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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Beliebte Partyreihe Hunderte Jugendliche feiern ohne Alkohol: "Moshpits gibt es trotzdem"
Eine Partyreihe in Lüneburg lockt jedes Mal Hunderte Jugendliche an – trotz eines Alkoholverbots. Was macht den Reiz aus? Ein Erklärungsversuch von Mitorganisatorin Ann-Christin Behrens.
Öffentliche U-18-Partys sind eine Seltenheit. Häufiger treffen sich Jugendliche stattdessen privat, feiern Hauspartys – und Alkohol gehört schon früh dazu. In Lüneburg entwickelt sich eine Veranstaltungsreihe im Salon Hansen jedoch zur beliebtesten Party der 14- bis 17-Jährigen in Norddeutschland. Alkohol gibt es dort nicht. Dennoch reisen Partygäste auch aus Schleswig-Holstein an, um einmal im Monat von 19.30 bis 23.30 Uhr zu feiern. Der Eintritt kostet gerade mal 2 Euro.
Sozialpädagogin Ann-Christin Behrens (26) hat die Reihe gemeinsam mit einem Team aus jungen Menschen ins Leben gerufen. Im Interview erzählt sie, wieso solche Angebote wichtig sind.
t-online: Partys für junge Menschen ohne Alkohol, mitorganisiert von der Stadt – ich kann mir vorstellen, dass das für viele Jugendliche erst mal öde klingt. Sie auch?
Ann-Christin Behrens: Ja, am Anfang haben es wohl auch einige für öde gehalten. Die erste Party war nicht wirklich gut besucht. Das Werben für so eine Veranstaltung, die sich an 14- bis 17-Jährige richtet, ist auch gar nicht so einfach. Da richtet man sich an Eltern, die Zeitung und an die Schulen. Viele denken dann: Okay, das kann gar nicht cool sein.
Und jetzt kommen plötzlich Hunderte Teenager und Sie müssen sogar etliche abweisen. Wie ist das denn passiert?
Das Angebot hat sich unter den Jugendlichen herumgesprochen. Wohl auch, weil es keine anderen Möglichkeiten für so junge Menschen gibt, in Lüneburg die ersten Partyerfahrungen zu sammeln. Zu Beginn der letzten Osterferien stand die zweite Party an und plötzlich waren wir ausverkauft. Innerhalb von einer Stunde war der Salon gefüllt – bei einer Kapazität von 200 Personen. Eigentlich sollte die Partyreihe so eine Aktion extra für die Ferien werden. Aber wir dachten, bevor die uns die Bude einrennen, bieten wir die U18-Veranstaltung lieber einmal im Monat an. Das alles hat eine wahnsinnige Dynamik angenommen.
Und das alles bei 0 Promille. Wie kam es zu der Entscheidung gegen den Alkohol?
Dafür muss man erst mal grundsätzlich erklären: Diese Partyreihe ist von Jugendlichen für Jugendliche gestaltet worden. An mich wurde der Wunsch herangetragen, jungen Menschen in Lüneburg mehr Raum fürs Feiern zu ermöglichen. Ich habe also Leute gesucht, die mich dabei unterstützen. Am Anfang waren wir ein Team aus sechs Leuten zwischen 14 und Anfang 20. Da haben wir uns auch die Frage gestellt, welche Regeln gelten sollen. Und die Jugendlichen haben sich gewünscht, dass weder Alkohol getrunken noch geraucht werden darf. Egal wie alt die Partygäste sind. Das war also keine Entscheidung von Erwachsenen. Den Rest machen die Jugendlichen übrigens auch selbst: Sie kümmern sich um die Kasse, die Garderobe, die Musik kommt von DJ Cosiak aus unserem Team.
Wie ist denn so die Stimmung bei den Partys?
Ich selbst kenne es von solchen Veranstaltungen, dass sich Grüppchen bilden. Alle feiern so ein bisschen für sich. Im Salon ist das anders. Die Jugendlichen connecten untereinander. Auf mich wirkt es so, als wäre völlig egal, woher man kommt. Es geht ganz einfach darum, gemeinsam Spaß zu haben. Die Jugendlichen springen die ganze Zeit. Die schreien, die singen mit, es gibt Moshpits und auch mal ein paar Küsse.
Klingt nach einer ganz gewöhnlichen Party. Was macht denn den Unterschied zu Partys mit Alkohol aus?
Ich glaube tatsächlich, das Aggressionspotenzial ist geringer. Es sind im Salon noch keine Jugendlichen so richtig aneinandergeraten. Zu derartigen Auseinandersetzungen kommt es nicht. Und am Ende des Abends geht es eben allen gut. Es wird sich verabschiedet, Nummern werden ausgetauscht. Das alles ist sehr innig und wertschätzend.
Wird denn bei dem Verbot auch geschummelt – zum Beispiel durchs Vortrinken?
Das können wir natürlich nicht kontrollieren und sicherlich kommt es auch mal vor. Aber sobald die Gäste bei uns in der Reihe stehen – und viele stellen sich schon um 16 Uhr an, um noch reinzukommen – gibt's keinen Alkohol. Darauf achtet das Team ganz genau. Ihnen war auch wichtig, schon in der Warteschlange darauf zu achten. Obwohl das streng genommen gar nicht mehr unser Aufgabenbereich ist. Aber dadurch, dass es Minderjährige sind, die dort warten, ist es uns ein Anliegen, dass das Anstehen eine sichere Sache ist. Dabei helfen uns auch die Stadtjugendpflege als Kooperationspartnerin und das Sicherheitspersonal von Secu Nord.
Wie glauben Sie, geht es mit den Partys weiter. Ist das so ein Hype, der vorbeigeht?
Also tatsächlich kann ich mir vorstellen, dass der Hype bleibt. Schon jetzt fragen auch 12- und 13-Jährige, ob sie nicht vielleicht auch mal in den Club dürfen. Und mal ehrlich: Ich hätte mir selbst gewünscht, dass es solche Partys gegeben hätte, als ich so alt war. Irgendwann ist man plötzlich 16 Jahre alt und wird ins Clubleben hineinkatapultiert. Wer würde sich da nicht wünschen, erst mal in einem sicheren Setting starten zu können?
- Telefoninterview mit Ann-Christin Behrens am 17. August 2023