmack, sondern auch durch ihre Nährwerte. Sie enthalten besonders viel Eiweiß, wenig Fett und liefern wertvolle Mineralstoffe wie Jod, Eisen und Zink.
Das macht sie zur gesunden Alternative zu Fleischgerichten. Klassisch serviert man sie im Brötchen – aber auch zu Rührei, Bratkartoffeln oder als Salat sind sie ein norddeutscher Dauerbrenner.
So pulen Sie Krabben richtig
Wer Krabben direkt vom Kutter oder im Fischladen an der Küste kauft, kann sie oft ungeschält erwerben. Das Pulen ist für viele Norddeutsche eine Art Küstenritual. Der Trick: Den Kopf zwischen Daumen und Zeigefinger halten, das Hinterteil leicht drehen, dann den Panzer vorsichtig abziehen und das Fleisch lösen.
- Mit Material der Nachrichtenagentur dpa
- Eigene Recherche
- Berichterstattung bei t-online zum Thema



