Arbeitsgericht Lüneburg Amazon darf Betriebsratschef entlassen
Ein Betriebsratsvorsitzender soll wichtige Konferenzen geschwänzt haben: Eine schwerwiegende Pflichtverletzung, findet ein Gericht. Doch der Streit ist nicht beendet.
Das Arbeitsgericht Lüneburg hat der fristlosen Entlassung des Betriebsratsvorsitzenden bei Amazon in Winsen/Luhe im Landkreis Harburg zugestimmt. Er soll einem Fortbildungskongress im November 2022 in Bonn ferngeblieben sein. "Das war eine schwerwiegende Pflichtverletzung", sagte der Vorsitzende Richter Ralf Ermel am Mittwoch. Es ging um den Verdacht des Arbeitszeitbetrugs, weil der Betriebsratsvorsitzende Detlev Börs am zweiten Tag nicht erschienen war.
Amazon hat in Winsen mehr als 1.900 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. Rund 100.000 Pakete verlassen das Werk täglich.
Nach eigenen Angaben verrichtete der Betriebsratsvorsitzenden stundenlang Betriebsratsarbeit in einem Café in Düsseldorf und übernachtete bei seiner Ex-Frau. Als freigestellter Vorsitzender des Betriebsrates könne er auch mobil arbeiten. "Das war keine notwendige Betriebsratsarbeit, sie war nicht unaufschiebbar", ergänzte Ermel. Die Begründung, seine geschiedene Ehefrau zu treffen und in ihrer Wohnung auch gearbeitet zu haben, sei zudem nicht überzeugend und plausibel gewesen.
Verdi erhebt Vorwürfe gegen Amazon
Amazon bezahlte für die Anreise, Übernachtung und Veranstaltungskosten mehr als 2.000 Euro. Weil für Betriebsräte ein besonderer Kündigungsschutz gilt, muss der Rat der Kündigung des Leiters zustimmen. Weil er dies nicht tat, musste der Logistikkonzern die Zustimmung vor Gericht erstreiten. Börs kann noch den Weg zum Landesarbeitsgericht gehen. "Ja, das werde ich tun", kündigte er an.
Nach Angaben der Gewerkschaft Verdi gibt es an verschiedenen Amazon-Standorten immer wieder Auseinandersetzungen des Unternehmens mit Betriebsräten. Weil ein Mitglied in Achim bei Bremen sich jeweils mehrere Stunden auf Einladung mit Ministerpräsident Stephan Weil und Bundesarbeitsminister Hubertus Heil vom Arbeitsplatz entfernt hat, wurde ihm nach eigenen Angaben gekündigt. Der Betriebsrat stimmte zu. Ein Gerichtstermin im Mai steht dazu an. Amazon schrieb in einer Stellungnahme, man würde niemals den Missbrauch von Unternehmensressourcen oder falschen Reisekostenabrechnungen dulden.
"Amazon schickt bei jeder Betriebsratswahl eigene Leute ins Rennen, arbeitgebernahe Manager und Führungskräfte", erklärte Nonni Morisse, Verdi-Sekretär für Amazon in Niedersachsen. "Amazon respektiert und achtet alle geltenden Rechte der Gewerkschaft. Für Amazon sind die Betriebsräte die wichtigsten Betriebspartner", schrieb der Konzern in einer Reaktion auf die Vorwürfe.
Im Juni steht vor dem Arbeitsgericht in Hannover eine Güteverhandlung an, weil der Arbeitsvertrag eines Betriebsratsmitglieds in Wunstorf nicht entfristet wurde. Der Vertrag des Mitarbeiters sei einfach ausgelaufen, hieß es dazu vom Unternehmen.
- Nachrichtenagentur dpa