Bau von Batteriefabrik Mini-Gemeinde bringt Habecks Leuchtturm in Gefahr
Über das Schicksal einer neuen Batteriefabrik in der norddeutschen Provinz entscheidet die Lokalpolitik. Es geht um Tausende Jobs und Milliarden Euro.
In der Provinz von Schleswig-Holstein soll eine riesige Batteriefabrik entstehen. Milliarden Euro sollen investiert werden, auch die öffentliche Hand gibt Hunderte Millionen dazu. Ein Zukunftsprojekt, da ist man sich in Brüssel, Berlin und der Landeshauptstadt Kiel einig. Nur in einer vom Bau betroffenen Gemeinde regt sich Widerstand. Warum drei Lokalpolitiker das Vorhaben noch stoppen können – und wollen.
Das schwedische Unternehmen Northvolt will ab 2026 im Kreis Dithmarschen Batteriezellen für E-Autos von BMW und VW bauen lassen und rund 3.000 Arbeitsplätze schaffen. Kostenpunkt: 4,5 Milliarden Euro. Bund und Länder geben 700 Millionen Euro direkt dazu, außerdem wurden Garantien über 202 Millionen Euro und ein 600-Millionen-Euro-Kredit der KfW zugesagt.
Bisherige Abstimmungen endeten schon denkbar knapp
Die EU-Kommission hatte Anfang Januar ihre Zustimmung gegeben, vergangene Woche folgte die Anrainergemeinde Lohe-Rickelshof: 12 Jastimmen, keine Widerworte oder Enthaltungen. Doch die paar Äcker, auf denen die Fabrik entstehen sollen, liegen auch in der Gemeinde Norderwöhrden. Und da ist der Widerstand mehreren Berichten zufolge ungebrochen.
Für Elektroautos: 902 Millionen Euro für Batteriefabrik genehmigt
Schon die jüngste Abstimmung zu dem Thema endete mit nur vier zu drei Stimmen zugunsten der Fabrik, also denkbar knapp. An diesem Montagabend soll final abgestimmt werden, eine Wiederholung kann es nicht geben. Die richtungsweisende Entscheidung fällt nicht an den großen Tischen von Politik und Wirtschaft, sondern in einem Gasthof in einem Dorf mit nicht einmal 300 Einwohnern.
Doch was haben die Lokalpolitiker gegen das Vorhaben am Ende der Autobahn 23? Auf der Fläche stehen praktisch keine Häuser. Ackerflächen gibt es in Dithmarschen, dem Kohlgarten Deutschlands, genug, möchte man meinen. Doch der Widerstand gegen die Batteriefabrik vermischt sich auch mit aktuellen Debatten, die ganz woanders entschieden werden.
Landwirt und Lokalpolitiker halten Subventionen für ungerecht
Einer der Widerständler ist Normen Schoof von der Freie Wählergemeinschaft Norderwöhrden (FWN). Schoof ist laut der Zeitung "Welt" Landwirt. Er sehe keinen Vorteil für seine Gemeinde, sollte die Fabrik gebaut werden. Die Kritiker des Projekts hätten Angst vor dem zusätzlichen Verkehr und zu langsam wachsender Infrastruktur, schreibt die "Welt". Der bringe den Tourismus an der Nordseeküste in Gefahr. Außerdem seien die eklatant angestiegenen Bodenpreise ein Problem für die Landwirte.
Und dann ist da noch das Lieblingsthema der Landwirte in diesen Tagen. "Überall muss gespart werden, und Northvolt bekommt so viel Geld", sagt Schoof der "Welt". Er meint damit die Subventionen, die der Agrarbranche gestrichen werden sollen. Tausende Bauern waren zuletzt dafür auf die Straße gegangen – oder besser gefahren, denn ihre Macht demonstrierten sie vor allem mit Traktor-Blockaden in ganz Deutschland. Auf Anfrage von t-online wollte sich Schoof am Montag nicht weiter äußern.
Im Bundeswirtschaftsministerium in Berlin sieht man im Northvolt-Plan ein entscheidendes Puzzleteil, um die Autoindustrie in Deutschland in Sachen E-Mobilität wettbewerbsfähig zu halten. Minister Robert Habeck nennt die Pläne eines der "wichtigsten Leuchtturmprojekte der Energie- und Verkehrswende".
Northvolt ist auf die Gemeinden angewiesen
Habeck kennt sich in der Region bestens aus: Er war sechs Jahre lang Landesminister für Energie, Umwelt und Landwirtschaft in Schleswig-Holstein. Zuletzt erlebte Habeck unschöne Szenen mit vermeintlichen Bauern in der Region. An einem Fähranleger in Schlüttsiel musste der Vizekanzler umkehren.
Alle Gemeindevertreter, die heute Abend abstimmen, gehören zur FWN. Bürgermeister Kay Evers zeigte sich dem NDR gegenüber zuversichtlich, dass die Batteriefabrik vier der sieben Stimmen bekommt. "Wir wollen diese Chance nutzen, wissen aber, dass das Projekt auch scheitern kann", sagte Evers der "Welt". Er war vor der Sitzung telefonisch für t-online nicht zu erreichen.
Northvolt ist darauf angewiesen, dass beide Gemeinden zustimmen. Anders lasse sich das Vorhaben nicht umsetzen. Dass sich das Unternehmen vorzeitig zurückziehe, sieht man im Berliner Wirtschaftsministerium nicht. Die Fördermittel seien an bestimmte Bedingungen, etwa zu Arbeitsplätzen und Produktionsvolumen, geknüpft. Auch soll es eine Standortgarantie bis 2034 geben und ein Verkauf ins Nicht-EU-Ausland ausgeschlossen sein, berichtet der NDR. Konkretere Informationen gibt es nicht.
Marschbahn soll für Batteriefabrik ausgebaut werden
Auf Anfrage von t-online erklärt das Unternehmen, man sei seit 2022 "im ständigen Austausch mit beiden Gemeindevertretungen". Zudem gebe es monatliche Bürgersprechstunden und regelmäßig größere Informationsveranstaltungen. Eine Civey-Befragung und eine Umfrage der FH Westküste zeigten eine Zustimmung für das Vorhaben von 80 Prozent bei der Bevölkerung vor Ort.
Auch zum Thema Verkehr bezieht das Unternehmen Stellung: "Northvolt verfolgt das Ziel, die zukünftige Fabrik an die Eisenbahn anzuschließen, und wir setzen uns aktiv für eine Fahrzeitverkürzung auf der Strecke Heide-Hamburg ein." Das wäre die erhoffte Entlastung der A23, entschieden ist das aber noch nicht. Für die Zeit der Bauarbeiten wird es eine eigene Autobahnabfahrt geben, um "die Belastung für die Kommunen so gering wie möglich zu halten".
- Eigene Recherche
- Mit Material der Nachrichtenagentur dpa
- welt.de: "Die Jahrhundert-Entscheidung, die von der 280-Einwohner-Gemeinde abhängt" (kostenpflichtig)
- ndr.de: "Northvolt: Letzte Hürde für den Fabrik-Bau ist Norderwöhrden"
- ndr.de: "Fragen und Antworten zur Batteriefabrik bei Heide"
- bild.de: "Habecks Lieblings-Projekt steht auf der Kippe"
- Anfrage an Northvolt