Gastronom berichtet vom Ärger auf Sylt "Wir konnten es kaum glauben"
Viel wurde vorab über Sylt als Traumziel von Käufern des 9-Euro-Tickets gespottet – die meiste Aufmerksamkeit erhielt dabei eine ganz besondere Personengruppe. Ein Restaurantbesitzer aus Westerland weiß davon zu berichten.
Porsches, teure Bars und Champagner – dafür steht Sylt. Doch in den letzten Tagen war auf der Insel alles anders: Billigbier, Irokesen-Haarschnitte, lautes Gegröle und ein buntes Aufblas-Einhorn im Brunnen von Westerland. Über das vermeintliche Traumziel von Käufern des 9-Euro-Tickets wurde in den vergangenen Tagen viel berichtet. Und ganz besondere Aufmerksamkeit erhielten die nach Polizeiangaben etwa 150 Punker, die angereist waren, um dort die Pfingsttage zu verbringen und zu feiern.
Kuriose Geschichten ereigneten sich an dem verlängerten Wochenende viele. Die vielleicht beste weiß Mickey Schreiber, der Besitzer des Restaurants "Cropino", zu berichten. Denn die ungewöhnlichen Gäste kampierten direkt vor seinem Lokal.
Die Rangelei ereignete sich am Crêpe-Stand
"Der Samstag war extrem. Wir haben unser Restaurant früh zugemacht, weil es keinen Sinn hatte. Die Punks saßen vor unserer Tür, haben die Musik laut aufgedreht und geschrien wie am Spieß. Viele unserer Gäste wurden abgeschreckt", sagt Schreiber zu t-online. In der Nähe des Restaurants kam es sogar zu einer Auseinandersetzung zwischen einem Punker und einem Sylter. "Die Rangelei ereignete sich vor dem Crêpe-Stand. Ich glaube, der Punker hat den Einheimischen mit Bier bespritzt. Dann ging es los, und mein Kollege ist mit reingesprungen, um zu schlichten. Er wurde von einem Punker am Hals gepackt."
Doch die Auseinandersetzung führte eben nicht zur Massenschlägerei oder zur Anzeige. Das Gegenteil war der Fall. Laut Schreiber sind "die Punker und mein Mitarbeiter inzwischen best friends". Wie es dazu kam?
"Wir haben geredet, nachdem sich alle beruhigt hatten. Sie haben uns erzählt, dass sie den Ablauf auf der Insel stören wollten, um damit die Reichen zu ärgern. Mein Kollege hat ihnen erklärt, dass sie bei uns auf dem Platz falsch sind."
Bierkästen als Verhandlungsmasse
Nach langen Verhandlungen mit den feierwütigen Besuchern gab es schließlich eine Lösung: Schreibers Kollege überzeugte die Gäste, den Platz zu verlassen und vor das Rathaus zu ziehen. Verhandlungsmasse: ein paar Kästen Bier. "Wir konnten es kaum glauben, aber es hat funktioniert", sagt Schreiber. "Am Sonntag war vor unserem Restaurant wieder alles ganz normal. Die Punker postierten sich vor dem Rathaus, einer von ihnen ist sogar halbstündig bei uns vor dem Restaurant vorbeigelaufen, um zu schauen, ob doch noch jemand von ihnen auf dem Platz sitzt. Und wenn es so war, hat er sie sofort mitgenommen. Das war ziemlich korrekt."
Und so gibt es eben auch im größten Chaos immer wieder Geschichten, die trotz anfänglichen Ärgers zu einem schönen Ende führen.
Trotzdem hoffen die Insulaner wie Schreiber, dass sich dieser Ausnahmezustand nicht so schnell wiederholt. "Und ich glaube auch nicht, dass sie noch mal herkommen. Das war eine einmalige Aktion", meint der Restaurantbesitzer.
Ob er damit recht behält, wird die Zukunft zeigen. Klar ist nur: Das 9-Euro-Ticket gilt noch bis Ende August. Es bliebe also viel Zeit, um neue Aktionen zu planen.
- Telefonat mit Restaurantbesitzer Mickey Schreiber
- Mit Material der Nachrichtenagentur dpa
- Artikel Hamburger Abendblatt vom 7. Juni 2022