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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Umstrittener Autor Precht-Lesung wegen israelischem Künstler abgesagt
Seine Aussagen über Juden wurden vielfach als antisemitisch kritisiert. Ein Veranstalter zieht nun Konsequenzen – ohne Kritik an Richard David Precht üben zu wollen.
Sie fällt aus und es gibt noch keinen Ersatztermin: Eine in Hamburg geplante Lesung von Richard David Precht wurde gestrichen. Grund dafür ist aber weder Krankheit noch grundsätzliche Kritik an dem Autor, der als Philosoph auftritt. Es liegt an der Nähe zum Auftritt eines Musikers aus Israel.
Precht hätte am 14. November im Veranstaltungszentrum Kampnagel aus seinem aktuellen Buch "Mache die Welt: Eine Geschichte der Philosophie 4" lesen sollen. Fast zeitgleich tritt der israelische Künstler Asaf Avidan im Kampnagel auf. "Beide Künstler sollen mit ihren Inhalten im Vordergrund stehen, doch wir sehen die Gefahr, dass das aufgrund der aktuellen Lage nicht möglich sein könnte", erklärt Sabine Metzger von der Buchhandlung Heymann, die die Precht-Lesung veranstaltet hätte, auf Anfrage von t-online.
Veranstalter sagt ab – will aber nicht bewerten
"Beide Veranstaltungen haben ihre Berechtigung", betont die Sprecherin. Zunächst habe man versucht, eine andere Räumlichkeit für Precht und seine rund 400 Zuhörer zu finden – vergeblich. "Unsere Bedenken gehen dahin, dass die Diskussionen um seine Äußerungen und die unmittelbare Nähe zum Konzert von Asaf Avidan alles andere überlagert hätten." Metzger betont, dass die Entscheidung keine Wertung von Prechts Äußerungen darstelle.
Die Absage sei im Einvernehmen mit dem Kampnagel getroffen worden, heißt es weiter. Auch hier will man sich zu keiner Wertung von Prechts Aussagen hinreißen lassen. Auf Anfrage von t-online teilt Kampnagel-Sprecherin Siri Keil aber mit: "Sollte sich Herr Precht offen dafür zeigen, sich um ein tiefergehendes Verständnis der berechtigten Kritik und damit verbundenen Reflexion seiner Äußerungen zu bemühen, schließen wir künftige Veranstaltungen mit ihm grundsätzlich nicht aus."
Dass sich die Kampnagel-Verantwortlichen durchaus mit Prechts Äußerungen auseinandergesetzt haben, dürfte klar sein: "Wir verstehen uns als Ort des Dialogs, als Ort des offenen Austausches und stetigen Dazulernens. Das Medienecho, das als Reaktion auf Richard David Prechts Aussagen erfolgte, zeigt, dass es genau dessen auch in dieser Situation bedarf", schreibt die Sprecherin weiter.
Äußerungen in Lanz-Podcast lasten auf Precht
Precht hatte sich im ZDF-Podcast "Lanz und Precht" zum orthodoxen Judentum geäußert. Die Redaktion hatte nach Kritik später die entsprechende Passage in der Folge des wöchentlichen Podcasts mit Markus Lanz entfernt. In der Episode hatte Precht gesagt, ihre Religion verbiete es orthodoxen Juden, zu arbeiten: "Ein paar Sachen, wie Diamanthandel und ein paar Finanzgeschäfte, ausgenommen."
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Jüdische Organisationen hatten dies zurückgewiesen und Precht vorgeworfen, antisemitische Verschwörungstheorien zu verbreiten. Der 58-Jährige selbst bedauerte anschließend, dass eine Formulierung gefallen sei, die Anstoß erregt und zu Kritik geführt habe. Sie sei aber nicht so gemeint gewesen, wie sie verstanden wurde.
Buchhandlung hält an Precht-Lesung fest
Von der Buchhandlung Heymann heißt es, dass man weiterhin plane, die Lesung nachzuholen. Ob das dann im Kampnagel stattfinde, sei aber völlig offen. "Wir haben uns dort eingemietet. Wo wir unsere Veranstaltungen umsetzen können, hängt in erster Linie von verfügbaren Räumen ab", erläutert Metzger.
Asaf Avidan wurde in Jerusalem geboren. Der Singer-Songwriter landete 2012 mit "One Day/Reckoning Song (Wankelmut Remix)" auf Platz 1 der deutschen Charts. Die Penguin Random House Verlagsgruppe, bei der Precht derzeit veröffentlicht, wollte sich zur Reaktion des Autors auf die Absage nicht äußern.
- Anfragen an die Buchhandlung Heymann, den Kampnagel und die Penguin Random House Verlagsgruppe
- Mit Material der Nachrichtenagentur dpa