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Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.So klappt es mit dem Aufstieg HSV und die Angst vorm Scheitern: Kuntz muss ran

Seit drei Spielen wartet der HSV auf einen Sieg. Im Volkspark wächst langsam die Unruhe. Doch der Klub ist weiterhin auf Aufstiegskurs – und sollte die Ruhe bewahren.
Mit drei Punkten hätte der HSV am Sonntag einen gewaltigen Sprung Richtung Aufstieg gemacht. Doch gegen Karlsruhe reichte es wieder nicht zum Sieg – die Enttäuschung nach dem 1:2 ist bei Fans, Trainern und Spielern greifbar. Schlimmer noch: Das "Kopfkino" der vergangenen sechs vergeigten Aufstiege ist zurück. Jetzt heißt es, die Ruhe zu behalten und auf das eigene Können zu vertrauen – und nicht auf Schnellschüsse zu setzen. Dabei kann Sportvorstand Stefan Kuntz eine große Hilfe sein.
Trotz dreier siegloser Spiele gegen Braunschweig, Schalke und den KSC bleibt die Ausgangslage gut. Der HSV hat nach 31 von 34 Spielen alles selbst in der Hand, liegt drei Punkte vor dem Relegationsplatz (Magdeburg, 50 Punkte) und vier vor Platz vier (Elversberg, 49 Punkte). Insgesamt sind nur noch neun Punkte zu vergeben. Zudem haben die Hamburger die beste Tordifferenz aller Aufstiegskandidaten. Und: Kein anderes Team hat 2025 mehr Punkte (25) geholt, nur Magdeburg (29) noch mehr Tore geschossen als die "Rothosen" (27).
Merlin Polzin hat den HSV erst auf Aufstiegskurs gebracht
Trainer Merlin Polzin hat die Mannschaft nach der Entlassung Steffen Baumgarts im November stabilisiert, es ist eine deutliche Entwicklung erkennbar. Jean-Luc Dompé profitiert wohl am auffälligsten davon: Er ist der Unterschiedsspieler, der regelmäßig wichtige Tore und Vorlagen beisteuert. Unter Polzin tritt er nicht nur zielstrebiger auf, sondern arbeitet regelmäßig in der Defensive mit. Gerade erst hat er seinen Vertrag bis 2027 verlängert. Auch Ludovit Reis hat unter Merlin Polzin zurück zu alter Stärke gefunden: Der Vizekapitän nimmt die Rolle des Mittelfeld-Motors ein und punktet häufig mit seinem Spielaufbau und der Präsenz in den Zweikämpfen.
Die Entscheidung, mit dem 34-jährigen Polzin auf ein Trainertalent zu setzen, zahlt sich aus. Als langjähriger Co-Trainer kennt er das Team mit seinen Stärken und Schwächen in- und auswendig. Die Ergebnisse bis Anfang April geben Sportvorstand Stefan Kuntz recht: Der HSV trat meist dominant und kaltschnäuzig auf und schlug direkte Konkurrenten wie Düsseldorf (4:1), Kaiserslautern (3:0) oder Nürnberg (3:0) deutlich.
Besonders viele Chancen kreierte das Team über die Außenbahnen – vor allem dank der Paarung Jean-Luc Dompé und Miro Muheim auf dem linken Flügel. Bezeichnend: Ohne den zuletzt verletzten Schweizer fehlten die gewohnte Stabilität und Kreativität. Das Zusammenspiel der Ersatzleute Silvan Hefti und William Mikelbrencis mit Dompé funktionierte nicht. Zugleich fehlte Muheim als defensiver Anführer. Ein Hoffnungsschimmer: Der 27-Jährige trainierte am Montag wieder. Er könnte am Samstag in Darmstadt wieder zur Mannschaft gehören.
Der HSV muss auf Polzin vertrauen – und auf Kuntz' Erfahrung
Ein junger Coach wie Polzin benötigt Vertrauen und Zeit für Lernprozesse. Der HSV hat in den vergangenen Jahren viele Trainertypen ausprobiert, ohne aufzusteigen. Ein typischer Schnellschuss wie ein weiterer Trainerwechsel helfen dem Verein in dieser Situation nicht – es wäre ein großer Fehler, Polzin so hastig das Vertrauen zu entziehen.
Die jahrzehntelange Erfahrung von Sportvorstand Stefan Kuntz ist jetzt Gold wert: Kuntz kann Polzin helfen, den HSV wieder auf den Erfolgskurs zum Aufstieg zu leiten. Als Kapitän führte er den 1. FC Kaiserslautern 1991 am letzten Spieltag zur Deutschen Meisterschaft, nachdem der Verein zuvor Nerven gezeigt hatte. Als Trainer formte er die U21-Nationalmannschaft zweimal zum Europameister. Gelingt es jetzt, die Gier auf Siege und das Vertrauen in die eigenen Stärken wieder wachzurütteln, hat der HSV Mitte Mai allen Grund zum Feiern. Über ein 1:2 gegen Karlsruhe spricht dann niemand mehr.
- Eigene Beobachtungen
- kicker.de: Rückrundentabelle 2. Bundesliga (Stand: 28. April 2025)
- theanalyst.com: "Merlin Magic: Rookie Merlin Polzin Close to Leading Hamburger SV Back to the Bundesliga"