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Hamburg: Querdenken-Arzt bestellt Peter Tschentscher als Zeuge zu Prozess


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Verteidigung setzt Zeugen durch
"Querdenken"-Arzt bestellt Hamburgs Bürgermeister zu Prozess


26.11.2024 - 18:01 UhrLesedauer: 3 Min.
Prozess gegen Querdenken-Arzt: Die Verteidigung von Walter Weber bestellt Hamburgs Ersten Bürgermeister Peter Tschentscher zur Verhandlung.Vergrößern des Bildes
Prozess gegen "Querdenken"-Arzt: Die Verteidigung von Walter Weber bestellt Hamburgs Ersten Bürgermeister Peter Tschentscher zur Verhandlung. (Quelle: imago-images-bilder)

Kaum jemand denkt noch an Maskenbefreiungsatteste. In Hamburg läuft deshalb ein Prozess gegen einen "Querdenken"-Arzt – die Verteidigung lässt prominente Zeugen aufmarschieren, die das Gericht nicht hören wollte.

Die Gerichtsvollzieherin im Rathaus musste am Montag unverrichteter Dinge wieder abziehen: Sie traf Hamburgs Ersten Bürgermeister Peter Tschentscher nicht an und konnte ihm deshalb Post nicht persönlich übergeben. Sie hatte eine Ladung zu einem Gerichtstermin in der kommenden Woche für den SPD-Politiker. Tschentscher und Lars Schaade, der Präsident des Robert Koch-Instituts (RKI), sollen in einem Prozess gegen einen Arzt aus der "Querdenken"-Szene aussagen.

Die Verteidigung des Hamburger Mediziners Walter Weber beschert mit einem selten gebrauchten juristischen Schritt Tschentscher und Schaade Auftritte in dem Verfahren. Das Gericht hatte es im Prozess für unnötig gehalten, sie zu hören, und entsprechende Beweisanträge abgelehnt. Kurz vor dem voraussichtlichen Ende des Prozesses hat die Verteidigung nun im sogenannten Selbstladeverfahren beide ins Gericht bestellt.

Frist bei Tschentscher zu knapp?

Tschentscher und Schaade sollen eigentlich am 2. Dezember morgens nacheinander befragt werden. Um sie laden zu können, hat die Verteidigung selbst vorab Zeugenentschädigung bei Gericht hinterlegen müssen. Im Falle von Tschentscher sind das 300 Euro. Zudem musste sie die Ladungen über Gerichtsvollzieher förmlich zustellen lassen.

Weil der Erste Bürgermeister dabei am Montag nicht in seinem Büro angetroffen wurde, könnte sich sein Auftritt noch verschieben. Er könnte wegen zu kurzfristiger Ladung absagen. Die Verteidigung plant dann offenbar, ihn zu einem weiteren Termin zu bestellen. Ein Senatssprecher erklärte am Dienstagmittag auf Anfrage nur, dass keine Ladung vorliege. Das RKÍ wollte keine Stellung nehmen zur Ladung von Schaade.

Vorwurf: Weber soll in 57 Fällen falsche Atteste ausgestellt haben

Der Prozess gegen Weber läuft unter großer Publikumsbeteiligung. Bislang gab es 26 Verhandlungstage. Weber ist der Gründer der "Ärzte für Aufklärung", von der sich die Hamburger Ärztekammer distanziert hatte. Er sprach auf Kundgebungen der "Querdenker"-Szene etwa von seiner Vision, die Regierung als Angeklagte in "Nürnberger Prozessen 2.0" zu sehen.

Angeklagt ist der 80-jährige Arzt für Innere Medizin, weil er zwischen April 2020 und September 2021 in 57 Fällen falsche Atteste zur Befreiung von der Maskenpflicht ausgestellt haben soll. Diagnosen wie "Symptome einer CO2-Vergiftung", "Panikattacken" oder "Asthma bronchiale" soll er teilweise ohne Begründung notiert haben, so der Vorwurf. Digitale Beweise waren bei ihm bei einer Hausdurchsuchung im Januar 2021 nicht zu holen: Er führt sein Praxisbuch auf Papier, erzählte er selbst in einem Video.

Eine Reihe von Patienten des Arztes, denen er Atteste ausgestellt hat, sind bereits selbst rechtskräftig verurteilt und mussten als Zeugen Rede und Antwort stehen. Bei einer fristgerechten Ladung müssen nun Schaade und Tschentscher zumindest erscheinen.

Fragen zu Risikohochstufung und Hamburger Verordnung

Das Gericht hat nach der Selbstladung nur noch begrenzte Möglichkeiten, sie nach der Strafprozessordnung zur Beweisfindung abzulehnen. Das geht nur, wenn die Tatsache, die bewiesen werden soll, schon erwiesen oder offenkundig ist, es keinen Zusammenhang zur Anklage gibt oder ein Zeuge als Beweismittel völlig ungeeignet ist. Die Verteidigung hat auf diese Weise bereits einen Zeugen hören lassen, den das Gericht selbst nicht laden wollte. Der Düsseldorfer Chirurg Kai Kisielinski trug zur Evidenz der Wirksamkeit von Masken und zu Risiken vor.

Tschentscher und Schaade sollen offenbar dazu befragt werden, wie politisch motiviert beim RKI die Hochstufung der Risikostufe durch Covid-19 war und in welchem Maße die Hamburger Eindämmungsverordnung mit der Maskenpflicht als Folge der Hochstufung beschlossen wurde. Eine Strategie der Verteidigung ist es, die Maskenpflicht als fachlich unbegründet darzustellen.

Die Diskussion um die Risikohochstufung war durch freigeklagte Protokolle des RKI ausgelöst worden. Aus einer Sitzung hieß es: "Die Risikobewertung wird veröffentlicht, sobald (geschwärzter Name) ein Signal dafür gibt." Das RKI betonte danach, die Hochstufung sei unabhängig erfolgt. Bei der Person mit dem geschwärzten Namen habe es sich nicht um einen Politiker gehandelt, sondern einen RKI-Mitarbeiter.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
  • Anfragen an RKI und Hamburger Senat
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