Nach Großrazzia bei Engel & Völkers Was steckt hinter dem Begriff der Scheinselbstständigkeit?
Nach der Großrazzia bei dem Immobilienmakler Engel & Völkers taucht der Begriff der "Scheinselbstständigkeit" in zahlreichen Artikeln auf. Doch was ist damit überhaupt gemeint?
Am Dienstag sorgte eine Großrazzia in vielen deutschen Städten für Aufruhr. Nach Angaben des Hauptzollamts Bielefeld stehen "mehrere Personen aus dem Bereich der Immobilienvermittlung" im Visier der Ermittlungen. Darunter auch der Immobilienmakler Engel & Völkers mit Hauptsitz in Hamburg.
Mehr als 300 Einsatzkräfte durchsuchten Wohn- und Geschäftsräume nach Beweisen für den Verdacht des "Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt". Im Zentrum der Ermittlungen steht der Vorwurf der Scheinselbstständigkeit. Doch was ist mit diesem Begriff überhaupt gemeint?
Auftreten als Selbstständige
Die Handelskammer Hamburg definiert scheinselbstständige Arbeitnehmer als Personen, die formal wie Selbstständige auftreten, in Wirklichkeit jedoch abhängig beschäftigt sind. Entscheidend ist dabei nicht der formale Vertrag, sondern die tatsächliche Praxis im Arbeitsablauf. Mit der gesetzlichen Definition des Arbeitnehmerbegriffs wird seit 2017 festgelegt, wer als solcher gilt.
Kennzeichen einer Scheinselbstständigkeit sind primär die Weisungsgebundenheit gegenüber dem Auftraggeber, das Fehlen eines unternehmerischen Risikos sowie das hauptsächliche Arbeiten für einen Auftraggeber.
Für Scheinselbstständige müssen Sozialversicherungsbeiträge abgeführt werden, obwohl sie formal als Selbstständige auftreten. Die Rentenversicherungsträger führen mindestens alle vier Jahre eine Betriebsprüfung für jeden Betrieb durch. Scheinbar gibt es bei Engel & Völkers den Verdacht, dass dies bei einigen Mitarbeitern nicht erfolgt ist.
Konsequenzen für scheinselbstständige Makler
Das Hauptzollamt erklärt, dass Makler sich als selbstständige Personen angemeldet haben, "obwohl diese in den Arbeitsprozess der von den Beschuldigten geführten Unternehmen integriert gewesen sein sollen".
Bei festgestellter Scheinselbstständigkeit können verschiedene rechtliche Schritte ergriffen werden. Zunächst sind Nachzahlungen von Sozialversicherungsbeiträgen und Lohnsteuer für bis zu vier Jahre rückwirkend möglich; im Falle von Vorsatz kann dieser Zeitraum sogar auf bis zu 30 Jahre ausgeweitet werden.
Überdies kann es zu einer strafrechtlichen Verfolgung kommen, wenn Vorsatz nachgewiesen wird. In solchen Fällen drohen Geld- oder Freiheitsstrafen von bis zu fünf Jahren wegen Sozialversicherungsbetrugs. Zudem wird der Status des Scheinselbstständigen in der Regel in den eines Arbeitnehmers geändert.
- Handelskammer Hamburg: Scheinselbstständigkeit
- Institut für Wissen in der Wirtschaft GmbH: Alle vier Jahre erfolgt die Betriebsprüfung der Rentenversicherung ‒ Fehler können teuer werden
- Deutsche Rentenversicherung: Scheinselbstständige Arbeitnehmer
- Industrie- und Handelskammer für München und Oberbayern: Scheinselbstständigkeit vermeiden