Prozess Hamburg Der Streit um Blocks Tagebuch

Blocks Anwalt möchte am Mittwoch weiterhin mit allen Mitteln verhindern, dass das Tagebuch seiner Mandantin als Beweismittel genutzt wird. Zudem wird der Vorsitzenden Richterin vorgeworfen, parteiisch zu handeln.
Wer mit Geschwistern aufgewachsen ist, kennt womöglich die Angst, dass das eigene Tagebuch in fremde Hände gerät. Aufzeichnungen des seelischen Innenlebens und ungefilterte Gedanken – das soll möglichst niemand lesen, das ist nur für einen selbst bestimmt.
Wenn jedoch der Inhalt eines Tagebuchs zur Aufklärung einer möglichen Straftat helfen kann, sieht das anders aus. Vor wenigen Tagen hat das Gericht Hamburg entschieden, dass die digitalen Notizen der Angeklagten Christina Block als Beweismittel ausgewertet werden dürfen. Am Mittwoch wird aus ihrem Tagebuch vorgelesen – doch trotz des richterlichen Beschlusses kämpft Blocks Anwalt Ingo Bott weiterhin dafür, dass die Inhalte des Tagebuchs nicht an die Öffentlichkeit gelangen.
Bott: "Strafverfolgung geht nicht um jeden Preis"
Am 19. Verhandlungstag erhält Block selbst erneut das Wort – sie stellt sich den Fragen des Anwalts ihres Ex-Manns Stephan Hensel, die ihr schriftlich vorliegen. Einige Fragen beziehen sich auf Inhalte aus ihrem Tagebuch. Es geht unter anderem um Kinderporno-Vorwürfe gegen Hensel, die sich als haltlos entpuppt hatten.
"Ich hoffe so sehr, dass es nun langsam losgeht. (...) Es ist total egal, es muss jetzt passieren. Ich weiß nicht, wann es losgeht, sie sagen mir nichts", das soll laut "Bild"-Berichten in Blocks Tagebuch stehen. Hensels Anwalt stellt viele Fragen zur Bedeutung dieser Worte.
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Bott grätscht immer wieder dazwischen, wenn um das Tagebuch seiner Mandantin geht. Die Aufzeichnungen enthalten ihre intimsten Gedanken, erklärt der 42-Jährige am Mittwoch vor Gericht – es verstoße gegen die Menschenwürde, wenn diese Notizen benutzt werden. "Die Strafverfolgung geht nicht um jeden Preis", so Bott laut Berichten der "Bild".
Tagebücher unterliegen im Verfahren einem besonderen Schutz
"Der Antrag geht ins Leere, weil darüber schon entschieden wurde", kontert die Vorsitzende Richterin. Im Verlauf des Verhandlungstages stellt Bott jedoch noch einen Antrag, dass die Inhalte des Tagebuchs nicht an die Wand projiziert werden dürfen. Dieser Antrag hat Erfolg, wie die Richterin am Nachmittag beschließt.
Richtig ist: Tagebücher unterliegen bei einem Gerichtsverfahren einem besonderen Schutz. Es muss eine Abwägung zwischen dem Aufklärungsinteresse und dem Schutz des inneren Lebensbereichs erfolgen – und die Beweismittel müssen ordnungsgemäß sichergestellt und beschlagnahmt werden.
Um diesen Aspekt entfachte in den vergangenen Verhandlungstagen ein juristischer Streit: Blocks Anwalt sowie die Verteidigung der anderen Angeklagten sprachen sich dafür aus, dass das digitale Tagebuch nicht als Beweismittel verwendet werden darf – weil es nicht nach Vorschrift beschlagnahmt wurde. Mittlerweile hat das Gericht die Beschlagnahmung angeordnet – nachträglich.
Verteidiger wirft dem Gericht vor, befangen zu sein
Dieses Vorgehen nahm der Verteidiger eines mitangeklagten, ehemaligen Anwalts der Familie Block zum Anlass, das Gericht anzuzweifeln: Er wirft der zuständigen Kammer vor, befangen zu sein und parteiisch zu handeln, zum Nachteil der Angeklagten.
Mit der Begründung, dass das digitale Tagebuch sowie weitere IT-Asservate besonders wichtig seien, da die Angeklagten nicht geständig seien, habe das Gericht seine Voreingenommenheit offenbart, erklärte der Verteidiger. Es sei deutlich geworden, dass das Gericht die Asservate für eine mögliche Verurteilung der Angeklagten nutzen wolle.
Die Verhandlung am Donnerstag entfällt krankheitsbedingt
Dem sogenannten Befangenheitsantrag schlossen sich am Nachmittag der Verhandlung auch Bott sowie der Anwalt von Gerhard Delling und zwei weitere Verteidiger an. Die Strafkammer nahm den Antrag zur Kenntnis. Darüber entscheiden muss nun eine andere Kammer.
Die Verhandlung am Mittwoch wird aufgrund eines Krankheitsfalls frühzeitig um 14 Uhr beendet. Am Donnerstag wird der Prozesstag ebenfalls krankheitsbedingt entfallen.
- Frühere Berichterstattung von t-online
- Mit Material der Nachrichtenagentur dpa