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Zum journalistischen Leitbild von t-online."Situation ist frustrierend" Marathon-Ass Philipp Pflieger für Olympia-Verschiebung
Alle großen Sport-Events sind wegen der Coronavirus-Pandemie abgesagt. Nur Tokio 2020 steht noch. Das ist umstritten. Marathon-Ass Philipp Pflieger
Die Marathonläufer waren die ersten Leichtathleten, die die Folgen der Corona-Pandemie zu spüren bekommen haben. Seit der Absage der wichtigsten Frühjahrsmarathons – wie Hamburg, Wien, London, Boston – haben sie Probleme, die Olympia-Qualifikation zu erfüllen. Denn dafür müssen sie eine bestimmte Zeit laufen. Ohne Wettkämpfe vor den Spielen rennt ihnen die Zeit davon, sich noch ein Olympia-Ticket zu lösen.
Einer von den Betroffenen ist der deutsche Top-Läufer Philipp Pflieger. Er war schon bei den letzten Olympischen Spielen in Rio de Janeiro dabei. Seitdem arbeitet er hartnäckig an seinem Ziel: einer weiteren Olympiateilnahme im deutschen Trikot. Beim Hamburg Marathon wollte er einen Angriff auf die Norm starten. Doch soweit kam es nicht, der Lauf wurde wegen des Coronavirus abgesagt. Nun spricht er sich für eine Verschiebung der Spiele in Tokio aus.
t-online.de: Herr Pflieger, wie wirkt sich das Coronavirus auf deinen Alltag aus?
Philipp Pflieger: Die gegenwärtige Situation ist für alle Leistungssportler – auch natürlich die, die irgendwelche Olympia-Ambitionen hegen, maximal frustrierend. Letzten Endes hast du als Athlet ja nur in der Hand, bestmöglich zu trainieren, um in bestmöglicher Verfassung die Wettkämpfe bestreiten zu können.
Doch genau diese Wettkämpfe sind jetzt ausgefallen. Was bedeutet das für Sie?
Man ist ja als Sportler darauf angewiesen, Wettkämpfe zu laufen, um Leistung zu zeigen. Im Zuge der Corona-Krise ist das nun global zusammengebrochen. Es gibt kaum noch Rennen, die nicht abgesagt wurden. Zunächst sollten noch die großen Marathons in London und Boston stattfinden. Doch auch die wurden abgesagt.
Philipp Pflieger, Jahrgang 1987, ist mehrfacher deutscher Langstreckenmeister und Olympia-Teilnehmer. Der Profi-Läufer startet für das Lauf Team Marathon Hamburg. Seine Bestzeit im Marathon liegt bei 2:12:50 Stunden. Über seinen Beruf hat er auch ein Buch geschrieben: "Laufen am Limit".
Beide Rennen sind verschoben und sollen nun erst nach den Olympischen Spielen im Herbst stattfinden. Wie kann es jetzt weitergehen?
Das macht die Sache natürlich schwer, sich für Olympische Spiele qualifizieren zu können. Aufgeben ist für mich keine Option, aber auch wenn ich vor wenigen Tagen noch die Hoffnung hatte, dass vielleicht der Weltleichtathletikverband ein koordiniertes Rennen auf einer kleinen Runde von fünf bis zehn Kilometern nur für uns Profis organisiert, die sich noch für die Olympischen Spiele qualifizieren müssen, glaube ich inzwischen nicht mehr daran. Die weltweite Corona-Krise spitzt sich von Tag zu Tag weiter zu und dann muss man auch als Leistungssportler akzeptieren, dass es aktuell einfach wichtigere Dinge gibt als Sport, so bitter das auch sein mag.
Wenn denn die Olympischen Spiele überhaupt stattfinden…
Ich halte eine Verschiebung der Olympischen Spiele zum jetzigen Zeitpunkt für die einzige logische und richtige Entscheidung. Der ganze Qualifikationsmodus ist inzwischen schon hinfällig, eine Chancengleichheit nicht mehr gegeben – nicht zuletzt auch aufgrund der starken Einschränkungen in den verschiedenen Ländern. Niemand kann aktuell absehen, wie sich die weltweite Lage in den kommenden Monaten entwickeln wird, aber ob es eine so gute Idee ist 12.000 Sportler aus aller Welt plus Trainer, Betreuer usw. im Juli nach Japan ins Olympische Dorf zu bringen, halte ich für sehr fraglich.
Welche Auswirkungen hätte eine Olympia-Absage für Sie?
Schmerzhaft wäre das sicher, keine Frage. Ich glaube aber, dass es schwieriger für diejenigen ist, die sich schon qualifiziert haben. Wenn Olympische Spiele abgesagt werden, bricht da für manche eine Welt zusammen. Für mich ist 2020 nicht die Deadline meiner Laufbahn. Gerade im Zuge meines Umfeldumbaus – der Wechsel nach Hamburg, meinem neuen Trainer Renato Canova – plane ich noch einige Jahre weiter. Momentan fühle ich mich gut und will einfach nur zeigen, was ich draufhabe. Dazu gegenwärtig überhaupt keine Möglichkeit zu haben ist natürlich ätzend, aber die nächste Gelegenheit wird kommen.
Hatten Sie selber Angst, dich mit dem Coronavirus anzustecken?
Angst habe ich persönlich keine, denn zur Risikogruppe gehöre ich nicht. Trotzdem hat man ja auch eine gesellschaftliche Verantwortung die schwächeren Mitglieder zu schützen. Insofern versuche ich natürlich meinen Teil dazu beizutragen und das bedeutet eben auch die vorgegebenen Regeln nach bestem Wissen und Gewissen zu beachten, auch wenn das persönliche Einschränkungen bedeutet. Ich kann nur nochmal betonen: Es gibt aktuell einfach Wichtigeres als Sport!
Vielen Dank für das Gespräch!
- Interview mit Philipp Pflieger