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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Hamburgs dienstälteste Domina "Das Rotlicht-Milieu habe ich im Prinzip ausgekostet"
Natursekt, Peitschen und Nippelklemmen sind für Manuela Freitag Alltag. Die 57-Jährige ist die dienstälteste Domina Hamburgs. Im Gespräch mit t-online berichtet sie von Gewalt im Kiez – und was sie an ihrem Job mag.
Manuela Freitag hat ihr ganzes Erwachsenenleben im Hamburger Rotlichtmillieu verbracht. Heute ist sie die wohl dienstälteste Domina in der berühmt-berüchtigten Herbertstraße. Schon als Teenager hat sie sich prostituiert.
Damals war es vor allem das Geld, das Freitag dringend brauchte. Nach 45 Jahren im Milieu hat die Hamburgerin nun ein Buch geschrieben. "Herbertstraße. Kein Roman" erscheint an diesem Freitag.
t-online: Wie sind Sie zur Arbeit im Rotlicht-Milieu gekommen?
Manuela Freitag: Mit zwölf Jahren ging ich das erste Mal auf den Strich. Das entstand aus der Situation heraus. Ich brauchte Geld. Ich lebte im Heim und dort fühlte ich mich nicht wohl und nicht geborgen. Also bin ich da abgehauen und auf dem Steintor in Bremen gelandet. Dort habe ich die Frauen gesehen – die drogenabhängigen Frauen.
Ich habe gesehen, wie sie in die Autos einstiegen und die Gäste dann im Auto bedient haben. Und ich dachte mir 'Och, das könntest du auch mal probieren.' Die fahren mit dir im Auto weg und wenn du zurück kommst, hast du Geld in der Tasche. Das hat mir natürlich gefallen. Also habe ich das weitergemacht – erstmal.
Hatten Sie dabei Berührungsängste?
Es war mir eher unangenehm. Das Herz klopft natürlich vor Aufregung. Dann aber zum ersten Mal 30 oder 50 Mark in der Hand zu haben, war für mich etwas Besonderes.
Und ich wusste ganz genau, wenn ich noch einmal mitfahre, habe ich noch einmal 30 oder 50 Mark in der Tasche. Davon konnte ich mir Schuhe, frische Schlüpfer kaufen, essen gehen, trinken gehen. Das war natürlich spannend. Erst der Nachgeschmack war bitter. Irgendwann war das Geld aufgebraucht und dann musste man wieder los.
Wie sind Sie dann dazu gekommen, als Domina zu arbeiten?
Das Milieu habe ich im Prinzip ausgekostet. Ich habe in Bars gearbeitet, Saunaclubs, in St. Georg in Hamburg und auf der Davidstraße in Hamburg. Die Herbertstraße und Domina zu werden, ist das beste, das mir passieren konnte. Inzwischen ist die Herbertstraße so etwas wie mein zweites Zuhause geworden.
Eigentlich haben die Gäste mich darauf gebracht. Ich bin in meiner Art offenbar sowieso herrisch und komme auch auf gewisse Art und Weise sehr dominant rüber – zumindest bei den Gästen. Vielleicht war es auch eine Berufung, vielleicht habe ich es auch von meiner Mutter, die ich nie kennenlernte und von der ich nur weiß, dass sie bis zu ihrem Tod anschaffen ging. Entweder, du hast es drauf oder du hast es nicht drauf. Ich könnte mir jedenfalls nicht mehr vorstellen, nicht als Domina zu arbeiten.
Wie hat sich die Arbeit im Rotlichtviertel während der Jahre geändert?
Der Kiez hat sich hundertprozentig verändert. Auf der einen Seite wird viel modernisiert. Die Reeperbahn soll zu einer Schickimicki-Meile gemacht werden. Auf der anderen Seite ist der Kiez sehr schmutzig geworden. Und der Ton sehr viel rauer. Uns werden viele Kraftausdrücke an den Kopf geworfen. Viele Frauen bieten sich für sehr kleines Geld an.
Die Herbertstraße dagegen ist immer noch ein bisschen wie früher. Das bedeutet mir schon sehr viel. Man kennt viele, die dort arbeiten schon über Jahre. Man kommt in die Straße, dann schon geht’s los 'Hallo', 'Moin', 'Na alles klar','Tschüss", 'Viel Bock'. Man fühlt sich direkt heimisch.
Gibt es nach 30 Jahren als Domina noch Wünsche, die Sie überraschen?
Ja, das gibt es auch noch. Ein Mann wollte von mir, dass ich vor ihm ein Huhn schlachte. Das habe ich abgelehnt. Einmal hatte ich auch ein glückliches Schwein da. Das war eine belustigende Situation. Dieser Mann hat schon an der Scheibe gegrunzt und ist dann auf allen Vieren nach oben in mein Studio gelaufen.
Das war auch für mich etwas Neues. Ich habe so gelacht. Ihm war das vollkommen egal. Er hat einfach weitergemacht und gegrunzt und seinen Hintern an meinen Stiefeln geschubbert.
Gibt es für Sie klar definierte Grenzen?
Alles, was für mich überschaubar ist und was ich kontrollieren kann, mache ich. Aber wenn Blut ins Spiel kommt, hört es bei mir auf. Wenn ich beispielsweise etwas aufschneiden oder zunähen soll, dann sage ich "nein, das mache ich nicht".
Bei den unterschiedlichen Wünschen sind ja auch die Kosten verständlicherweise unterschiedlich. Wie entstehen die Preise für die Leistungen?
Das ist ganz individuell und Verhandlungssache. Ich fange mit 100 Euro an, die Stunde kostet dann bei mir 250 Euro. Und dann kommt es drauf an, was sich daraus in einer Stunde entwickelt.
Viele Gäste kommen in mein Studio und fühlen sich inspiriert. Die äußern dann Wünsche die sie vorher am Fenster nicht geäußert haben. Schauen sich um, wollen vielleicht mal etwas ausprobieren, sich fesseln lassen oder an der Leine spazieren geführt werden.
Für die Gäste, die verlängern möchten, gibt es drei Geldautomaten auf der Straße. Da zieht der Kunde seinen Schlüpper an, guckt nach rechts, guckt nach links. Rennt schnell zum Automaten, holt Geld und kommt wieder zurück.
Gibt es unter Ihren Kolleginnen so etwas wie Konkurrenzkampf?
Die Geschäfte werden schwerer und der finanzielle Druck ist immer da. Natürlich gibt es da Konkurrenz. Manch eine gönnt dir wahrscheinlich nicht den Dreck unter den Fingernägeln. Wenn es ums Geld geht, da will natürlich jeder die Nase vorn haben. Das ist klar. Aber daneben gibt es eben auch den kleinen Schnack zwischendurch. Ich sage mal so: Wir lachen und wir weinen zusammen
Wie reagiert Ihr Umfeld auf den Job als Domina? Und wie ist Ihre Familie damit umgegangen?
Zu Anfang sind alle immer ein bisschen neugierig, wollen viel über meinen Beruf wissen. Und wenn sie alles gehört und aufgesaugt haben, dann werde ich schnell mal links liegengelassen.
Ich bin aber ein sehr starker und fokussierter Mensch. Ich konzentriere mich auf mich selbst. Deshalb kann ich auch damit umgehen. Obwohl ich natürlich auch manchmal traurig darüber bin.
Für meinen Sohn war es überhaupt kein Problem – solange ich nicht küsse und keinen Geschlechtsverkehr habe. Das war ihm als Teenager sehr wichtig. Er hat mir sogar manchmal Glück gewünscht, wenn ich zur Arbeit gegangen bin. Das hat mir immer ein gutes Gefühl gegeben.
Würden Sie rückblickend etwas ändern wollen?
An schlechten Tagen mache ich mir schon Gedanken, ob ich auch etwas anderes hätte machen können. Ich hätte vielleicht schon das Zeug dazu gehabt. Aber nun ist es nun mal so, wie es ist.
Dafür habe ich heute einen Job, bei dem ich unabhängig bin. Ich bin meine eigene Herrin. Was mich an dem Job reizt, ist das Facettenreiche, dass man so viele Menschen kennenlernt und damit eine große Menschenkenntnis bekommt. Und die Ehrlichkeit, die ich über all die Jahre gelernt habe. Ich habe gelernt mit mir selbst ehrlich umzugehen. Das finde ich gut und wichtig.
- Gespräch mit Manuela Freitag