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Karl-May-Spiele in Bad Segeberg: Kalkbergstadion war einst eine NS-Stätte


Karl-May-Spiele in Bad Segeberg
Vom Nazi-Propaganda-Ort zum Besucher-Rekord

Von t-online, tzo

26.07.2025 - 07:03 UhrLesedauer: 3 Min.
Kalkbergstadion: Seit 1952 werden in Bad Segeberg Karl Mays Abenteuerromane auf die Bühne gebracht.Vergrößern des Bildes
Kalkbergstadion: Seit 1952 werden in Bad Segeberg Karl Mays Abenteuerromane auf die Bühne gebracht. (Quelle: Jonas Walzberg/dpa)
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Ein Publikumsmagnet mit belasteter Vergangenheit: Die Geschichte des Kalkbergstadions in Bad Segeberg ist wechselvoll. Wo heute die Karl-May-Festspiele stattfinden, zogen einst Nazis auf.

Die 72. Saison der Karl-May-Spiele rund um das Kalkbergstadion in Bad Segeberg ist in vollem Gange. Am Sonntag, 27. Juli, findet hier das große Kinderfest statt. Einmal im Jahr wird der Karl-May-Platz rund um die Freilichtbühne zur großen Spielmeile mit buntem Programm, Hüpfburgen oder kostenlosen Mitmach-Aktionen.

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Eingebettet ist das in die Karl-May-Spiele, die seit vielen Jahren Hunderttausende Besucher anziehen. Bis zum 7. September sind 72 Vorstellungen rund um Winnetou und Old Shatterhand geplant. Bunte, abwechslungsreiche Shows begeistern die Zuschauer. Dass der Platz der ansehnlichen Freilichtbühne am Fuße des Kalkbergs eine belastete Vergangenheit hat, lässt sich nur noch schwer erahnen.

Platz am Kalkberg in Bad Segeberg wird zur "Thingstätte"

Vorab: Der Name des Segeberger Kalkbergs führt in die Irre. Denn statt aus Kalk besteht er größtenteils aus Gips. Über Jahrhunderte wurde das Gestein abgebaut: 2,5 Millionen Tonnen, vor allem für Mörtel. Übrig blieb eine klaffende Schlucht, wo einst die Siegesburg thronte. Im Dreißigjährigen Krieg zerstört, war von ihr bald nur noch ein Brunnenschacht geblieben. 1931 wurde der Abbau eingestellt.

Mit dem Machtantritt der Nationalsozialisten sollte aus dem ehemaligen Steinbruch mehr werden: eine sogenannte "Thingstätte", ein ideologisch aufgeladener Versammlungsort für das Volk. In ganz Deutschland waren mehr als 400 solcher Arenen geplant. Gebaut wurden nur wenige – unter anderem eine in Bad Segeberg.

Ab 1934 rückte der Reichsarbeitsdienst an. Für einen Stundenlohn von 25 Pfennig schufteten Männer unter herausfordernden Bedingungen. Die Bauarbeiten gestalteten sich schwierig: Der Gipsboden war instabil, Sitzreihen rutschten nach Regenfällen ab. Teurer Granit aus Schlesien musste herangeschafft werden. Etwa 3.000 Kubikmeter Gestein wurden weggesprengt.

Doch die umfangreichen Bauarbeiten fanden ein Ende. Am 10. Oktober 1937 eröffnete Propagandaminister Joseph Goebbels die "Nordmark-Feierstätte" vor rund 10.000 NSDAP-Mitgliedern. Er erklärte sie zur "Kirche des Nationalsozialismus". Was als ideologisches Großprojekt gedacht war, wurde jedoch kaum genutzt. Zwischen 1938 und 1945 gab es nur vereinzelte Veranstaltungen. Zu Kriegsbeginn nutzte die Hitlerjugend das Gelände laut Angaben des NDR für Fahnenweihen.

Boxkampf mit Schmeling – und dann Winnetou

Nach Kriegsende übernahm dann die britische Besatzungsmacht. Am 6. Oktober 1945 wurde im Kalkbergstadion eine der ersten großen Sportveranstaltungen der Nachkriegszeit ausgetragen: mit Box-Legende Max Schmeling als Ringrichter vor mehr als 12.000 Zuschauern. Das Stadion bewies einmal mehr sein großes Potenzial als Veranstaltungsort.

Die entscheidende Idee hatte schließlich der Lübecker Oberspielleiter Robert Ludwig. Er schlug den Stadtvätern vor, am Kalkberg Geschichten des sächsischen Schriftstellers Karl May aufzuführen. 1952 setzte er sich gegen eine Hamburger Theatergruppe durch, die die Nibelungen aufführen wollte. Am 16. August 1952 feierte "Winnetou" Premiere – gespielt von Hans-Jürgen Stumpf. Rund 98.400 Zuschauer kamen laut NDR zu den 15 Vorstellungen.

Auch viele Bad Segeberger waren beteiligt: Schüler nähten Kostüme, Lehrer entwarfen Tänze, Bauernpferde wurden zu wilden Mustangs umgeschult. Der Erfolg sprach für sich – im Folgejahr kehrte das Stück zurück, 1954 folgte mit "Der Schatz im Silbersee", einem berühmten Winnetou-Roman, die erste Inszenierung unter dem neuen Namen: Karl-May-Spiele.

Kalkbergstadion: Vom Sprechtheater zur Showbühne

In den Folgejahren kamen Klassiker wie "Der Ölprinz" oder "Unter Geiern" auf die Bühne. Auch Orientgeschichten wie "Durch die Wüste" wurden inszeniert. Was als schlichtes Sprechtheater begann, entwickelte sich zu einer spektakulären Open-Air-Show mit Pyrotechnik, Stunts und Reitkunst. 2019 kamen mehr als 400.000 Zuschauer. Nach einer pandemiebedingten Zwangspause knackten die Karl-May-Spiele 2024 mit 445.000 Besuchern einen neuen Rekord.

Inzwischen finden hier auch Konzerte mit nationalen und internationalen Stars statt. Die Arena, heute offiziell "Freilichttheater am Kalkberg", bietet mehr als 7.000 Menschen Platz. Und auch die tierischen Bewohner, eine große Fledermauskolonie in den Höhlen unter dem Kalkberg, lassen sich vom Trubel über ihnen nicht stören.

Verwendete Quellen

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