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Hamburg

Waldbrand-Ursachen: Experte – "Fast alle werden vom Menschen verursacht"


Interview
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Gefahr durch Waldbrände
"Viel Regen ist nicht unbedingt gut"

  • Gregory Dauber
InterviewVon Gregory Dauber

Aktualisiert am 14.06.2023Lesedauer: 5 Min.
imago images 0258728352Vergrößern des Bildes
Flammen in Jüterbog (Brandenburg): In Deutschland gibt es derzeit gleich mehrere Waldbrände. (Quelle: IMAGO/Andreas Friedrichs)

In der Lüneburger Heide ist kürzlich der erste Waldbrand des Jahres ausgebrochen, in Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg brennen schon große Flächen. Droht ein Sommer voller Waldbrände?

Es ist heiß und trocken in Deutschland, die Waldbrandgefahr ist hoch. Erst am Dienstag verhinderten Hunderte Einsatzkräfte die Ausbreitung eines Feuers in einem Waldgebiet im Kreis Rendsburg-Eckernförde. In anderen Teilen Deutschlands brennen große Flächen.

Der Extremwetterforscher Frank Böttcher erklärt im Interview, was überhaupt "zu heiß" und "zu trocken" bedeutet und wie viel Regen nötig wäre, damit sich die betroffenen Gebiete erholen können.

t-online: Werden wir auch in diesem Jahr neue Temperaturrekorde erreichen?

Frank Böttcher: Wir wissen noch nicht genau, wie der August wird, wie der Juli wird. Aber wir wissen ziemlich genau, dass die Wahrscheinlichkeit für heiße und auch für lange trockene Phasen zunimmt. Wir sehen auch, dass es immer wahrscheinlicher wird, dass wir neue Hitzerekorde bekommen.

Im April hatten wir das erste Mal über 38,5 Grad in Europa, so heiß war es noch nie zu dieser Zeit. Das sind alles Ausdrucksformen der globalen Erhitzung, die natürlich auch an Deutschland nicht vorbeigeht. Früher oder später werden weitere Rekorde kommen, wann genau ist aber noch nicht vorherzusagen.

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Welche Regionen in Deutschland sind besonders gefährdet, in diesem Jahr wieder unter extremer Hitze und Dürre zu leiden?

Betroffen sein können alle Regionen in Deutschland. Wir haben eine Großwetterlage, die sehr trockenes Wetter in weite Teile Nord- und Mitteldeutschlands gebracht hat, in Süddeutschland sehr häufig Gewitter. Das sieht man auch in den Böden. Im Süden ist die Trockenheit in den Böden derzeit nicht ganz so groß wie in Norddeutschland. Uns erwartet ein tendenziell zu heißer und zu trockener Sommer.

Was heißt zu heiß und zu trocken?

Das heißt, dass wir eine große Anzahl von Tagen mit Temperaturen über 30 Grad bekommen, auch über mehrere Tage am Stück. Eine einheitliche Definition für Hitzewellen haben wir jedoch noch nicht. Eine gute "Faustformel" lautet: Drei Tage am Stück über 30 °C. Bei so hohen Temperaturen haben wir außerdem ganz andere Verdunstungsraten und die Böden trocknen viel schneller aus. Wenn dann nicht gleich Landregen kommt, der das wieder auffängt, wird es auch schon mal kritisch.

Frank Böttcher ist Meteorologe und Buchautor (Archivbild): Bei einer Live-Sendung zeigte er Sinn für Humor.
Frank Böttcher (Archivbild) (Quelle: EventpressxMP/imago-images-bilder)

Zur Person

Frank Böttcher, Jahrgang 1968, ist Meteorologe, Wettermoderator und Initiator des Hamburger Klimarates. Der Hamburger hat zusammen mit Sven Plöger das Buch "Klimafakten" geschrieben.

Wann sprechen Sie von trockenen Böden?

Da wird vor allem die Bodenfeuchte bis 60 Zentimeter Tiefe betrachtet. In weiten Teilen Mecklenburg-Vorpommerns gibt es teilweise verfügbare Feuchtigkeit in den Böden unter dem Winterweizen von unter 10 Prozent und kaum noch Orte, wo es mehr als 20 Prozent Feuchte in dieser Schicht gibt. Das ist also wirklich sehr trocken und gilt auch für die Lüneburger Heide und das Wendland.

Sind noch andere Teile des Landes betroffen?

Wir haben diese Trockenheit auch im Großraum Berlin und in fast allen Landesteilen Brandenburgs. Es sind eben tatsächlich der Nordosten und Osten Deutschlands bis ins südliche Schleswig-Holstein. Hier liegt die Bodenfeuchte für lehmigen Sand verbreitet bei 20 bis 30 Prozent.

Es gibt also nur noch wenige Regionen in Deutschland, wo im Boden so viel Feuchtigkeit vorhanden ist, dass man von einer entspannten Lage sprechen kann. Dazu gehören vor allen Dingen die Mittelgebirge und der Alpenrand.

Vergangene Woche gab es den ersten Waldbrand in der Lüneburger Heide, aber auch in Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg brennen schon große Flächen. Wie groß ist die Gefahr, dass es in diesen Gebieten den ganzen Sommer zu schwerwiegenden Waldbränden kommen wird?

In diesen Regionen haben wir eine sehr hohe Waldbrandgefahr, dort gilt fast überall die höchste Gefahrenstufe 5. In Süddeutschland tritt das nur kleinräumig auf. Die hohen Werte kommen durch die Kombination aus Trockenheit und hohen Temperaturen. Ein Faktor kommt noch hinzu: Das ist der Wind.

In dem Moment, wo wir zusätzlich zu diesen äußeren meteorologischen Rahmenbedingungen auch noch Wind bekommen, steigen die Verdunstungsraten, und der Boden trocknet schneller. Kleine Feuer breiten sich dann zudem sehr schnell aus. Wir haben in vielen Waldgebieten Laub liegen, was die Feuer in Bodennähe weiter befeuert.

Ist keine Entlastung in Sicht?

Vor Freitag werden wir keine signifikante Änderung der Waldbrandgefahr bekommen. Die ersten großflächigen Schauer und Gewitter kommen vielleicht am Freitag, aber da werden auch nicht alle was abbekommen. Das sind dann immer nur punktuelle Ereignisse und eine richtig große Umstellung der Wetterlage in Richtung länger anhaltendem, flächendeckendem Regen ist im Moment nicht in Sicht.

In der kommenden Woche, vielleicht am Mittwoch, könnte es mal großflächig Schauer und Gewitter geben. Wie viel davon im Nordosten übrig bleibt, ist völlig offen. Dort werden wir mit weiteren Waldbränden rechnen müssen. In diesem Zusammenhang gibt es aber noch einen weiteren wichtigen Punkt, der dazu gehört.

Und zwar?

Fast alle Waldbrände werden vom Menschen verursacht. Da sind die weggeworfenen Kippen, Streichhölzer oder schlichtweg Brandstiftung. Es passiert nur sehr, sehr selten, dass Brände sich selbst in trockener Natur entzünden, etwa durch Blitzeinschläge. Die Menschen und ihre Unachtsamkeit sind das größte Risiko.

Sind die aktuellen Waldbrände früh dran?

Ja, das passiert in diesem Jahr relativ früh. Wir haben immer mal auch Jahre, wo wir schon im April und im Mai hohe Waldbrandgefahren haben. Durch den Klimawandel gibt es eine deutliche Zunahme der Trockenphasen im Frühjahr. Wir haben erheblich mehr trockene Tage im Zeitraum 15. März bis 15. Mai. Das ist statistisch signifikant. Da fällt teilweise wochenlang kein Regen, und das in der Hauptwachstumszeit. Das heißt, dass hohe Waldbrandgefahren früher im Jahr eintreten als noch vor 30 Jahren. Das ist Ausdruck einer Klimaveränderung.

Wie viel Regen bräuchten denn Gebiete wie die Lüneburger Heide, um sich zu erholen?

Es kommt nicht nur auf die Menge an, sondern vor allen Dingen auf den Zeitraum. Viel Regen ist nicht unbedingt gut. Wenn 50 Liter Regen pro Quadratmeter fallen, ist das über fünf Tage gleichmäßig verteilt eine großartige Sache. Wenn diese Menge allerdings bei einem Gewitter innerhalb von 60 Minuten fällt, was bei kräftigen Gewittern überhaupt keine Seltenheit ist, dann hat das am Ende von Trockenperioden fast keine positive Wirkung.

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Warum?

Dieses Wasser läuft sehr schnell oberirdisch ab und es kommt zu starken Erosionen, die der Natur und Landwirtschaft schaden. Die obere Erdschicht wird dann einfach weggeschwemmt und das Wasser kommt nicht in die tieferen Schichten, wo es die Wurzeln erreicht. Trockene Böden verlieren einen großen Teil ihrer Kapillarwirkung, also der Schwammfähigkeit.

Verwendete Quellen
  • Telefoninterview mit Frank Böttcher
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