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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Hamburger Extremsportlerin Wüstenläuferin Havers: "Bei Kilometer 80 war ich paniert"
Judith Havers hat einen 100-Kilometer-Lauf durch die Wüste gewonnen. Hier berichtet die Hamburgerin über ihr Abenteuer im tunesischen Sand – mitten in der Corona-Krise.
Bei 38 Grad, ohne das kleinste bisschen Schatten zwölf Stunden lang durch die Wüste rennen: Sicherlich gibt es auch weniger extreme Freizeitbeschäftigungen. Für die Hamburgerin Judith Havers sind solche Ultraläufe eine Leidenschaft. Trotz Corona-Pandemie reiste sie Anfang Oktober nach Tunesien, um dort an einem 100-Kilometer-Wüstenlauf teilzunehmen. Mit Erfolg: Havers kam beim "Ultra Mirage El Djeridi" in zwölf Stunden und 21 Minuten als schnellste Frau ins Ziel und setzte sich gegen die internationale Konkurrenz durch. Wie ist es, alleine stundenlang durch die Wüste zu rennen – und wie schafft man das überhaupt?
"Ich bin schon als Kind gerne laufen gegangen", sagt die 43-Jährige t-online. Heutzutage ist Laufen für die Freiberufliche ein Ausgleich zu ihrer Arbeit, die am Schreibtisch stattfindet. Im Sommer nutzte sie die wärmeren Temperaturen um die Mittagszeit, um laufen zu gehen und sich somit auf das Rennen in der Wüste vorzubereiten. Denn gerade die Hitze sei das, worauf sie den Körper vorbereiten musste, erzählt Havers. "Die Distanz hatte ich in den Beinen", sagt Havers, die schon viele Lauf-Wettkämpfe mitgemacht hat. Als Vorbereitung für Tunesien nutzte sie auch Bikram-Yoga, eine Yoga-Art, bei der man die Übungen bei großer Hitze ausführt.
"Bei Kilometer 80 war ich paniert"
Doch nicht alle Wettkampf-Situationen ließen sich in Hamburg erproben. Die Hitze sei am Ende für Havers gar nicht die größte Herausforderung gewesen. "Mit 38 Grad war es sogar frischer als letztes Jahr", sagt sie. 2019 war sie bereits einmal bei dem Wüstenlauf gestartet. Damals herrschten 42 Grad, Havers wurde Dritte.
Genervt hat sie in diesem Jahr vielmehr der Sand am Boden: "Man sackt ständig ein". Als nach 50 Kilometern ein Sturm aufkam und den Sand vom Boden durch die Luft wirbelte, habe sich Havers "paniert" gefühlt. Durch den Schweiß habe sich einfach alles im Gesicht festgeklebt, "das war schon heftig", sagt sie. "Ich habe mir den Wind als einen Gegner beim Boxen vorgestellt", sagt Havers, "und mich durchgekämpft". Unterwegs habe sie sich immer wieder ein Mantra zugesprochen: "leicht, leicht, federleicht", verrät sie.
Neben dem Sandsturm wurde Havers auch durch eine wilde Kamelherde ausgebremst, der sie unterwegs begegnet ist. "Das hat mich verunsichert, da habe ich lieber einen Bogen drumherum gemacht." Für brenzlige Situationen mussten alle Teilnehmer, die größtenteils auf sich alleine gestellt sind, während des Laufs eine Trillerpfeife mit sich tragen – um bei Gefahr auf sich aufmerksam machen zu können.
"Es war überwältigend"
Die Trillerpfeife war fest am Rucksack verankert. Auch dieser gehört zur Ausrüstung der Teilnehmer. Neben Trillerpfeife schleppen sie auch eine Rettungsdecke für Notfälle mit, sowie eine Gesichtsmaske, die sie nach geltenden Corona-Regeln am Start und im Ziel tragen mussten. Und außerdem im Rucksack dabei: jede Menge Snacks für unterwegs wie Riegel und Nüsse, sowie ein Vorrat an Wasser. Verpflegungsstationen, um die Wasserflaschen nachzufüllen, habe es alle 15 bis 20 Kilometer gegeben, erzählt Havers. Manche Teilnehmer nutzten diese Punkte, um "auch ein bisschen zu chillen". Doch Havers sei immer schnell weitergelaufen, um keine Zeit zu verlieren.
Der Verzicht auf lange Pausen auf der Strecke hat sich für die Hamburgerin ausgezahlt: Sie kam als erste Frau ins Ziel, nachdem sie sich lange mit der "Zweitplatzierten gebattlet hatte". Zu gewinnen "war überwältigend", sagt Havers.
"Ich war schon so oft Zweite und wollte diesmal unbedingt vorne sein." Ihre Zielzeit aus dem Vorjahr hat sie dabei um eine Stunde verbessert. "Das macht mich stolz", sagt Havers. Vor lauter Freude habe sie sogar fast vergessen, im Ziel Corona-konform einen Mund-Nasen-Schutz überzuziehen. Aber nach einem halben Tag in der Einsamkeit der Wüste kann man die Corona-Pandemie wohl auch für einen Moment vergessen.
- Gespräch mit Judith Havers
- Mit Material der dpa