Hamburg Land beim Windkraft-Zubau vorn: Aber "deutlich zu niedrig"
Der Ausbau der Windkraft hat in Niedersachsen 2021 im bundesweiten Vergleich wieder etwas Fahrt aufgenommen - mit Blick auf die Klimaziele fordert die Branche jedoch ein spürbar höheres Tempo. Außerdem gibt es auch bei der Offshore-Windenergie auf See weiterhin eine Reihe kritischer Punkte.
Insgesamt wurden im Nordwesten im vergangenen Jahr 104 neue Anlagen an Land errichtet, wie der Bundesverband Windenergie am Donnerstag in Berlin berichtete. Die zugehörige Leistung war mit 421 Megawatt (MW) geringfügig höher als in Brandenburg (412 MW), wodurch beide Bundesländer die Positionen tauschten, die sie nach dem dritten Quartal eingenommen hatten. Auch der niedersächsische Anteil an der Erweiterung der Windkraftleistung in ganz Deutschland (22 Prozent) lag leicht vor dem brandenburgischen Anteil (21 Prozent). Bezogen auf die reine Zahl der Neuanlagen waren die zwei Länder gleichauf.
Weil gleichzeitig etliche Windräder stillgelegt wurden, ist die Leistung aus dem tatsächlich gelungenen Netto-Zubau eine wichtige Größe. Hier nahm Niedersachsen im abgelaufenen Jahr ebenfalls den ersten Rang unter allen Ländern ein (403 MW), wiederum knapp vor Brandenburg (396 MW). Sowohl in der Brutto- als auch in der Netto-Betrachtung landete Nordrhein-Westfalen auf Platz drei.
Bei der Erneuerung und dem Ersatz älterer Anlagen ("Repowering") führte von Januar bis Dezember Schleswig-Holstein mit 71 MW die Liste an - vor Brandenburg (57 MW) und Niedersachsen (44 MW). Besonders hier verlangt der Landesverband Erneuerbare Energien (LEE) noch mehr Anstrengungen. "Uns kommt das Thema zu kurz", so LEE-Chefin Bärbel Heidebroek. "2021 wurden lediglich 12 Anlagen in Niedersachsen repowert. Wir erwarten, dass es ohne großen Genehmigungsaufwand möglich ist, alte Windenergieanlagen durch neue zu ersetzen."
Auch in der Gesamtschau ist das bisher Erreichte aus Sicht der Branche "deutlich zu niedrig", wie es hieß. "Für 2021 verzeichnet Niedersachsen lediglich einen Netto-Zubau von 86 Windenergieanlagen", kritisierte der LEE. In der Summe gebe es im Land derzeit 6119 Windräder. Heidebroek betonte: "Die Ausbauzahlen zeigen, dass wir die energiepolitischen Ziele bei diesem Ausbautempo deutlich verfehlen."
Gegenüber dem sehr schwachen Vorjahr 2020 mit gerade einmal 48 hinzugekommenen Windkraftanlagen bedeutete der Zuwachs 2021 absolut gesehen zwar mehr als eine Verdoppelung. Für manche Windräder liegen auch Genehmigungen vor - was dort aber fehlt, ist die Umsetzung. Und verglichen mit früheren Jahren bleibt es bei einem merklichen Minus. 2017 etwa waren noch 485 Anlagen in Niedersachsen gebaut worden.
Vor allem langwierige Planungsverfahren, aber auch Widerstand lokaler Initiativen und Unsicherheit über eine staatliche Anschlussförderung älterer Anlagen hatten die Windkraft stark ausgebremst. Die neue Bundesregierung aus SPD, Grünen und FDP will den Ausbau wegen der zentralen Rolle für die Klimaziele nun entschiedener vorantreiben.
Das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) sieht für den geplanten Offshore-Ausbau in der Nord- und Ostsee ebenso noch mehrere Herausforderungen. "Das wird eine Herkulesaufgabe werden", sagte BSH-Präsidentin Karin Kammann-Klippstein in Hamburg. Auf die Frage, ob die bis 2045 angepeilte Aufstockung auf 70 Gigawatt (GW) überhaupt realistisch sei, meinte sie: "Wenn alle anderen Nutzer zurücktreten und sagen: "Wir machen jetzt in der Nord- und Ostsee nur noch Offshore-Windenergie", dann ist das theoretisch möglich."
Es bestünden indes zahlreiche Nutzungskonflikte auf dem Meer: "Der Koalitionsvertrag sieht zehn Prozent der Fläche vor, die frei sein soll von jeglicher schädlicher Nutzungsart. Zehn Prozent wären schon mal vollständig für Naturschutzgebiete reserviert." Außerdem würden Meeresflächen von Landwirtschaft und Militär genutzt. Dazu komme die völkerrechtliche Pflicht, die Schifffahrtsstraßen offen zu halten. "Da gibt es Einschränkungen für die Bebauung durch Windparks."
Derzeit sind in der Nord- und Ostsee 1501 Windenergieanlagen mit knapp 7,8 GW installierter Leistung in Betrieb - weit überwiegend in küstenfernen Gebieten der Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ), die Deutschland in internationalen Gewässern exklusiv nutzen darf. Auf Basis der jüngsten Vorentwürfe des Flächenentwicklungsplans für die AWZ hält das Bundesamt eine Gesamtleistung von 57,5 GW für möglich.