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Hamburg

Hamburg: Initiative kauft Schwarzfahrerin aus dem Gefängnis frei


Fahren ohne Ticket
Initiative kauft Hamburger Schwarzfahrerin aus Gefängnis frei


16.06.2025 - 18:41 UhrLesedauer: 3 Min.
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Die U-Bahn-Station Osterstraße in Hamburg-Eimsbüttel (Archivbild): Eine Frau, die wohl in Hamburg schwarzgefahren ist, wurde aus der JVA Billwerder freigekauft. (Quelle: IMAGO / Hami Roshan)
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Sie sollte eigentlich knapp zwei Monate in Haft sitzen – am Ende waren es nur sechs Tage. Die Initiative "Freiheitsfonds" setzt sich für die Entkriminalisierung von Schwarzfahren ein.

Wer in Hamburg ohne Ticket in Bus oder Bahn erwischt wird, kann im Gefängnis landen: Schwarzfahren ist in Hamburg eine Straftat. Wer das erhöhte Beförderungsentgelt von 60 Euro nicht zahlen kann oder wiederholt ohne gültiges Ticket angetroffen wird, dem droht eine Verurteilung wegen "Erschleichen einer Leistung". Das steht in Paragraf 265a des Strafgesetzbuchs (StGB). Daraus kann eine Ersatzfreiheitsstrafe von bis zu einem Jahr folgen.

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Genau das ist einer Frau aus Hamburg offenbar widerfahren: Sie wurde zu einer Haft von 50 Tagen verurteilt und saß in der Justizvollzugsanstalt Billwerder, weil sie die Strafe fürs Schwarzfahren nicht zahlen konnte. Am Ende durfte sie das Gefängnis jedoch bereits nach sechs Tagen, am 12. Juni, wieder verlassen: Die Berliner Initiative "Freiheitsfonds" hat die Hamburgerin freigekauft, wie Sprecher Leonard Ihßen t-online auf Anfrage mitteilt.

110 Personen wurden deutschlandweit freigekauft

"Wir haben ihr 44 Tage Haft in Hamburg-Billwerder erspart, indem wir 440 Euro bezahlt haben. 10 Euro pro Tag", erklärt Ihßen. Die Hamburgerin ist nicht die einzige Glückliche, die befreit wurde: Insgesamt 110 Personen wurden am 12. Juni, dem selbst ausgerufenen "Freedom Day", von der Initiative freigekauft.

Warum das Ganze? "Freiheitsfonds" hat ein konkretes Ziel: die Entkriminalisierung des Schwarzfahrens und die Abschaffung des entsprechenden Paragrafen 265a. Betroffene, die im Gefängnis landen, seien überwiegend finanziell schwache oder obdachlose Menschen – zudem belasten die Verfahren die ohnehin schon überarbeitete Justiz.

Bekannt wurde die Initiative unter anderem durch die ZDF-Sendung "Neo Magazin Royale" von Jan Böhmermann vor drei Jahren.

Großteil der Häftlinge sei armutsbetroffen

"Menschen, die wegen Fahrens ohne Ticket eine Ersatzfreiheitsstrafe antreten, sind armutsbetroffen. Die Forschung zeigt: 87 Prozent sind erwerbslos, 15 Prozent wohnungslos", so Ihßen weiter. Zudem habe ein Großteil der Betroffenen psychische Erkrankungen oder körperliche Einschränkungen.

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Laut Schätzungen der Kriminologin Nicole Bögelein müssen pro Jahr bis zu 9.000 Menschen ins Gefängnis, weil sie die Strafe für das Fahren ohne gültiges Ticket nicht bezahlen konnten. Im Durchschnitt kostet ein Häftling pro Tag den Steuerzahler laut der "Wirtschaftswoche" etwa 200 Euro – Schwarzfahrer, die im Gefängnis sitzen, kosten den Staat demnach viel Geld.

Der Staat hat durch die Initiative knapp 20 Millionen Euro gespart

Zu viel, findet die Initiative: Seit ihrer Gründung im Jahr 2021 hat die Initiative 1.396 Menschen freigekauft durch mehr als 1,2 Millionen Euro Spenden, wie auf der Webseite zu lesen ist. Dadurch konnten insgesamt 254 Haftjahre aufgelöst werden – und der Staat beziehungsweise Steuerzahler konnte dadurch fast 20 Millionen Euro sparen.

Die Initiative "Freiheitsfonds" ist mit ihrem Anliegen nicht allein: In einem offenen Brief vom Sommer 2024 forderten 128 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die ersatzlose Streichung des Paragrafen 265a. Auch Prominente stehen hinter der Forderung, wie Schauspielerin Liv Lisa Fries ("Babylon Berlin"), Sänger Johnny Strange (Culcha Candela) und Aktivist Raul Krauthausen.

HVV ist gegen die Abschaffung des Paragrafen 265a

Das Thema wird in Hamburg schon länger diskutiert: Bereits 2022 hatte die Linksfraktion in einem Bürgerschaftsantrag gefordert, dass sich der Senat auf Bundesebene für eine Abschaffung von Ersatzfreiheitsstrafen einsetzt. SPD, Grüne, CDU und AfD lehnten den Antrag ab.

Dem Straßenmagazin "Hinz&Kunzt" teilte ein Sprecher der Hamburger Justizsenatorin Anna Gallina jedoch mit, dass man sich der Problematik durchaus bewusst sei und versuche, die Ersatzfreiheitsstrafen möglichst zu vermeiden oder kurz zu halten.

Der HVV hatte sich im letzten Jahr gegen eine Entkriminalisierung ausgesprochen: Es sei ein falsches Signal, Schwarzfahren zu bagatellisieren, sagte ein Sprecher dem NDR.

Ihßen: "Die Lösung kann nur politisch verabschiedet werden"

Mehrere Städte, darunter Bremen, Köln, Potsdam und Düsseldorf, haben die jeweiligen Verkehrsunternehmen angewiesen, keine Strafanträge mehr zu stellen, damit niemand wegen Schwarzfahrens mehr ins Gefängnis muss. Ein solcher Antrag wurde in Hamburg abgelehnt.

Die Frau, die nur sechs Tage im Gefängnis bleiben musste, hatte Glück. Doch Ihßen weist darauf hin, dass "Freiheitsfonds" eine rein spendenbasierte Kampagne ist: "Wir werden das Problem nie allein durch Gefangenenfreikäufe lösen können. Die Lösung kann nur politisch verabschiedet werden."

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