Tourismus-Boom Wird Hamburg das neue Barcelona?
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Hamburg lockt Touristen an – aber vielleicht mehr, als die Stadt verkraften kann. Die Linke schlägt Alarm. Ist das gerechtfertigt?
Direkt zur Eröffnung der Messe drängen sich Besucher im Eingangsbereich. Spätestens seit der Corona-Zeit boomen Camping, Wohnmobile und Co. Das weiß auch Hamburgs Wirtschaftssenatorin Melanie Leonhard, die auch den Bereich Tourismus verantwortet. Anfang Februar schaut sie sich vor Ort bei der "Reisen & Caravaning" um und spricht mit den Ausstellern. Zwar ist die Hansestadt sicherlich kein Hotspot für Camper – doch die Stadt ist so beliebt bei Touristen wie noch nie.
Das Jahr 2023 war ein Rekordjahr für die Hamburger Tourismusbranche: 15,9 Millionen Übernachtungen zählten die Hotelbetriebe. Und somit so viele wie noch nie zuvor. Selbst der Corona-Knick, als alle Hotels schließen mussten, ist inzwischen vergessen. Im Vergleich zum Vor-Corona-Jahr 2019 stiegen die Übernachtungszahlen um 3,3 Prozent.
Hamburg ist ein Touristenmagnet, ein Ende der Entwicklung ist nicht in Sicht. Was die Hotellerie freut, erregt bei der Linken Unmut. Sie fürchten eine Entwicklung, wie sie in Städten wie Barcelona oder Venedig längst Alltag ist: Overtourism. Denn in Hamburg konzentrieren sich die Touristen auf wenige Stadtteile.
St. Pauli und St. Georg haben viele Hotelbetten
In den Stadtteilen St. Pauli und St. Georg übernachten die meisten Gäste. 76.000 Hotelbetten gibt es in der Hansestadt, rund 60 Prozent davon fallen auf ein kleines Gebiet in St. Pauli, St. Georg und der Altstadt. Die Linke fürchtet, dass diese Konzentration zulasten der Anwohner geht. Stephan Jersch, tourismuspolitischer Sprecher der Linken in der Hamburgischen Bürgerschaft, mahnte schon Ende November: "Dieses Ungleichgewicht hat negative Folgen für die lokale Infrastruktur, die doch eigentlich erst mal für die Anwohner und ihre Lebensqualität zur Verfügung stehen sollte." Seine Fraktion hatte einen Antrag in der Bürgerschaft gestellt, um "touristische Hotspots in der Stadt zu definieren und hier die Zahl der Hotelbetten zu begrenzen". Der Antrag kam erwartungsgemäß nicht durch. "Tourismus wird in Hamburg nur aus der Sicht der Wirtschaft betrieben", kritisiert Jersch.
Ganz falsch liegt er damit nicht, das bestätigt auch Hamburgs Wirtschaftssenatorin Melanie Leonhard. "Tourismus hat eine große Bedeutung für Hamburg", sagt sie zu t-online. Dabei würden ganz unterschiedliche Menschen nach Hamburg kommen: Tagestouristen aus dem Umland, Übernachtungsgäste, die Sport- oder Kulturevents besuchen. Aber auch Gäste auf ausgiebiger Städtereise, die Hamburg mehrtägig erkunden würden. "Uns sind alle Bereiche wichtig", erklärt sie. Auch, weil viele Menschen aus Hamburg direkt oder indirekt ihren Lebensunterhalt durch Touristen verdienen.
Keinen Wohnraum in Hotels umwandeln
Aber: "Von Overtourism, wie in Venedig oder Barcelona, sind wir nicht betroffen", so die Wirtschaftssenatorin. Hamburg biete über das ganze Jahr verteilt Anlässe, um die Stadt zu besuchen. So würden sich die Touristen nicht nur in den Sommermonaten einfinden, sondern Musicals Kulturveranstaltungen auch im Winter besuchen.
Dass sich allerdings die Übernachtungen vorwiegend auf den Hafen, St. Pauli, die Altstadt und St. Georg konzentrieren, habe man sehr genau im Blick, so Leonhard. Mit Meldepflichten für Ferienvermietung und der sozialen Erhaltungsverordnung, die streng regelt, dass Wohnraum nicht leichtfertig in Hotelstandorte umfunktioniert werden könne, würde die Stadt gegensteuern. Doch sie betont auch: "Insgesamt ist es wichtig, dass wir als Stadt eine gewisse Anzahl an Übernachtungsplätzen anbieten können", sagt Leonhard. Dabei müssten Tourismus und Stadtentwicklung weiter Hand in Hand gehen.
Wie wichtig ist Tourismus?
Tourismus ist ein wichtiger Wirtschaftsfaktor – das sieht auch eine Mehrheit der Hamburger so. In einer Befragung des Deutschen Instituts für Tourismusforschung (FH Westküste) und Touristicon bestätigten dies rund 90 Prozent der Befragten. 70 Prozent gaben an, dass sich der Tourismus positiv auf Hamburg auswirke. Laut dem Hamburger Tourismusverband arbeiten rund 93.000 Menschen in der Branche. Und dennoch: So richtig ins politische Blickfeld ist der Tourismus bislang nicht gerückt. In den besagten Stadtteilen scheint er kaum ein Thema zu sein. Lediglich der geplante Hotelneubau der Hyatt-Gruppe, für den der Molotow-Club weichen muss, löste Protest aus.
Arne Platzbecker, tourismuspolitischer Sprecher der SPD-Bürgerschaftsfraktion, ist sich sicher: "Tourismus wird in der Stadt noch mächtig unterschätzt. Vor allem in der Bedeutung für die Stadtentwicklung, denn die Angebote, die wir für Touristen schaffen, sind auch für Hamburger."
Schutz vor Übertourismus
Auch Platzbecker mahnt, dass manche Stadtteile nicht zu sehr belastet werden dürfen, wie St. Pauli oder die Innenstadt."Man kann darüber nachdenken, Großveranstaltungen, die immer in der Innenstadt stattfinden, auch mal in die Außengebiete zu verlagern", sagt Platzbecker. Ein Beispiel, das zeigt, dass sich Veranstaltungen auch verlegen lassen, seien die Harley Days, die nicht mehr auf St. Pauli, sondern auf dem Großmarkt stattfinden. Auch müsse nicht mehr jeder Lauf über die Reeperbahn führen. Anwohner müssten bei der Planung entlastet werden, denn: Die Besucher würden den Hafen und die beliebten Stadtteile sowieso besuchen. Nicht alles könnte in die Randbezirke verlagert werden. "Ich halte es aber für vermessen, den Schlagermove nach Bergedorf zu schicken."
- abendblat.de: Hotelbetten begrenzen? Bürgerschaft streitet über "Overtourism"
- linksfraktion-hamburg.de: Überlastung durch Tourismus: Hamburg muss den Boom in den Griff bekommen; Pressemitteilung vom 26.11.2024
- hamburg-business.com: Tourismus bleibt starker Wirtschaftsmotor für Hamburg