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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Corona-Streit an Schulen "Was da gerade stattfindet, ist eine Durchseuchung"

Die Debatte um Corona-Maßnahmen an Hamburger Schulen sorgt für Frust bei Eltern, Lehrern und auch Schülern. In Hamburg etwa wurde die Maskenpflicht gelockert, nach Ostern soll nun die Testfrequenz reduziert werden.
Das Meinungsbild zu Corona-Schutzmaßnahmen geht an Hamburger Schulen weit auseinander. Während die Stimmung unter den Schülern sehr unterschiedlich ist, kritisieren Eltern und die Bildungsgewerkschaft GEW die bereits gültigen und geplanten Lockerungen.
"Ich will meine Kinder diesem Virus nicht einfach so aussetzen", sagt Heiko Habbe aus Hamburg. Der Jurist hat zwei Kinder, die ein Gymnasium in Hamburg-Eimsbüttel besuchen. Er hat mit anderen Eltern "aus allen Ecken Hamburgs" die Initiative "Sichere Bildung für Hamburg" ins Leben gerufen.
- Lesen Sie mehr dazu: Maskenpflicht an Schulen entfällt weitgehend
Vater zweier Kinder kritisiert "Durchseuchung" an Schulen
"Was da grade stattfindet, ist eine Durchseuchung. Das Virus wird nach Hause getragen", sagt Habbe. "Die Zahlen sind hoch und mit den Masken wird der einfachste Schutz gegen Corona einfach weggenommen." Laut Robert Koch-Institut liegt die Sieben-Tage-Inzidenz in Hamburg am Karfreitag bei 1000,4. Die Zahlen unter den schulpflichtigen Kindern sind höher.
Wie die Behörde für Schule und Berufsbildung (BSB) auf Anfrage von t-online mitteilt, lag die Sieben-Tage-Inzidenz unter den 5- bis 9-Jährigen in der Woche vom 4. bis zum 10. April bei 2.008 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner. Für die Gruppe der 10- bis 19-Jährigen lag der Wert nur knapp darunter: 1.931. Neuere Daten lagen der BSB am Gründonnerstag noch nicht vor.
Geteiltes Meinungsbild bei Hamburger Schülerinnen und Schülern
Was die Schülerinnen und Schüler zu den gelockerten Maßnahmen sagen, kann die Landesvorsitzende der Schülerkammer Hamburg, Charlotte Schmiedel, nicht pauschal beantworten. "Es ist ein sehr geteiltes Bild. Noch nimmt der Großteil der Schülerschaft die Masken nicht ab. Es werden aber immer mehr", sagt die 18-Jährige, die die zwölfte Klasse einer Stadtteilschule in Eimsbüttel besucht.
Natürlich sei die Sorge, sich mit dem Virus zu infizieren, noch da. Aber das sei sehr unterschiedlich ausgeprägt. "Für viele ist es eine Entlastung. Kinder und Jugendliche haben in der Pandemie massiv gelitten. Man merkt, dass die Stimmung deutlich gelockert ist", sagt Schmiedel. Ein Sonderfall seien die Abitur-Jahrgänge, die vor ihren Abschlussprüfungen stehen: "Da tragen deutlich mehr Maske, um jetzt nicht auszufallen."
"Weniger Tests schönen die Statistik"
Heiko Habbe kann das alles nicht verstehen. "Obwohl die Zahlen hoch sind, soll jetzt auch noch weniger getestet werden. Das schönt dann natürlich die Statistik und sieht für den Senator gut aus", kritisiert der Vater. "All die Schutzmaßnahmen werden schleichend kassiert. Ich sehe unter den Eltern keine Mehrheit dafür. Die Behörden werden von einer lauten Minderheit unter Druck gesetzt."
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Auch Schülervertreterin Charlotte Schmiedel sagt: "Dieser ganze Druck, der auf der Gesellschaft lastet, wird in den Schulen ausgetragen. Das schafft viel Unsicherheit. Dabei waren es gerade die Jungen, die während der Pandemie schon oft am Pranger standen."
Kritik an neuer Teststrategie kommt auch von der Gewerkschaft
Die Bildungsgewerkschaft GEW kritisiert wie Habbe die neue Teststrategie: "Die Reduzierung der Testfrequenz ist nicht nachvollziehbar, denn die Corona-Situation ist weiter angespannt", so Sven Quiring, Vorsitzender der GEW Hamburg. "Wie nach den Frühjahrsferien ist auch nach dem Osterwochenende, an dem eine gewisse Mobilität herrschen wird, eine steigende Inzidenz zu befürchten." Lehrerinnen und Lehrer machen rund zwei Drittel der GEW-Mitglieder aus.
Auf Anfrage teilt die Schulbehörde mit: "Die erhöhte Testanzahl hat eher eine psychologische Wirkung. Auch zwei Testungen pro Woche sind geeignet, Infektionen zuverlässig aufzudecken und Infektionsketten zu durchbrechen." Weiterhin seien Schulen in Hamburg der gesellschaftliche Bereich, der über die weitestgehenden Corona-Sicherheitsmaßnahmen verfüge, so die BSB weiter.
Vater Heiko Habbe berichtet auch von "massiven Unterrichtsausfällen" an der Schule. "Unsere Schulleitung hat sich per Mail sogar schon dafür entschuldigt. Offensichtlich können die Ausfälle nicht aufgefangen werden." Schmiedel sagt: "Sicher gibt es mehr Ausfälle als üblich. Wir kriegen mit, dass es von Schule zu Schule unterschiedlich gut oder schlecht läuft." Laut BSB habe es im Zeitraum vom 4. bis zum 10. April 309 Infektionen von Schulbeschäftigten gegeben. Das entspreche 0,9 Prozent aller in den Schulen Beschäftigten der Hansestadt.
- Gespräch mit Heiko Habbe
- Gespräch mit Charlotte Schmiedel
- Anfrage bei der Behörde für Schule und Berufsbildung (BSB)
- GEW Hamburg: Pressemitteilung vom 12. April 2022