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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Block-Prozess Ein ungleiches Verteidigerduo soll den Freispruch bringen

Die Anklage lastet schwer: Christina Block wird vorgeworfen, für die Entführung ihrer Kinder verantwortlich zu sein. Gleich zwei Verteidiger sollen ihre Unschuld beweisen. Und fahren sehr unterschiedliche Taktiken, um sie zu entlasten.
Sie wirkt ganz ruhig, so wie sie kurz vor Prozessbeginn im Verhandlungssaal des Hamburger Landgerichts steht. Sie spricht leise mit Ingo Bott, einem ihrer Verteidiger. Nur ihre Sorgenfalten auf der Stirn lassen darauf schließen, wie angespannt Christina Block an diesem ersten von insgesamt 37 Verhandlungstagen ist. Denn für sie geht es um alles.
Bis zu zehn Jahre Freiheitsstrafe drohen Block, wenn sie schuldig gesprochen wird. Die Staatsanwaltschaft ist sich sicher: Sie soll israelische Ex-Spione beauftragt haben, die eigenen Kinder in der Silvesternacht 2023/24 gewaltsam zu entführen. Ihre beiden jüngsten Kinder waren nach einem Besuch beim Vater Stephan Hensel 2021 nicht zur Mutter zurückgekehrt und lebten fortan bei ihm, ohne Kontakt zur Mutter zu haben.
Sehr verschiedenes Verteidigerduo
Für ihre Verteidigung hat sie gleich zwei Rechtsanwälte beauftragt, die unterschiedlicher nicht sein könnten: Laut der Anklageschrift ist ihr erster Verteidiger Otmar Kury, ein langjährig tätiger Anwalt aus Hamburg, der sie auch schon im vorangegangenen Sorgerechtsstreit vertreten hat. Kury gilt vor allem im Wirtschaftsstrafrecht als Instanz. Überraschend nominierte Block erst kurz vor Prozessstart Ingo Bott als weiteren Verteidiger. Er gilt als Experte in Entführungsfällen von Kindern. Schon in ihren Eingangsplädoyers zeigt sich sehr deutlich, mit welch unterschiedlicher Strategie sich die beiden Strafverteidiger für Christina Block einsetzen wollen.
Kury startet und lässt wenig überraschend kein gutes Haar an der Ermittlungsarbeit der Staatsanwaltschaft. Seine umfangreichen Schriftsätze seien nicht ordnungsgemäß zu den Akten genommen worden. Mit Nachdruck und viel Sachkunde schmeißt er der Staatsanwaltschaft und dem Gericht Paragrafen um die Ohren, er kritisiert die Gestaltung des Verfahrens generell. Und hat einen Schuldigen in dem ganzen Verfahren ausgemacht: Kindsvater Stephan Hensel habe gegen das Aufenthaltsbestimmungsrecht verstoßen und die Kinder rechtswidrig bei sich behalten. Kurz gesagt: Hätte der Vater nicht das Recht gebrochen, wäre es gar nicht so weit gekommen. Seine Mandantin sei unschuldig und nicht einmal hinreichend verdächtig.
Zweifel säen
Sein Kollege Ingo Bott hingegen argumentiert auf einer anderen Ebene: Er versucht, die menschliche Seite der Situation nachzuzeichnen. Er spricht von einer verzweifelten Frau, der die Kinder rechtswidrig entrissen wurden. Und er versucht, Zweifel zu säen, ob die Kinder wirklich bei ihrem Vater hätten sein wollten. Bei solchen Fällen müsse man die Macht der Manipulation betrachten. Es hätte eine Abschottung aufseiten des Vaters gegeben. Er spricht von dem Wohnhaus des Vaters als "Festung".
Besonderes Augenmerk legt er auf die Aussagen von Jugendamtsmitarbeitern, die schon während des Sorgerechtsstreits die Kinder kennenlernten. Christina Block als Monstermutter, die gewaltsam ihre Kinder in einer "chaotischen Aktion" entführen lässt? Das lässt er als eine von zig Fragen offen im Raum stehen. "Ich bin der Überzeugung, dass sie [Christina Block, Anmerk. d. Red.] das, was man ihr vorwirft, nicht getan hat", so Bott. "Am Ende werden auch Sie Zweifel haben."
Ob der Plan aufgeht?
Bott tritt geschickt auf, erzählt, wie es dazu kam, dass er die Verteidigung übernommen hat, plaudert fast. Seine Argumentation ist emotional, Rechtsbegriffe lässt er fast gänzlich außen vor. Er hält kein flammendes Plädoyer für die Unschuld seiner Mandantin. Er erschüttert die Eindeutigkeit, mit der die Staatsanwaltschaft ihre Anklageschrift verfasst hat.
Der strenge, ältere und sehr erfahrene Strafverteidiger, mit juristischem Verve und Paragrafenakrobatik auf der einen Seite. Auf der anderen Seite der emotional argumentierende Nachrücker-Anwalt, der nahbar das Bild einer verzweifelten Mutter aufbaut und mit fast freundschaftlichem Tonfall selbst eine Ermahnung der Richterin hinnimmt. So will Christina Block also einen Freispruch erwirken. Ob ihr das gelingt, wird wohl erst die Urteilsverkündung Ende Dezember zeigen.
- Reporterin vor Ort
- Eigene Beobachtungen und Recherche