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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Top oder Flop? Die Märchenwelten in Hamburg im Test
Die Hamburger "Märchenwelten" versprechen, dass jeder zum Held seines eigenen Märchens werden kann. Aber hält die
Am Empfang erhalte ich ein Armband mit Chip und einem kleinen Prinzessinnen-Symbol. "Bitte so anziehen, dass die Prinzessin nach unten zeigt", erklärt mir eine Mitarbeiterin und führt mich zu einem digitalen Terminal. Der Computer fordert mich auf, meinen Namen einzugeben und einen Avatar zu wählen. Ich entscheide mich gegen Stern, Rose und Schwert und stattdessen für den Stab - jetzt bin ich bereit.
Die Besucher werden in Gruppen von bis zu 30 Personen durch die Räume geführt. Es dauert noch eine Weile, bis meine Tour startet. Das Publikum ist bunt gemischt: Vor dem Eingang warten mit mir unter anderem eine Familie mit Kindern, ein junges Pärchen und zwei Frauen um die 50. Um Punkt 14 Uhr öffnet eine Mitarbeiterin zwei große Türen und führt uns ins Innere der Ausstellung, die für Kinder ab 6 Jahren zugänglich ist.
Avatare auf Großleinwand
Um uns herum ist es völlig dunkel. Auf einer Großleinwand erscheinen die von uns gewählten Avatare und dazu die Werte, für die sie stehen. Mein Stab symbolisiert den Mut.
Eine Stimme aus dem Off, die sich als "guter Geist" vorstellt, erzählt die Rahmenhandlung, in der wir uns befinden: Ein Fluch der grauen Hexe liegt auf dem Märchenland und hat die Bewohner Rotkäppchen, Rapunzel und Co. in Raben verwandelt. Die Landschaft ist völlig verödet, wie auf der Leinwand zu sehen ist. "Könnt ihr unsere Helden sein?", fragt die Stimme.
Beeindruckende Effekte
Ein wandelnder Lichtstrahl geleitet uns nach und nach durch verschiedene Räume, in denen wir die Retter spielen sollen. Die Effekte wie knarrende Türen, zuckende Blitze und das Rauschen des Waldes sind beeindruckend.
Die Aufgaben, die wir erledigen müssen, wie etwa Knospen im Schlossgarten berühren und unsere Hand auf den Märchenbrunnen legen, langweilen jedoch nach einiger Zeit sogar die Kinder. Schnell ist klar: Wenn wir nur lange genug warten und das tun, was die Stimme uns sagt, öffnet sich jede Tür – ganz ohne Nachdenken.
Mein persönliches Märchen endet damit, dass ich mit Mut (meinem Avatar!) die Angst besiegen muss, indem ich durch die Tür mit der passenden Aufschrift schreite. Wirklich mutig ist das nicht, denke ich, und hoffe, wenigstens in der Schatzkammer, die mich am Ende des Rundgangs erwartet, auf meine Kosten zu kommen.
Enttäuschendes Ende der Ausstellung
Dort sind einige Originalausgaben von Werken der Brüder Grimm zu sehen. Einige wenige Tafeln präsentieren Informationen zum Leben und Wirken der beiden Sprachwissenschaftler. An den Wänden hängen die Volltexte ausgewählter Märchen wie "Blaubart", "Die drei Spinnerinnen" und "Der Froschkönig", illustriert mit vergrößerten Bilderbögen aus dem 19. Jahrhundert. Auch hier hätte ich mehr erwartet und bin enttäuscht.
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Die Stimmen, die Besucher auf Klebezetteln am Ausgang hinterlassen können, zeigen, dass es nicht nur mir so geht. "Ich hatte mir tatsächlich erhofft, mehr über Grimms Märchen zu erfahren", schreibt jemand. "Zu kurz, zu teuer und zu wenig Interaktion", meint ein anderer. Immerhin kostet der Eintritt für das knapp 60-minütige Spektakel 20 Euro, für Kinder 15 Euro. Mein Fazit: Die Märchenwelten bieten viel Show und wenig Inhalt. Märchenheld zu sein, hatte ich mir anders vorgestellt.
- Eigene Recherche