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Bohrinsel Mittelplate: Zu Weihnachten gibt's ein Büfett, aber keinen Alkohol


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"Jeder muss mal ran"
Weihnachten auf der Bohrinsel: Ohne Alkohol, dafür mit Buffet


26.12.2022Lesedauer: 4 Min.
Betriebsleiter Martin Buttchereit: Seit mehr als 20 Jahren fährt er auf die Bohrinsel.Vergrößern des Bildes
Betriebsleiter Martin Buttchereit: Seit mehr als 20 Jahren fährt er auf die Bohrinsel.

Sieben Kilometer vor der Küste Schleswig-Holsteins wird auf der Bohrinsel Mittelplate A auch über die Weihnachtstage voll durchgearbeitet.

In vielen Berufen muss auch an Feiertagen wie Weihnachten gearbeitet werden. Nur selten aber sind die Angestellten so von ihren Liebsten abgeschnitten wie auf einer Bohrinsel. Mitten im Wattenmeer vor der Küste Schleswig-Holsteins steht so eine Bohrinsel, die Mittelplate A des deutschen Gas- und Ölförderers Wintershall Dea. "Unsere Kollegen wissen, worauf sie sich einlassen und die meisten sind es gewohnt, Ihre Familien und Freunde länger nicht zu sehen", sagt Betriebsleiter Martin Buttchereit bei einem seltenen Besuch von Journalisten auf Mittelplate.

Das Stammpersonal arbeitet im Zwei-Wochen-Rhythmus. Das heißt: Zwei Wochen auf der Bohrinsel, zwei Wochen zu Hause. Viele von ihnen kommen aus Norddeutschland, manche aber auch aus Bayern, einer verbringt seine Pausen auf den Azoren. Bis zu 95 Menschen gehören zum Stamm, die Hälfte davon arbeitet für den Betreiber Wintershall Dea. Die anderen kommen von externen Firmen: Handwerker verschiedenster Gewerke, die bei der Instandhaltung unterstützen, sowie Servicepersonal für Catering und Reinigung.

Bohrinsel Mittelplate: An Weihnachten läuft der Betrieb rund um die Uhr weiter

An Weihnachten ist das Personal auf die Mindestbesetzung heruntergefahren. Rund 70 Menschen verbringen die Feiertage auf Mittelplate, um die Ölförderung am Laufen zu halten und die Arbeiter zu versorgen. Ein Stopp der Produktion wäre zu teuer, deswegen wird weiter in drei Schichten rund um die Uhr gearbeitet – ohne Unterbrechung. "Wir versuchen natürlich, etwas Weihnachtsstimmung aufkommen zu lassen. Aber die Arbeit bestimmt auch an solchen Tagen den Takt, langweilig wird hier niemandem", stellt Buttchereit klar. Seit 20 Jahren arbeitet er selbst auf Mittelplate, seit zehn Jahren leitet er den Betrieb.

In der Messe, so werden Kantinen in der Schifffahrt genannt, steht ein Weihnachtsbaum, es gibt weihnachtliche Deko und ein Festtagsbüfett mit "traditionellen Klassikern". Neben ihren Familien müssen die Arbeiter aber auf zwei Dinge verzichten: Es gibt keinen Gottesdienst und auch an Weihnachten gilt das strikte Alkoholverbot auf Mittelplate. Kerzen am Weihnachtsbaum gibt es genauso wenig wie Feuerwerk zum Jahreswechsel – zu groß ist das Risiko einer Explosion mit fatalen Folgen.

Sicherheitsregeln auf der Bohrinsel sind streng

Buttchereit, der Bart und Pullover von Harley-Davidson trägt, wird beim Thema Sicherheit ernst. Die Regeln auf Mittelplate sind streng: Nur in bestimmten Bereichen dürfen Handys genutzt werden, um Störungen der Anlagen zu vermeiden, beim Treppensteigen muss eine Hand immer am Geländer sein und der Helm ist außer in den Wohn- und Schlafbereichen überall Pflicht. Für den Fall der Fälle gibt es einen Evakuierungsraum, der sonst als Fitnessstudio genutzt wird. Im Notfall lässt er sich gasdicht abriegeln und hält Sauerstoff für 120 Menschen für bis zu acht Stunden bereit. Einen solchen Zwischenfall gab es seit Beginn der Förderung im Jahr 1987 aber noch nie, heißt es von Wintershall Dea.

"Ich habe die Verantwortung hier, nicht nur für den Betrieb, sondern vor allem für die gesamte Mannschaft", erklärt Buttchereit. Der Schiffsingenieur hat viele Bohrinseln und Plattformen auf der ganzen Welt gesehen, sagt er. "Wir produzieren hier sicherer und sauberer als überall sonst. Das treibt mich an." Verletzungen und medizinische Zwischenfälle gebe es auf Mittelplate natürlich auch, "wie im normalen Leben".

Helikopter-Einsatz nur bei größter Lebensgefahr – Flug kostet 25.000 Euro

Bei Notfällen dauert es drei Stunden, bis ein Schiff da ist. An der Bohrinsel liegt auch ein kleines Speedboot, um das zu beschleunigen. "Wenn etwas Schlimmes in der Familie passiert, versuchen wir natürlich alles möglich zu machen, um die Leute nach Hause zu bekommen." Ein Helikopter werde aber nur bei wirklich lebensbedrohlichen Notfällen eingesetzt, die keine Alternative zulassen. "Ein Flug kostet 25.000 Euro, das ist kein Taxi und immer die riskanteste aller Rettungsformen", sagt Buttchereit.

Das Leben abseits der Arbeit findet auf begrenztem Raum statt. Geschlafen wird in Zweierkabinen mit Etagenbetten. Wenn einer schläft, arbeitet der andere in der Regel. Getroffenen wird sich in Gemeinschaftsräumen mit Sofas und Fernsehern, in einem darf auch geraucht werden. Das Küchenpersonal versorgt die Arbeiter mit möglichst ausgewogener Kost, Limonaden und Süßigkeiten müssen separat im Kiosk gekauft werden. "Wir brauchen hier gesunde Leute, das versuchen wir mit der Ernährung zu unterstützen. Fürs Wohlbefinden gibt es hin und wieder aber auch Klassiker wie Wiener Schnitzel. Ein Versorgungsschiff kommt zweimal am Tag aus Cuxhaven, alles wird frisch angeliefert und in der Küche verarbeitet."

An den Weihnachtstagen komme ein besonderes Gemeinschaftsgefühl auf, erzählt Buttchereit, weil weniger "Durchgangsverkehr" herrsche. "Wir wechseln das über die Jahre durch, jeder muss an den Feiertagen mal ran, egal ob Familienväter oder Alleinstehende." Außerdem winken attraktive Zuschläge. Ein Facharbeiter von Wintershall Dea verdiene auf Mittelplate auch so bis zu doppelt so viel wie auf Land. "Außerdem ist das ein ganz besonderes Umfeld, das die Arbeit spannend macht." Probleme, neues Personal zu finden, gebe es trotz aller Widrigkeiten keine.

"Wie bei jedem Job bringen die Leute Themen von zu Hause mit, gute und schlechte", sagt Martin Buttchereit, der immer ein offenes Ohr hat. "Ich muss mich dafür interessieren. Nach all den Jahren kennt man viele Lebensläufe und bekommt viele Schicksale mit." Der Zwei-Wochen-Rhythmus bringe aber auch Vorteile mit sich: "Wer zwei Wochen zu Hause ist, der schafft richtig was. Diese Freiheit hat man mit normalen 40-Stunden-Wochen nicht", sagt er.

Verwendete Quellen
  • Besuch auf der Bohrinsel Mittelplate A im Oktober 2022
  • Videotelefonat mit Martin Buttchereit kurz vor Weihnachten 2022
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