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Hamburg

"Letzte Generation" kündigt neue Aktionen an: "Wir schauen nicht länger zu"


Interview
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Protest der "Letzten Generation"
"Die Superreichen lassen die Jets freiwillig nicht stehen"

InterviewVon Martin Busche

Aktualisiert am 26.06.2023Lesedauer: 4 Min.
Aktivisten der Gruppe Letzte Generation (Archivfoto): Hier wurden sie bei einer Blockadeaktion an der Siegessäule von der Polizei von der Straße entferntVergrößern des Bildes
Aktivisten der "Letzten Generation" sind deutschlandweit aktiv: Hier werden zwei von ihnen bei einer Blockade der Berliner Siegessäule von der Polizei entfernt. (Quelle: Kay Nietfeld/dpa/dpa)

Die "Letzte Generation" hat neue Straßenblockaden angekündigt. Die seien unglaublich effektiv, so Aktivisten im t-online Interview. Aufhören ist für sie keine Option.

Zuerst Sylt, danach Neustadt: Die "Letzte Generation" hält das Land in Atem. Überall wo die Klimaaktivisten auftauchen, reagieren die Menschen fassungslos auf ihre Aktionen. Meist werden sie massiv angegriffen, nur selten gibt es Lob. Auch die Politik wehrt sich, droht mit drakonischen Maßnahmen.

Doch die Aktivisten sehen für sich keine andere Wahl. Die Klimafrage ist für sie die zentrale Frage des Jahrhunderts. Für ihre Aktionen zahlen sie einen hohen persönlichen Preis. Judith, Regina und Julian nehmen das in Kauf.

t-online: Sie waren auf Sylt, sie waren in Neustadt. Ministerpräsident Daniel Günther aus Schleswig-Holstein hat angekündigt, weitere Aktion konsequent verhindern zu wollen. Wie fällt Ihr Fazit nach Sylt und Neustadt aus?

Judith: Eine einzelne Aktion isoliert zu bewerten, ist schwer. Wir haben auf Sylt den Alltag der Reichen gestört und die Aufmerksamkeit auf die fatalen Folgen ihres Überkonsums gerichtet. Das ist uns auch in Neustadt gelungen. Mit unserem Protest stoßen wir die gesellschaftliche Debatte über die Rolle der Reichen in der Klimakatastrophe an.

Sind Sie da sicher? Wird tatsächlich über das Klima gesprochen oder mehr über Ihre Sachbeschädigungen und was dadurch alles kaputtgeht?

Judith: Beides. Die Vergangenheit hat leider gezeigt, dass Demonstrationen und Petitionen ignoriert werden. Es wird aktuell viel mehr über die Klimakrise gesprochen, weil unser Protest unignorierbar ist. Worüber wir als Gesellschaft sprechen müssen ist ja, was hier gerade für uns alle mutwillig zerstört wird. Und das sind unsere Lebensgrundlagen.

In Neustadt hat sich niemand im Hafen für Ihre Forderungen interessiert. Dort ging es nur um das Thema Sachbeschädigung und ob die Polizei Sie nun einsperren soll oder nicht.

Regina: Natürlich interessieren sich die Superreichen nicht für unsere Forderungen, sie werden ihre Jachten und Jets nicht freiwillig stehen lassen. Die Überreaktion der Superreichen auf unseren Protest, die bis zu Morddrohungen geht, zeigt aber, dass wir einen wunden Punkt treffen. Wir machen mit unserem Protest sichtbar, dass einige wenige Menschen unsere Lebensgrundlagen irreversibel zerstören. Und wir werfen die Frage auf, ob das gerecht ist. Wir alle entscheiden heute, wie wir in wenigen Jahren leben werden.

Die negativen bis hasserfüllten Reaktionen beeindrucken Sie nicht?

Regina: Doch, sehr. Ihr Hass macht mir große Angst. Vor allem die Selbstverständlichkeit, mit der uns die Reichen Gewalt androhen, egal wer daneben steht. Aber das ändert nichts an der Notwendigkeit für unseren Protest.

Na ja, die Leute sind sauer, weil Sie ihr Eigentum beschädigen. Das ist doch nachvollziehbar.

Regina: Ja, das ist nachvollziehbar. Die viel größere Zerstörung ist die unserer Lebensgrundlagen durch die Reichen und Superreichen. Das wäre Grund, sauer zu sein. Ich bin aber nicht sauer, ich habe einfach Angst vor der Klimakatastrophe, die wir jetzt schon so stark spüren.

Sachbeschädigung ist für Sie also okay?

Julian: Das ist die falsche Frage. Es geht darum, wie unsere Lebensgrundlagen durch diesen Überkonsum beschädigt werden. Die Regierung sieht dabei tatenlos zu. Wir sind in unserem Protest immer friedlich und gewaltfrei. Im krassen Kontrast stehen die Gewaltandrohungen, die die Superreichen so selbstverständlich gegen uns aussprechen.

Wie meinen Sie das?

Judith: Wenn man den Lebensstil der Reichen infrage stellt und die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf ihren Überkonsum lenkt, indem wir sie mit Farbe markieren, rasten sie komplett aus. Sie sind offensichtlich nicht bereit, ihre Lebensweise zu ändern, die unsere Lebensgrundlage zerstört. Es kann doch nicht sein, dass unsere Regierung das zulässt und ihnen keine Grenzen setzt. Während wir unter Dürre und Ernteausfällen leiden müssen, fliegen die Superreichen in ihren Privatjets über unsere Köpfe hinweg.

Also machen Sie weiter?

Regina: Ja, weil wir müssen. Es kann nicht sein, dass wir unsere Duschzeiten einschränken, während ein vierstündiger Flug in einem Privatjet so viel CO2 ausstößt, wie Sie oder ich in einem ganzen Jahr. Dem müssen wir als Gesellschaft eine Grenze setzen. Wir müssen handeln, und zwar jetzt, nicht morgen oder übermorgen. Jeden Tag schreitet die Klimakatastrophe voran, die Wälder brennen und überall herrscht Dürre. Wir können dabei nicht länger zusehen. Deshalb gehen wir in den Widerstand.

Für den Sie alle persönlich einen hohen Preis zahlen.

Judith: Ja. Hohe Schulden, Strafverfahren, persönliche Angriffe, Kriminalisierung, wir werden ja zum Teil als Terroristen verunglimpft. Und die Berliner Innensenatorin Iris Spranger von der SPD bedauert sogar, dass Selbstjustiz bestraft werden muss. Das ist unfassbar. Das ist vor allem auch gefährlich, denn es gibt denen, die uns mit Gewalt drohen, eine erschreckende Legitimität. Durch uns kommt kein Mensch zu Schaden, wir sind, was das betrifft, absolut gewaltfrei. Wir stehen mit unseren Namen dafür ein, was wir tun. Wir machen auf das wichtigste Problem der Menschheit aufmerksam.

Hat sich denn Bundeskanzler Scholz bei Ihnen schon gemeldet, an den haben Sie ja konkrete Forderungen.

Regina: Herr Scholz braucht sich nicht bei uns melden, stattdessen soll er das Grundgesetz einhalten. Wir erinnern ihn und vor allem die Gesellschaft unignorierbar daran, dass die Bundesregierung jeden Tag das Grundgesetz bricht. Wir erinnern ihn an sein Versprechen vom Klimakanzler, von mehr Gerechtigkeit. Es ist nicht gerecht, dass einige wenige im Überfluss schwelgen, während wir im Sommer unser Wasser rationieren müssen.

Wie geht es denn jetzt weiter?

Julian: Das hängt natürlich in erster Linie davon ab, wie die Politik reagiert. Sollte sie weiterhin klimapolitisch versagen, werden wir unseren Protest weiterführen. Das können Straßenblockaden, Protestmärsche oder Proteste gegen Superreiche sein. Wir haben weiterhin großen Zulauf und laden alle ein, sich mit uns für einen sozial gerechten Wandel einzusetzen.

In einer Pressemitteilung haben Sie selber gesagt, dass Sie mit Straßenblockaden nicht den Erfolg hatten, den Sie sich gewünscht haben. Deshalb gibt es doch jetzt die Aktionen gegen das Luxusleben. Was denn nun?

Julian: Die Straßenblockaden sind weiterhin ein unfassbar effektives und erfolgreiches Mittel, den Alltag zu unterbrechen und auf den tödlichen Kurs der Bundesregierung aufmerksam zu machen. Aktuell finden in immer mehr Orten im ganzen Land Blockaden statt.

Verwendete Quellen
  • Gespräch mit Aktivisten der "Letzten Generation"
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