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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Kritik an Bank und Polizei Sparkassen-Diebe brachen 600 Schließfächer auf

Diebe haben sich in eine Filiale der Hamburger Sparkasse gebohrt. Der Schaden liegt wohl im zweistelligen Millionenbereich. Ein Coup, der nun auch Bank und Polizei in Erklärungsnot bringt.
Die Einbrecher, die vor anderthalb Wochen mit einem Kernbohrer in eine Norderstedter Filiale der Hamburger Sparkasse eingedrungen sind, haben dort rund 600 Schließfächer aufgebrochen. "Von den über 1.200 Schließfächern sind ungefähr die Hälfte von den Tätern geöffnet worden", teilte die Polizei am Dienstag mit.
"Wir informieren jetzt alle Schließfachinhaber und vereinbaren zeitnah mit allen Termine für ein persönliches Gespräch", heißt es in einer Mitteilung der Hamburger Sparkasse. Zur genauen Schadenshöhe könne noch nichts gesagt werden.
Der Berliner Anwalt Michael Plassmann geht davon aus, dass in den aufgebrochenen Fächern "mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit Werte in zweistelliger Millionenhöhe" lagen. Plassmann ist Experte auf dem Gebiet der Schließfachdiebstähle, vertrat unter anderem nach dem sogenannten Tunnelraub von Steglitz mehrere Geschädigte.
Tunnelräuber machten 2013 zehn Millionen Euro Beute
2013 hatten Diebe einen 45 Meter langen Tunnel bis in eine Volksbankfiliale in Berlin-Steglitz gegraben, dort rund 300 Schließfächer aufgebrochen – und laut Polizei rund zehn Millionen Euro Beute gemacht. Die Täter sind bis heute nicht gefasst, 2023 wird der schwere, bandenmäßige Diebstahl verjähren.
Auch im Fall der Hamburger Sparkasse haben sich bereits Bankkunden an Plassmann gewandt. t-online sagte er: "Menschen heben alles mögliche in Schließfächern auf: Bargeld, Gold, hochwertige Colliers. Manchmal kommen da Summen weit über 500.000 Euro zusammen."
Anwalt vermutet ungenügende Sicherheitsvorkehrungen in Hamburg
Versichert ist der Inhalt der Schließfächer laut Hamburger Sparkasse pauschal mit bis zu 40.000 Euro. Nur wenige Kunden würden noch darüber hinausgehende Zusatzversicherungen abschließen, sagt Anwalt Plassmann. "Im Allgemeinen gehen die ja davon aus, dass ihre Sachen in der Bank sicher sind."
Allerdings gebe es auch ohne Zusatzversicherung die Möglichkeit, einen höheren Schaden als 40.000 Euro ersetzt zu bekommen: dann nämlich, wenn der Bank ungenügende Sicherheitsvorkehrungen nachgewiesen werden könnten. Und darauf gebe es in Norderstedt Hinweise, so Plassmann.
Hatten die Einbrecher Insider-Wissen?
Die Diebe hatten sich irgendwann nach Filialschließung am Freitag, dem 6. August, von einer leerstehenden Wohnung über der Bank in den Tresorraum gebohrt. Obwohl sie dabei einen schweren Kernbohrer benutzten, der für große Erschütterungen gesorgt haben muss, löste kein Alarm aus.
Anwalt Plassmann mutmaßt daher, dass die Einbrecher über Insider-Wissen verfügten: "Wenn die nicht genau gewusst hätten, dass kein Alarm losgehen wird, hätten die da keinen Kernbohrer hingeschafft."
Spektakulärer Coup: Diebe kehrten an den Tatort zurück
Und auch die Arbeit der Polizei wirft Fragen auf. Ein Mitarbeiter der Bank hatte nämlich am Sonntag, dem 8. August, den Einbruch bemerkt. Die anrückenden Beamten waren aufgrund der umfassenden Spurenlage jedoch zunächst überfordert. Sie versiegelten den Tatort, bis am Montag Spezialisten übernehmen sollten.
Nur: Die Diebe kümmerten sich offenbar wenig um die Versiegelung – und kehrten zurück, um Feuer zu legen. Am Montagmorgen qualmten in der Wohnung über dem Tresorraum mehrere Reifen. Möglicherweise wollten die Einbrecher so ihre Spuren verwischen.
"Darüber hinaus gab es keine Sicherungen"
Auf Nachfrage von t-online räumt die Polizei ein: Es sei durchaus auch möglich, dass die Einbrecher in der Nacht zu Montag noch weitere Schließfächer ausräumten. "Derzeit können wir das nicht ausschließen", sagte ein Polizeisprecher.
Und auf die Frage, wie denn der Tatort – also Bank und darüberliegende Wohnung – von Sonntag auf Montag gesichert wurden: "Die Wohnung war verschlossen und ist verschlossen geblieben. Darüber hinaus gab es keine Sicherungen."
Im Klartext: Wer, wie die Sparkassen-Einbrecher, Zugang zur Wohnung hatte, musste nur seinen Schlüssel ins Schloss stecken und herumdrehen, um wieder hinein zu gelangen.
- Eigene Recherchen
- Gespräch mit Anwalt Michael Plassmann
- Gespräch mit der Polizei
- Mitteilung der Hamburger Sparkasse per Mail
- Polizeidirektion Bad Segeberg: "Einbruch in Bankfiliale, 4. Folgemeldung"