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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Messerangriff von Brokstedt Hamburger Behörden sehen keine Fehler im Umgang mit Ibrahim A.
Wurde sich nach seiner Haftentlassung ausreichend um Ibrahim A. gekümmert? Wenige Tage später tötete er in einem Regionalzug zwei Menschen.
Die Hamburger Justiz hat nach Aussagen von Senatorin Anna Gallina (Grüne) keine Fehler im Umgang mit Ibrahim A. gemacht, der in einem Zug von Kiel nach Hamburg zwei Menschen mit einem Messer getötet haben soll. Der Verdächtige war sechs Tage vor dem Angriff am 25. Februar aus der Untersuchungshaft in Hamburg entlassen worden. Die Ausländerbehörde in Kiel sei mehrfach von der Justizvollzugsanstalt in Hamburg-Billwerder, der Polizei Hamburg sowie dem Landgericht über die Untersuchungshaft von A. unterrichtet worden, erklärte Gallina im Justizausschuss der Bürgerschaft am Donnerstag.
Bei einem telefonischen Austausch zwischen der JVA und der Ausländerbehörde im November 2022 habe es aber geheißen, dass sich A. nach seiner Haftentlassung bei den Behörden in Schleswig-Holstein melden solle. Dass zuvor alle relevanten Informationen an das andere Bundesland weitergegeben wurden, sei anhand von Akteneinträgen und E-Mails klar belegbar. Das Bundesamt für Migration (Bamf) habe von den Straftaten in Hamburg gewusst, die Information über die Untersuchungshaft hätte von Kieler Seite erfolgen müssen.
Grüne Ministerin in Kiel bemängelt Kommunikation der Hamburger Behörden
Am Vortag hatte die schleswig-holsteinische Integrationsministerin Aminata Touré (Grüne) bemängelt, dass Informationen aus Hamburg zum mutmaßlichen Täter nicht in Schleswig-Holstein angekommen seien. Das Bamf hatte erklärt, dass der Austausch mit der Kieler Ausländerbehörde keine Hinweise zur Untersuchungshaft in Hamburg ergeben habe. Nach Hamburger Darstellung ist das Bamf jedoch seit März 2022 in die Kommunikation eingebunden gewesen. "Was dann mit den Informationen gemacht wird, müssen wir nun aufklären", sagte die Hamburger Senatorin.
Der Verbesserungsbedarf in der Kommunikation der Behörden sei offensichtlich, sagte Gallina nach der Ausschusssitzung. "Wir haben heute festgestellt, dass wir eine andere Aktenlage als in Kiel haben. Da müssen wir uns drum kümmern." Hamburg habe mehrfach proaktiv in Richtung der Kieler Ausländerbehörde kommuniziert.
"Die verschiedenen Behörden sind sich komplett uneins"
Richard Seelmaecker, justizpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion, kritisierte die gegenseitigen Anschuldigungen der Behörden: "Die verschiedenen Behörden sind sich komplett uneins, wer wen wann informiert haben will. Ich bin zutiefst erschüttert", sagte er. "Wir brauchen ein klares Meldewesen, das nachvollziehbar ist. Dass so relevante Informationen per E-Mail ausgetauscht werden, ist skandalös."
Das Hamburger Resozialisierungsprogramm sei "vorbildlich", sagte die Justizsenatorin. Sie wies jedoch mehrfach darauf hin, dass es nach der Entlassung aus der Untersuchungshaft nur sehr eingeschränkte Möglichkeiten gebe, Auflagen seien anders als nach einer Strafhaft nicht vorgesehen. "Nach der Freilassungsanordnung durch das Landgericht gab es keine rechtliche Grundlage, ihn weiter festzuhalten." Der Anordnung sei "unverzüglich" Folge zu leisten gewesen wären. A. habe von der JVA Beratungs- und Unterstützungsangebote im Rahmen der vorgesehenen Möglichkeiten erhalten.
Ibrahim A. soll regelmäßig psychiatrisch betreut worden sein
Während der fast einjährigen Untersuchungshaft in Hamburg-Billwerder sei A. regelmäßig psychiatrisch betreut worden, insgesamt fast 20 Mal. Dabei habe es sich aber immer nur um situative Einschätzungen und keine Prognosen gehandelt, stellte Gallina fest. Dort hätten sich keine Anhaltspunkte für eine Fremd- oder Selbstgefährdung durch A. ergeben. Auch vor Gericht sei keine Schuldunfähigkeit festgestellt worden. Hinzu seien Kontakte mit den JVA-Bediensteten sowie weiteren Ärzten aufgrund seiner Drogensucht gekommen.
In der JVA sei es zu zwei Vorfällen gekommen: einer verbalen und körperlichen Auseinandersetzung mit einem anderen Häftling sowie einer Widerstandshandlung gegen JVA-Bedienstete. Beide Vorfälle seien der Justizbehörde sowie der Staatsanwaltschaft weitergegeben und somit "ordnungsgemäß abgearbeitet" worden.
Brokstedt-Tatverdächtiger schlief in Notunterkunft
Die zwei tätlichen Auseinandersetzungen, bei denen es keine nennenswerten Verletzungen gegeben habe, seien für den Justizvollzug im Allgemeinen keine Besonderheit. In der JVA habe die schriftliche sowie mündliche Kommunikation mit dem Häftling A. auf Deutsch stattgefunden, auch die psychiatrische Betreuung im Vollzug sei ohne Dolmetscher möglich gewesen.
Nach seiner Entlassung am 19. Januar habe er eine Nacht im Hamburger Winternotprogramm verbracht, am 23. Januar – also zwei Tage vor der Tat im Regionalzug – habe es zudem eine Perspektivberatung in Hamburg gegeben. Auch bei diesen Kontakten seien keine Auffälligkeiten festgestellt worden. Die JVA habe sich zudem um die Fortführung der Methadon-Behandlung nach der Haft und eine Wohnunterbringung bemüht.
CDU-Mann Seelmaecker prangerte die aus seiner Sicht unzureichende Risikobewertung vor der Entlassung aus der Untersuchungshaft an, es habe aufgrund vorheriger Straftaten und der Drogensucht des 33-Jährigen ausreichend Alarmsignale gegeben. Entlassungen aus der Untersuchungshaft müssten zudem besser vorbereitet werden können, als es derzeit der Fall sei. "Wenn ein hochproblematischer Mensch wie in diesem Fall aus der Haft entlassen wird, braucht es eine bessere Nachsorge, auch wenn er nur in Untersuchungshaft war."
- Sitzung des Justizausschusses der Hamburgischen Bürgerschaft am 2. Februar 2023
- Mit Material der Nachrichtenagentur dpa