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Ticketaffäre um Andy Grote: Wie Hamburgs Polit-Elite um Ermittlungen herumkam


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Justizskandal um Innensenator Grote
Ticketaffäre erschüttert Hamburgs Polit-Elite

  • Carsten Janz
Von Carsten Janz

Aktualisiert am 19.10.2022Lesedauer: 4 Min.
imago images 168180875Vergrößern des Bildes
Andy Grote erhielt VIP-Karten vom FC St. Pauli – durchsucht wurde nicht. (Quelle: IMAGO/BODE)

Verhinderte Durchsuchungen befeuern einen brisanten Verdacht: Gibt es in Hamburg eine Zwei-Klassen-Justiz, die politische Würdenträger vor Ermittlungen schützt?

"Verschlusssache – nur für den Dienstgebrauch" steht auf dem Entwurf des Antrags, der eine Durchsuchung bei Würdenträgern der Stadt Hamburg lostreten sollte. Er ist mehrere Seiten lang, beschreibt genau, warum die Korruptionsabteilung in der Staatsanwaltschaft Hamburg einen Anfangsverdacht sieht – der Entwurf liegt t-online vor. Ermittelt werden sollte gegen Innensenator Andy Grote, Polizeipräsident Ralf Martin Meyer und den ehemaligen Wirtschaftssenator Frank Horch. Sie hatten VIP-Tickets des FC St. Pauli angeboten bekommen und auch angenommen. Der Verdacht lautete: Vorteilsnahme, t-online berichtete als Erstes über den Fall.

Doch es gab deswegen keine Razzia, Andy Grote und die anderen Würdenträger kamen davon. Das Amtsgericht, das die Durchsuchung hätte genehmigen müssen, erreichte der Entwurf nie. Der Generalstaatsanwalt hatte nach Information von t-online eingegriffen: In einer Dienstbesprechung mit insgesamt fünf Teilnehmenden forderte er, den Spielraum, den die Behörde hat, "zugunsten der Betroffenen" auszulegen. Andere Medien griffen die Recherchen von t-online auf und sind mittlerweile ebenfalls im Besitz des Vermerks, den mindestens eine Person geschrieben hat, die bei dem Gespräch dabei war.

Schützen manche Staatsanwälte hochrangige Behördenvertreter? Der Eindruck könnte in diesem Fall entstehen. Was aber in dem Entwurf des Durchsuchungsantrags auch deutlich wird: Die zuständige Korruptionsabteilung war der festen Überzeugung, dem Verdacht nachgehen zu müssen, dass Grote, Meyer und Horch Unrecht getan hatten – weil sie damals offenbar einen Vorteil angenommen haben, den sie mutmaßlich nicht hätten annehmen dürfen.

Werden Würdenträger geschützt?

Brisant: Zum Zeitpunkt der Annahme der Karten gab es in Hamburg Streit um den Ausbau des Millerntor-Stadions, der Heimspielstätte des FC St. Pauli. Der Verein und die drei beteiligten Behörden der Hansestadt konnten sich nicht über Details der Baupläne einigen. Entscheidender Punkt war der Bau der externen Polizeiwache am Stadion.

Grote, damals Leiter Bezirksamt Hamburg Mitte, Horch, damals Leiter der Wirtschaftsbehörde, und Meyer, Polizeipräsident, nehmen die angebotenen Karten trotzt den brisanten Voraussetzungen auch an. Tatsächlich einigte man sich anschließend und der Ausbau ging wie geplant voran.

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Der Staatsanwaltschaft ist das damals bewusst, wie aus dem fraglichen Entwurf zum Durchsuchungsantrag zahlreicher Objekte hervorgeht, den die Leiterin der Korruptionsabteilung verfasst und an mindestens vier Personen schickt, unter anderem an den Generalstaatsanwalt Jörg Fröhlich. Darin heißt es: "Der Bau der Tribüne verzögere sich, weil die Behörde für Inneres und Sport, die Finanzbehörde, die Wirtschaftsbehörde und das Bezirksamt Hamburg-Mitte" Streit über den Bau der Polizeiwache am Stadion hätten.

In dem internen Papier steht dazu weiter: "Vor diesem Hintergrund besteht ein Anfangsverdacht dahingehend, dass die Zuwendung der Freikarten (…) dienstliche Berührungspunkte aufwies." Und damit strafbar sein kann. Und die Korruptionsstaatsanwaltschaft ist bereit, ans Äußerste zu gehen. Sie will nicht nur die Diensträume von Grote, Meyer und Horch durchsuchen, sondern sogar die privaten Wohnungen. Sie erhofft sich, dort Beweismittel zu finden: Fotos, E-Mails, Kalendereinträge, die "den Spielbesuch dokumentieren".

Es musste schnell gehen

Und die Korruptionsstaatsanwaltschaft sah auch Handlungsdruck. Denn einige der Taten drohten zu verjähren. Auf dem Entwurf des Durchsuchungsantrages steht ganz oben: "Verjährungseintritt im Fall 1 am 22.08.2019." Also wenige Wochen nach der Dienstbesprechung, in der die Durchsuchung bei Grote, Meyer und Horch anscheinend vom Generalstaatsanwalt abgeräumt wurde.

Dass in diesem Fall die drei prominenten Betroffenen mit einer Einstellung des Verfahrens wegkommen sind und es in anderen vergleichbaren Fällen mit weniger Prominenten strikter gehandhabt wird, sorgt in der Hansestadt für ein politisches Beben. Rücktrittsforderungen gegen Grote werden laut. Es wird sogar die Frage gestellt, wie unabhängig die Justiz in der Hansestadt ist. Vor wenigen Wochen wurden nämlich Finanzbeamte, die auch Karten des Kiez-Vereins angenommen hatten, vor das Amtsgericht gezerrt, sie mussten eine Geldauflage zahlen.

Finanzbeamte vor Gericht: Sie schrieen laut!

Es ging hoch her im Gericht, Kolleginnen und Kollegen der Beamten schrien im Gerichtsaal, witterten eine Ungleichbehandlung. Sie wussten ja, dass hochrangige Politiker wie Andy Grote und der Polizeipräsident Meyer laufen gelassen wurden – denn die Finanzbehörde löste vor einigen Jahren selbst die Ermittlungen aus, weil sie Unregelmäßigkeiten in den Büchern des FC St. Pauli gefunden haben wollte.

Nachdem Leute aus ihren Reihen jetzt vor Gericht standen, kochte die drei Jahre alte Affäre noch einmal hoch. Schon 2019 berichtete der NDR über Auflistungen von Spielbesuchen der Würdenträger der Stadt, die in den Akten der Finanzbehörde zu finden sind.

Warum also griff der Generalstaatsanwalt in das Verfahren gegen Grote und Co. ein – bei den einfachen Finanzbeamten aber nicht? Auf Anfrage von t-online zum Vorwurf der "Zwei-Klassen-Justiz" teilte die Sprecherin der Staatsanwaltschaft mit, dass sich die Behörde derzeit nicht weiter zu dem Thema einlasse. Auch nicht zu der Frage, ob weitere Ermittlungen eingeleitet wurden.

Klar ist nur: Es gab keine Razzia bei den Würdenträgern der Stadt Hamburg, wohl aber beim FC St. Pauli und, wie das "Hamburger Abendblatt" berichtete, auch beim damaligen Geschäftsführer des Kiez-Klubs Andreas Rettig. Der steht auch im Antrag auf Durchsuchung, der t-online vorliegt. Und blieb wohl auch drin, anders als die drei Behördenmitarbeiter Grote, Horch und Meyer. Aufgefunden wurde bei Rettig aber offenbar nichts Belastendes. Vielleicht wäre das bei Grote, Meyer und Horch anders gewesen – doch da wurde nicht so genau hingeschaut.

Verwendete Quellen
  • Eigene Quellen
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