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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Kommune schlägt Alarm Jede vierte Ferienwohnung auf Sylt ist illegal – das soll sich jetzt ändern
Die Inselverwaltung Sylt will dem Wildwuchs von Ferienwohnungen begegnen. Das könnte für Vermieter teuer werden.
Die Insel Sylt greift durch: Nachdem offenbar jahrzehntelang jeder auf Sylt seine Zweitwohnung an Feriengäste vermieten konnte, ohne dass dies kontrolliert und gar geahndet wurde, geht die Inselverwaltung nun gegen diese illegale Form der Ferienvermietung vor. "Schätzungsweise jede vierte Ferienwohnung auf Sylt ist illegal", sagte Kreisbaudirektor Burkhard Jansen aus Husum zur "Mopo". Saftige Strafen drohen den Wohnungsbesitzern.
Nicht mal über die Anzahl der vermieteten Betten kann der Kreis Nordfriesland, der für Sylt zuständig ist, Angaben machen. Man weiß es schlicht nicht. Denn nur Vermieter, die mehr als zehn Betten anbieten, werden registriert. Kleinstvermieter tauchen in der Statistik gar nicht auf.
Hintergrund sind frühere Genehmigungen für Dauerwohnungen. Diese Wohnungen dürfen nicht als Ferienwohnungen vermietet werden. Doch offenbar passierte das im großen Stil. "Bei der für die Insel Sylt genannten vierstelligen Zahl handelt es sich um eine Schätzung. Auch auf den Inseln Föhr und Amrum ist davon auszugehen, dass ein großer Anteil der vorhandenen Ferienwohnungen baurechtlich nicht genehmigt sein wird. Konkrete Zahlen für das Kreisgebiet sind jedoch nicht bekannt, auch nicht für St. Peter-Ording", so ein Kreissprecher zu Ippen Media.
Strengere Kontrollen angekündigt
"Wir wissen ja noch nicht einmal genau, wie viele Touristen tatsächlich jedes Jahr nach Sylt kommen", so eine Vertreterin der Bürgerinitiative "Merret reicht's" zur "Mopo". Das sieht man in der Kreisverwaltung in Husum offenbar ähnlich. Und stellt nun sogar Personal dafür ab, dieses Wirrwarr bei der Vermietung zu beenden. "Zwei unserer Mitarbeiterinnen werden die Bauakten durchgehen und die Eigentümer der Ferienwohnungen, die baurechtlich nicht genehmigt sind, schriftlich auffordern, die Vermietung an Feriengäste einzustellen", so ein Sprecher des Kreises Nordfriesland.
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Die Nordseeinseln haben große Probleme, genug Wohnraum anbieten zu können. Auf den ostfriesischen Inseln mussten schon Restaurants und Cafés zumindest zeitweise schließen, weil sie kein Personal mehr finden – denn das Personal findet keine Wohnungen. Daher sind die Dauerwohnungen so wichtig, schließlich sind sie für das dauerhafte Leben auf der Insel gedacht. Den 11.000 angemeldeten Dauerwohnungen stehen schätzungsweise 7.400 Ferienwohnungen gegenüber.
Warum eine Vermieterin zurückbaut
Die Bürgerinitiative berichtet von einer Vermieterin, die nun zurückbaut: "Die Kleinvermieterin hat schon reagiert und wird zwei ihrer zwölf Ferienwohnungen zurückbauen. Genehmigt waren für das betroffene Haus seinerzeit eine Dauerwohnung und zwei Fewos. Die Dauerwohnung wurde in zwei Apartments umgebaut und rechtswidrig in die Vermietung gegeben. Jetzt soll aus den zwei Apartments wieder eine reguläre Mietwohnung werden", schreiben die aktiven Bürger auf ihrer Facebookseite.
Die Vermieterin sei gebürtige Sylterin, seit Generationen sei ihre Familie auf der Insel ansässig und schon seit mehr als achtzig Jahren in der Vermietung tätig. Früher habe man die Zweckentfremdung als Kavaliersdelikt betrachtet und sportlich gesehen. Das sei inzwischen ganz anders. Seitdem die Wohnungsnot im Alltag mit Händen greifbar geworden sei, habe sie als Insulanerin ein schlechtes Gewissen, berichten die Bürgeraktivisten weiter.
Neben dem schlechten Gewissen soll die Sylterin aber auch die zunehmenden Kontrollen bemerkt haben. Bis zu 500.000 Euro Bußgeld drohen, wenn man die Dauerwohnung als Ferienwohnung vermietet. Allerdings lässt der Kreis wissen, dass es den Kontrolleuren nicht um das Eintreiben von Strafzahlungen geht. "Unser primäres Ziel ist die Beendigung der illegalen Nutzung und nicht das Verhängen von Bußgeldern", so ein Kreissprecher zur "Mopo".
Warum die Ferienwohnungen wohl bleiben
Und dann wird aus illegalen Ferienwohnungen der so dringend benötigte Wohnraum auf der Insel? Eher nicht. Denn der "verträgliche, aber derzeit ungenehmigte Bestand solle – soweit möglich – genehmigt werden" lässt die Verwaltung Ippen Media wissen. Was "verträglich" ist, ist völlig unklar, kritisiert auch die Bürgerinitiative. "Um entscheiden zu können, wann die Grenze des Verträglichen erreicht ist, fehlen verlässliche Ist-Zahlen. Wie viele Touristen kann oder will die Insel maximal aufnehmen, ohne dass die Natur und die Bevölkerung Schaden nehmen? Wieviel Verkehr kann die einzige Nord-Süd-Verbindung tragen? Wieviel Durchgangs- und Parksuchverkehr in den kaputten Straßen kann Sylt überhaupt noch verkraften? Wieviele touristische Betten hat die Insel tatsächlich im Vergleich zu Fachkräfte-Betten?", schreibt "Merret reicht's" bei Facebook.
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Der Ersatzbürgermeister Carsten Kerkamm, der für den an Burn-out erkrankten Bürgermeister Nikolas Häckel eingesprungen ist, erklärt im Interview mit der "Sylter Rundschau", warum die Ferienwohnungen nachträglich genehmigt werden sollen: "Dies könnte teilweise zu massiven Einschnitten für die Sylter Hausbesitzer sowie die Sylter Wirtschaft, deren Grundlage der Tourismus ist, führen." Die Genehmigung diene dem Schutz der Klein- und Kleinstvermieter, so der Bürgermeister weiter.
- shz.de: Sylt: "Carsten Kerkamm will 'Schaden von unserer Insel abwenden'"
- merkur.de: "Illegale Ferienwohnungen an der Nordsee: Zahlreiche Vermieter in Nordfriesland betroffen"
- facebook.com: Post von "Merret reicht's – Aus Liebe zu Sylt" (Stand: 11. September 2023)
- mopo.de: "Vermieter an Nord- und Ostsee zittern: Diese Ferienwohnungen soll es nicht mehr geben"