Die subjektive Sicht zweier Autoren auf ein Thema. Niemand muss diese Meinungen übernehmen, aber sie können zum Nachdenken anregen.
"Lasst sie kommen" Umstrittener AfD-Gast: Ist das noch Meinung?
Ulrich Vosgerau hat im November 2023 am umstrittenen Potsdamer Treffen teilgenommen. Jetzt soll er auf Einladung der AfD im Hamburger Rathaus sprechen. Muss eine Demokratie das aushalten?
Die AfD-Fraktion lädt Ulrich Vosgerau, der am "Geheimtreffen" in Potsdam teilgenommen hatte, ins Hamburger Rathaus ein und löst damit einen Sturm der Entrüstung aus. Die Linkspartei fordert, dass dem CDU-Mitglied Vosgerau Hausverbot erteilt werden soll.
Eine Demokratie müsse viel aushalten, argumentiert dagegen Bürgerschaftspräsidentin Carola Veit (SPD) im Gespräch mit dem "Hamburger Abendblatt". Lesen Sie hier mehr dazu.
Darf die AfD-Veranstaltung mit Ulrich Vosgerau im Rathaus stattfinden?
Lasst sie kommen
Die AfD will Ulrich Vosgerau eine große Bühne bieten, und das auch noch im Herzen Hamburgs. Viele haben deswegen Bauchschmerzen und wollen das verhindern. Dabei ist genau jetzt die Zeit gekommen, in der sich die AfD selbst entlarven kann. Lasst sie kommen.
Jahrelang wurde krampfhaft versucht, die AfD zu ignorieren und nicht über sie zu sprechen. Viel zu viele wollten nicht wahrhaben, wie groß das rechtsextreme Problem auch in Hamburg ist. CDU-Mitglied Ulrich Vosgerau und die AfD beweisen seit Jahren, was für Scharfmacher sie sind. Und doch gehen erst jetzt Hunderttausende gegen sie auf die Straße.
Was soll jetzt ein Hausverbot für Vosgerau bringen? Soll das rechte Problem wieder weggeschoben werden? Die AfD wird die Posts und Pressemitteilungen, in denen sie sich zum Opfer macht, schon vorbereitet haben. Ein Hausverbot wird die AfD nicht aufhalten.
Gebt dem Rassismus Gesichter: Alle müssen wissen, wie perfide und gefährlich dieser Menschenhass ist. Öffentlichkeit ist gut. Hamburg wird genau beobachten, was Vosgerau zu sagen hat – und sich ein eigenes, kritisches Bild machen. Dass die Bevölkerung das kann, zeigen die Massenproteste der vergangenen Wochen.
Es ist jetzt an den Aufrechten, hinzugucken statt wegzuschauen – auch wenn es wehtut. Die Hamburger und Hamburgerinnen werden sich nicht von der Hetze täuschen lassen.
Die Demokratie muss verteidigt werden
Ein demokratischer Stadtstaat wie Hamburg muss einiges aushalten können. Besonders Meinungen, die voneinander abweichen – doch gilt das auch in Fällen wie dem Auftritt von Ulrich Vosgerau im Rathaus? Einem CDUler, der das Potsdamer Treffen nach wie vor als "private Zusammenkunft eines Freunde- und Bekanntenkreises" verteidigt?
Meinungsvielfalt und Partizipation sind die Grundlage einer jeden Demokratie. Gleichzeitig ist diese Vielfalt ihre größte Herausforderung. Ihr zu begegnen, heißt auch, zu differenzieren: Was ist Meinung und was ist bloßer Hass, der sich gegen Minderheiten richtet?
Ulrich Vosgerau hörte im November 2023 unter anderem dem Rechtsextremisten Martin Sellner zu, der von Remigration sprach. Das gibt Vosgerau im Gespräch mit dem rechten Medium "Junge Freiheit" zu.
Im Hamburger Rathaus will er das Potsdamer Treffen nun voraussichtlich in einen verfassungskonformen Rahmen pressen. In einer Stadt, in der rund 40 Prozent der Einwohnerinnen und Einwohner eine Migrationsgeschichte besitzen. Wer öffentlich dafür plädiert, einen Teil der Gesellschaft abschieben zu wollen, vertritt damit keine Meinung. Er greift die Demokratie an.
Menschen wie Vosgerau, die rechtsextreme Haltungen rechtfertigen und dadurch auch verbreiten, sollten im demokratischen Herzen der Stadt keinen Raum bekommen. Denn manchmal muss eine Demokratie nicht aushalten – sondern verteidigt werden.
Anmerkung der Redaktion, 28. März 2024: Der Text wurde aktualisiert. Zutreffend ist, dass Ulrich Vosgerau zugegeben hatte, dem Rechtsextremisten Martin Sellner zugehört zu haben, als er von Remigration sprach.
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