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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Mädchen (5) stirbt in Hallenbad Warum hatte der Schwimmkurs nur eine Aufsicht? Das sagt Bäderland
Wie viel Personal muss einen Schwimmkurs begleiten, wenn Kinder im Wasser sind? Die Antworten nach dem tragischen Tod einer Fünfjährigen überraschen.
Bei einem tragischen Unfall im Schwimmbad Bondenwald im Hamburger Stadtteil Niendorf ist ein fünfjähriges Mädchen gestorben. Es hatte an einem Schwimmkurs teilgenommen und ist dabei ertrunken, mehr Details finden Sie hier.
Wie das Unglück passieren konnte, bleibt weiterhin unklar. Das ermittelt jetzt die Polizei. "Wie immer bei einem unnatürlichen Tod", sagte ein Sprecher am Freitag auf Nachfrage von t-online.
Die Trauer ist riesengroß. Auch die Bäderland GmbH, der Veranstalter des Schwimmkurses, "ist tief geschockt, bedauert den Unfall sehr", sagte Bäderland-Sprecher Michael Dietel am Freitag t-online.
Konkrete Vorgaben für Personal am Beckenrand gibt es nicht
Der Unfall wirft Fragen auf. Unter anderem, ob genügend Personal am Beckenrand stand, das das Unglück hätte verhindern können. Mehr Details dazu lesen hier.
Die Antwort darauf ist schwierig. Konkrete Vorgaben, wie viele Personen bei welcher Kursgröße am Beckenrand stehen müssen, gibt es nämlich nicht. Das bestätigt auch ein Sprecher des Hamburger Schwimmverbandes. Es gebe nur Empfehlungen, die auf Erfahrungswerten beruhen, so der Sprecher weiter. Der Verband empfiehlt seinen Vereinen, Schwimmkurse mit Kleinkindern und bis zu zehn Teilnehmern mit zwei Aufsichtspersonen zu besetzen.
Bei Kursen von Bäderland passieren selten Unfälle
Auch die DLRG Hamburg stellt bei solchen Kursen zwei qualifizierte Fachkräfte ab, so ein Sprecher am Mittwoch auf t-online Nachfrage. "Bei uns heißt es Safety first", so der Sprecher. Deshalb sei eine Person im Wasser, die andere schaue vom Beckenrand zu, behalte so den Überblick. Auch deshalb sei bei Schwimmkursen der DLRG bislang kaum etwas passiert.
Das gilt allerdings auch für die Bäderland-Kurse. Dort ist der letzte vergleichbare Fall im Jahre 2016 passiert, allerdings nicht bei Schwimmkursen, sondern im alltäglichen Badebetrieb. Damals war ein kleiner Junge im Schwimmbad Midsommerland gestorben. In der Kritik der Verwandtschaft des Jungen stand damals ein Bademeister. Im selben Jahr war zuvor ein Dreijähriger im St.-Pauli-Bad ertrunken.
Bäderland ist in Hamburg die einzige Institution, die Schwimmkurse für Kleinkinder anbietet, diese aber nur mit einer Aufsicht besetzt. Formal, ist das auch zulässig.
Das städtische Unternehmen orientiert es sich bei seinen Sicherheitsstandards unter anderem an den Empfehlungen der Unfallkasse Nord. Das ist nicht irgendwer, sondern die gesetzliche Unfallversicherung für den öffentlichen Dienst in Schleswig-Holstein und Hamburg. Die Kasse ist auch für die Unfallverhütung in Hamburger Schulen zuständig. Auch dort das gleiche Bild: Konkrete Vorschriften gibt es auch für Lehrer am Beckenrand nicht.
Für den Schwimmunterricht von Kitakindern von drei bis sechs Jahren gibt es sogar einen Ratgeber der Unfallkasse. Er liegt t-online vor. Tatsächlich finden sich dort keine konkreten Vorschriften, wie viele Aufsichtspersonen Schwimmunterricht von kleinen Kindern überwachen müssen. Auch andere konkrete Zahlen sucht man dort vergeblich, aus Sicht der Unfallkasse sei das nicht möglich, lautet die Begründung.
"Generelle Aussagen, wie viele Kinder in welcher Wassertiefe von einer Erzieherin in Schwimm- und Freibädern betreut werden können, sind aus unserer Sicht daher nicht möglich", heißt es dort. Die Voraussetzungen für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz seien zu unterschiedlich.
Die Unfallkasse verlangt vom Personal nur Basiskompetenzen
Die Kasse setzt auf Eigenverantwortung der Schwimmlehrer: "Jede Erzieherin muss sehr genau abschätzen können, wie viele Kinder sie sicher zur gleichen Zeit im Wasser beaufsichtigen kann", heißt es in der Broschüre weiter. Das Personal muss lediglich Gefahren erkennen und Menschen retten und wiederbeleben können.
Auch zur fachlichen Qualifikation der Aufsichtspersonen am Beckenrand hält sich die Kasse bedeckt. Das Bäderland-Personal muss das Deutsche Rettungsschwimmabzeichen in Silber gemacht haben und sich regelmäßig weiterbilden. Dazu sind noch ein paar persönliche Qualifikationen wie Konzentrationsfähigkeit und Stressresistenz gewünscht. Das ist alles und in etwa der Standard, den auch die DLRG von ihren Leuten erwartet.
"Die Fähigkeit, sich über den gesamten Zeitraum auf die Schwimmgruppe zu konzentrieren, macht den Schwimmbadbesuch so kräftezehrend."
Unfallkasse Nord, Leitfaden für sicheres Schwimmen und Baden mit Kita-Kindern
Die Kasse weiß aber auch, welche Verantwortung das Personal am Beckenrand bei diesen Kursen hat und hat für sie einen guten Rat: "Die Fähigkeit, sich über den gesamten Zeitraum auf die Schwimmgruppe zu konzentrieren und die Beaufsichtigung jederzeit aktiv und kontinuierlich wahrzunehmen, ist unabdingbar und macht den Schwimmbadbesuch so kräftezehrend."
- Statement von Bäderland Hamburg
- Unfallkasse Nord: Leitfaden für sicheres und praxisorientiertes Schwimmen und Baden mit Kita-Kindern
- Telefonat mit einem Sprecher Schwimmverband Hamburg
- Eigene Recherchen