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Hamburg

Désirée Nick: Theater in Hamburg statt Trash-TV – Interview


"Ich habe zu viel Talent"
Vom Trash-TV zur Theaterbühne: Désirée Nick trotzt Klischees


28.02.2025 - 06:30 UhrLesedauer: 6 Min.
Entertainerin Désirée Nick (Archivbild): Die 68-Jährige hat dem Reality-TV den Rücken gekehrt und spielt nun ernsthafte Theaterrollen.Vergrößern des Bildes
Entertainerin Désirée Nick (Archivbild): Die 68-Jährige hat dem Reality-TV den Rücken gekehrt und spielt nun ernsthafte Theaterrollen. (Quelle: IMAGO/STAR-MEDIA)
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Désirée Nick wechselt vom Reality-TV zurück ins Theater. In Hamburg steht sie in der Komödie "Spiel gewinnt" auf der Bühne. Im Interview spricht sie über Einsamkeit, Social Media und Rollen im Alter.

Désirée Nick ist vieles – Schauspielerin, Entertainerin, Bestsellerautorin und eine der scharfzüngigsten Stimmen der deutschen Medienlandschaft. Ob auf der Theaterbühne, im Fernsehen oder in sozialen Netzwerken: Sie polarisiert, unterhält und nimmt kein Blatt vor den Mund.

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Nun steht die 68-Jährige in Hamburg mit dem Stück "Spiel gewinnt" auf der Bühne. Im Interview spricht sie über ihre Rolle, die Mechanismen der Reality-TV-Formate, ihre Erzfeindin Claudia Obert und warum sie erst Rentnerin werden musste, um als Schauspielerin besetzt zu werden.

t-online: Frau Nick, Sie haben in Hamburg schon öfter Theater gespielt. Was schätzen Sie an der Stadt? Haben Sie einen Lieblingsort?

Désirée Nick: Hamburg hat sehr unterschiedliche Gesichter. Das ist ein wenig vergleichbar mit Berlin. Meine Aufenthaltsorte sind stark von meiner Arbeit geprägt: Ich bin in der Stadt bereits auf St. Pauli aufgetreten und habe am Ernst-Deutsch-Theater gespielt. Hier am Winterhuder Fährhaus wollte ich schon lange spielen, das hat sich bisher nur nie ergeben.

In "Spiel gewinnt" spielen Sie eine Psychotherapeutin und Mutter eines schwulen Sohnes. Wie sind Sie an die Rolle herangegangen?

Als ernsthafte Schauspielerin muss ich genau hinschauen, wie ich eine Rolle glaubwürdig spiele. Boulevardtheater muss authentisch und realistisch sein. Das ist ein Anspruch, den die Kollegen vom Reality-TV in ihren kühnsten Träumen nicht haben.

Dieses Stück berührt tief, und was diese Rolle so faszinierend macht, ist die Frage: Wurde der Sohn durch eine dominante Mutter in seine Homosexualität gedrängt? Hatte er vielleicht niemals eine andere Chance? Gerade weil meine Figur eine promovierte Psychologin und Expertin für Psychoanalyse ist, eröffnet die Rolle viele spannende Ebenen.

Mit Ihrer Erfahrung im Showbusiness haben Sie vermutlich mehr Menschenkenntnis als so mancher Therapeut. Hat Ihnen das bei der Vorbereitung auf diese Rolle geholfen?

Ich breite mich auf Rollen überhaupt nicht vor. Vielmehr hat mich das Leben auf meine Rollen vorbereitet. Auf die Rolle jetzt bereite ich mich im Grunde schon seit meiner Pubertät vor, denn ich war an der Deutschen Oper Berlin früh von einem Umfeld homosexueller Kollegen umgeben. Balletttänzer sind doch meistens nicht heterosexuell.

In dem Stück wird nicht nur Homosexualität, sondern auch die Themen Medien und Einsamkeit thematisiert. Wie hängt das miteinander zusammen?

Ja, das ist noch viel wichtiger an diesem Stück: Mein Bühnen-Sohn ist ein Nerd. Homosexuell zu sein ist längst kein abendfüllendes Bühnenthema mehr, das interessiert heute doch kaum noch jemanden.

Mein Bühnen-Sohn ist IT-Experte und lebt sehr isoliert in seiner digitalen Welt – sowohl privat als auch beruflich. Dadurch entstehen Kommunikationsprobleme, die ihn in Verbindung mit einem persönlichen Trauma in eine tiefe Lebenskrise stürzen. Was macht man also in so einer Welt, wenn es einem schlecht geht? Wie geht man mit einem Burn-out um? Postet man dann täglich: "Ey Leute, ich habe Burn-out" – und wenn die Follower-Zahlen steigen, denkt man sich: "Oh geil, Burn-out läuft, ich bleibe dabei"? Die junge Generation wird heute oft stark von sozialen Medien beeinflusst und gesteuert.

Für eine Komödie an einem Boulevardtheater sind das ernste Themen.

Ja, aber das zeichnet die größten Komödien aus. Dieses Stück beantwortet große moralische Fragen. Was tut uns die digitale Welt an? Welche Antennen müssen wir entwickeln, um uns da neu auszurichten?

Die Komik liegt allein schon darin, dass die Babyboomer doch mit ihren Enkeln kaum noch kommunizieren können. Die wissen gar nicht mehr, wovon die Enkel reden, worauf sie stolz sind. Da wird nur noch über Apps und Follower geredet. Das sind soziologisch hochinteressante Aspekte. Aber es steckt, wie in jedem Boulevardtheater, natürlich auch sehr viel Komik dahinter.

Haben Sie denn den Masterplan, wie wir uns als Gesellschaft aus dieser Lage befreien können?

Ich? Das ist doch nicht meine Aufgabe. Ich bin Künstlerin. Ich bekomme einen Text und soll den Zeilen Leben einhauchen. Die Probleme der Gesellschaft sind vielschichtig: Wahlen, Trump, Klima. Keiner von uns kann all das lösen, womit wir täglich überflutet werden. Umso mehr muss man sich doch den Werten in seinem Umfeld widmen, um eine Welt zu schaffen, die gegen das, worauf wir keinen Einfluss haben, gewappnet ist.

Wir leben in einer Tragödie: Wenn ein Flugzeug abstürzt, beginnt die Tragödie für alle Insassen beim Kofferpacken. Tragödie bedeutet, in einen Sog zu geraten, in dem man keinen Einfluss mehr hat. Genau deshalb leben wir in einer Tragödie.

Wie kämpfen Sie denn gegen diese tragischen Zeiten an?

Na, ständig! Die Leute sind immer zu mir gekommen, um zu lachen. Es ist schön, dass ich sowohl im TV als auch im Theater besetzt werde. Das ist ein großer Wandel und, ehrlich gesagt, ein starkes Zeichen für meine Generation. Viele Schauspielerinnen über 40 klagen, dass es keine Rollen mehr für sie gibt. Ich musste erst Rentnerin werden, um als Schauspielerin besetzt zu werden.

Viele kennen Sie auch aus dem Reality-TV. Nun haben Sie gesagt, dass damit Schluss sei. Stimmt das?

Ja, wissen Sie, ich kann Ihnen den Grund sagen: Es hat sich einfach immens verändert. Wenn man sich anschaut, welche Entwicklung das durchgemacht hat … Als ich in den Dschungel ging, waren dort wirklich berühmte Leute, jeder mit anderer Kompetenz. Von Nationalspieler bis Porno. Heute bestehen die Biografien der Teilnehmer aus einer Serie von Datingformaten. Ein reales Leben hatten die gar nicht. Daher ist die Botschaft hohl und es fehlt an Fantasie. Mich langweilt dieses Umfeld, denn es ist "non-reality" - es ist berechnend. Damals war man einfach nicht so abgewichst.

Was meinen Sie damit?

Die Kandidaten im Trash-TV sind heute alle beim gleichen Management. Größtenteils waren Sie schon liiert, waren zusammen im Urlaub, werden gecoacht. Das ist eine homogene Blase, in der man untereinander Verhältnisse hat.

Das ist wie eine Karawane, die von Format zu Format weiterzieht – immer dorthin, wo gerade etwas los ist. Am skurrilsten finde ich aber, dass sich diese Shows gegenseitig recyceln. In "Promis unter Palmen" wird dann plötzlich darüber gesprochen, was vor drei Jahren im Hotel während des Dschungelcamps passiert ist.

Sie selbst haben eine zweite Teilnahme an der Sendung abgelehnt.

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Ich nehme nur noch einmal an diesem Format teil, wenn die Verantwortlichen mir eine Million Euro zahlen. Da freut sich auch das Finanzamt. 50 Prozent gehen ja direkt weg.

Neben der Gage wird es andere Gründe geben, warum Sie nicht mehr im Reality-TV zu sehen sein werden. Was stört Sie an den Formaten?

Das Frauenbild. Die Frauen sind alle vom selben Menschenschlag, und ich vermeide die Adjektive, die diese Frauen beschreiben. Genauso wie die Männer. Damit Reality funktioniert, muss es aber aus dem Leben sein. Dann sollen sie doch Leute beliebiger Art nehmen, die wirklich komisch sind.

Und all das, was ich gerade gesagt habe, könnte man unter eine große Überschrift stellen. Denn bei all diesen kleinen Puzzleteilen fehlt letztlich eines – oder besser gesagt, zwei Dinge: Herz und Schnauze – ein altes Berliner Rezept.

Wenn es weder um Herz noch um Schnauze geht, worum geht es dann?

Ich sage es jetzt mal mit diesem perversen Wort – und richte mich an alle, die es ständig verwenden und darüber diskutieren: Sendezeit. Ich gehe doch nicht ins Fernsehen, um Sendezeit zu bekommen! Glauben Sie wirklich, ich hätte bei "Promis unter Palmen" den Koffer heruntergeschmissen oder "Schluck es runter" gesagt und dabei an Sendezeit gedacht?

In dem Moment, in dem man über solche Dinge nachdenkt, ist man nicht mehr real. Ich habe zu viel Talent und Persönlichkeit, um mich an Formate zu klammern, bei denen es nur noch um Sendezeit geht.

Sie sind mittlerweile auch auf Social Media sehr erfolgreich. Machen Sie das eigentlich selbst?

Natürlich! Aber es kostet sehr viel Zeit. Ich mache das einfach aus der linken Hand, so wie es eben ist. Für mehr habe ich gar nicht die Zeit. Viele Leute machen das viel professioneller. Aber die haben eben nicht, wie ich, acht andere Berufe. Herzblut und Spirit kann man außerdem nicht künstlich erzeugen. Und genau darauf kommt es am Ende an.

Sie zeigen im Netz zwar nahbar, sprechen von sich selbst aber auch oft als Kunstfigur "La Nick". Wer kennt die echte Désirée Nick?

Ach, das kann man doch wunderbar in meinem Kochbuch "Bockwurst und Champagner" nachlesen! Ich habe einen großen Freundeskreis, und daraus lässt sich so einiges ablesen. Die echte Désirée sitzt am liebsten den ganzen Tag in ihrer Schaukel auf der Terrasse, isst Erdbeerkuchen und quatscht mit Freunden.

Viele fragen sich, warum ich in meinem Alter – als Rentnerin – noch so eine überraschend große Karriere hinlege. Hört man auf manche Kolleginnen, dann müsste ich ja schon seit 45 "alt" sein. Aber diese Schablonen passen einfach nicht zu mir. Ich bin eben vielschichtig, auf allen Ebenen aktiv – und vielleicht wird man dadurch einfach ein ganz anderer Mensch.

Frau Nick, vielen Dank für das Gespräch!

"Spiel gewinnt": 28. Februar bis 6. April im Winterhuder Fährhaus, Hudtwalckerstraße 13, 22299 Hamburg; tägl. außer 3./10./17./18./24./25/31.3., Tickets ab 25 Euro.

Verwendete Quellen
  • Interview mit Désirée Nick
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