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Hamburg: "Unter dem Radar" erzählt die Geschichten der Obdachlosen auf dem Kiez


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Buch über Leben im Abseits
"Es wird noch viel mehr Obdachlose in Hamburg geben"


09.10.2019Lesedauer: 3 Min.
Autorin Susanne Groth: Sie hat ein Buch über ihr Engagement für Obdachlose in Hamburg geschrieben.Vergrößern des Bildes
Autorin Susanne Groth: Sie hat ein Buch über ihr Engagement für Obdachlose in Hamburg geschrieben. (Quelle: Michael Althaus)

Hunderte Menschen leben in Hamburg auf der Straße. Susanne Groth kennt die Obdachlosen rund um die Reeperbahn und engagiert sich ehrenamtlich. Ihr Buch "Unter dem Radar" erzählt die Geschichten der Betroffenen. Die Recherchen forderten der Autorin einiges ab.

Susanne Groth kämpft immer wieder mit den Tränen, als sie von ihren Recherchen erzählt: Die 56-jährige Journalistin war in den vergangenen zwei Jahren auf der Reeperbahn in Hamburg unterwegs und hat mit Obdachlosen gesprochen. Nun sind die Interviews, Geschichten und Fotos, die sie zusammengetragen hat, in einem Buch erschienen. In "Unter dem Radar – Leben und Helfen im Abseits" erzählen Menschen wie Jürgen und Monika, was es heißt, ein Leben auf der Straße zu führen. Daneben werden soziale Einrichtungen vorgestellt und Sozialarbeiter, Einrichtungsleiter und sogar ein Polizist berichten von ihren Erfahrungen mit Obdachlosen.

Er machte vor dem Penny Platte

"Die Interviews habe ich alle direkt auf der Straße geführt", sagt Groth. Im Trubel auf dem Kiez und bei teilweise bis zu minus zehn Grad sei das nicht immer einfach gewesen. Hinzu komme, dass die Betroffenen nicht immer ansprechbar seien, wenn sie etwa Alkohol oder andere Drogen konsumiert hätten.

Besonders traurig ist Groth darüber, dass zwei ihrer Interviewpartner während der Recherchen starben. Mit Hacki hatte sie bereits mehrere Gespräche geführt. Der Mann mit den feuerroten Haaren machte immer vor dem Penny auf der Reeperbahn Platte. Zuvor hatte er im Knast gesessen, nachdem er mehrmals dieselbe Bank überfallen hatte. Doch er bekam sein Leben wieder in den Griff, arbeitete in einer Kneipe und fand eine Wohnung. "Er war immer fröhlich und hatte feuerrote Haare. Ein echtes Original", erzählt Groth. Im vergangenen Jahr wurde er tot in seinem Zuhause aufgefunden. "Seine Leiche wurde erst nach mehreren Wochen entdeckt. Da wurde mir klar, wie einsam er gewesen sein muss", so die Journalistin.

"Susi" ist im Kiez gut vernetzt

Auch Rudi starb im Sommer vergangenen Jahres, nachdem er gerade eine Wohnung gefunden hatte – vermutlich an den Folgen seiner Alkoholkrankheit. Zum geplanten Interview kam es nicht mehr. Seine Geschichte ist trotzdem im Buch – erzählt von einer Freundin und Kiez-Sherrif Thomas Tessmann, der ihn gut kannte.
Groth ist gut vernetzt in der Hamburger Obdachlosenszene. 2015 besuchte die Autorin zum ersten Mal das "CaFée mit Herz", eine soziale Einrichtung auf St. Pauli. Was sie sah, machte sie fassungslos: "Dass es hier in Deutschland Menschen gibt, die Hunger haben, fand ich schockierend". Groth begann, sich für Obdachlose zu engagieren und brachte 2016 einen ersten Bildband mit dem Titel "Abseits" heraus. Gemeinsam mit dem Fotografen Markus Connermann porträtierte sie darin 30 Besucher des "CaFée mit Herz".
Nach der Veröffentlichung erreichten sie zahlreiche Anfragen: Leser wollten wissen, wo sie helfen könnten, Kulturschaffende fragten sie für Lesungen und Ausstellungen an, Schulen wollten sie für Projekttage gewinnen, die Polizisten der Davidwache, die täglich mit den Obdachlosen zu tun haben, signalisierten Interesse an einer Zusammenarbeit. Groth wurde bewusst: "Es gibt zwar um die 40 Initiativen in Hamburg, die sich für Obdachlose engagieren, aber sie sind kaum bekannt". Sie hatte eine echte Lücke entdeckt. Daraufhin gründete Groth den Verein "Leben im Abseits", mit dessen Unterstützung sie auch das Buch geschrieben hat.

Mindestens zweimal in der Woche ist die Ehrenamtlerin heute auf St. Pauli unterwegs. Sie sucht den Kontakt zu den Obdachlosen, plaudert mit ihnen oder gibt ihnen eine kleine Spende. Angst hat sie nicht. "Ey, Susi, schön dass du da bist", ruft ihr manchmal einer zu. "Dann weiß ich auch wieder, wofür ich die ganze Arbeit mache."

Knapp 2.000 Obdachlose leben laut einer Erhebung der Stadt auf Hamburgs Straßen – doppelt so viele wie 2009. Susanne Groth schätzt, dass die Dunkelziffer noch viel höher ist.

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"Ich glaube, dass es in den nächsten Jahren noch sehr viel mehr Obdachlosigkeit geben wird, weil sich viele Menschen keine Wohnung mehr leisten können," sagt Groth. Die Arbeit für Groth und ihre Mitstreiter dürfte also in naher Zukunft nicht weniger werden. Ihr neues Buch stellt sie am Donnerstag, 10. Oktober, 19 Uhr im Ballsaal Süd im Millerntorstadion vor. Ein Exemplar kostet 17,90 Euro; die Hälfte des Erlöses fließt in einen Sozialfonds für Obdachlose.

Verwendete Quellen
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