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Hamburg

Autokorso gegen Benzinpreis: Wer demonstriert aus diesem Grund?


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Autokorso gegen hohe Spritpreise
Was sind das für Leute, die da demonstrieren?


Aktualisiert am 18.03.2022Lesedauer: 4 Min.
Viele aufgemotzte und große Autos im Korso: In der Demo fallen viele PS-Fans auf.Vergrößern des Bildes
Viele aufgemotzte und große Autos im Korso: In der Demo fallen viele PS-Fans auf. (Quelle: Jannis Große)

Weil ihnen das Benzin zu teuer ist, drehen sie mit getunten Wagen eine Extrarunde durch die Stadt. Hunderte Hamburger sehen darin keinen Widerspruch – sondern eine sinnvolle Protestform. t-online hat sich bei einem Autokorso gegen hohe Benzinpreise umgeschaut.

Hunderte Autos versammeln sich am Samstagabend im Gewerbegebiet Allermöhe in Hamburg. Treffpunkt ist eine Tankstelle: Dort werden die ankommenden Autos von Menschen in Warnwesten empfangen, sie zeigen einen QR-Code. Eine Hamburger Cruiser-Gruppe hat zum Autokorso geladen – einem Autokorso gegen hohe Spritpreise.

Unzählige Sportwagen und getunte Karren sind da. Die Fahrer finden sich in kleinen Gruppen zusammen und unterhalten sich über ihre Autos. Eine Gruppe baut eine Shisha auf, zwei mobile Musikboxen dröhnen von der Ladefläche eines großen Pick-ups. Für viele hier scheint das Auto mehr als nur ein Fortbewegungsmittel zu sein: Es wirkt wie ein fröhliches Treffen von jungen Autoposern und PS-Liebhabern – ein etwas skurriler Abend.

Tankstellen-Verkäufer wünscht viel Erfolg

Das Tanken wollen sie sich nicht vermiesen lassen: Ein Tankstellen-Verkäufer erzählt, dass sich hier durch die hohen Spritpreise noch wenig verändert habe. Die Kunden kommen bislang trotzdem. 2,24 Euro kostet ein Liter Super, Diesel 2,23 Euro. Der Tankstellen-Mann wünscht viel Erfolg beim Korso – denn wer weiß, ob noch höhere Preise nicht irgendwann doch den Spritkonsum merklich bremsen.

Durch den russischen Angriffskrieg und die Sanktionen gegen Russland ist der Ölpreis am Weltmarkt explodiert. In Russland lagern die siebtgrößten Ölreserven weltweit. 2021 importierte alleine Deutschland laut Statistischem Bundesamt Erdöl und Erdgas im Wert von 19,4 Milliarden Euro sowie Mineralöl- und Kokereierzeugnisse im Wert von 2,8 Milliarden Euro.

Auch Steuern machen einen großen Teil des Spritpreises aus. Die anfallenden Energiesteuern sind Festpreise: 65 Cent pro Liter bei Benzin und 47 Cent pro Liter bei Diesel. Dazu kommen noch CO2-Steuern von 8,4 Cent pro Liter bei Benzin und 9,5 Cent pro Liter bei Diesel sowie die üblichen 19 Prozent Mehrwertsteuer.

Veranstalter will nicht, dass Demonstrierende mit Presse reden

Was treibt die Leute an, sich hier in Hamburg dem Autokorso anzuschließen? Was erhoffen sie sich von ihrem Protest?

Mit der Presse reden will kaum jemand. Der Veranstalter habe darum gebeten, nicht mit Journalisten zu sprechen, heißt es entschuldigend von einer Gruppe. Der Veranstalter ist Tristan Thies, ein junger Mann, der in mehreren Cruiser-Gruppen aktiv ist und vor allem Auto-Bilder auf Instagram postet. Mit einem Sticker auf seinem Wagen präsentiert er sich als Unterstützer der Hamburger Hells Angels.

"Wir können nicht mal eben an den Strand fahren"

"Die Spritpreise gehen immer weiter in die Höhe", sagt Tristan Thies. "Alle, die heute hier sind, lassen sich das nicht mehr gefallen."

Sprit zu verfahren, weil der Sprit zu teuer ist: Thies findet das nicht widersprüchlich. Gerade jetzt sei es wichtig, an der Demo teilzunehmen, um etwas gegen die hohen Benzinpreise zu tun. "Ab einem gewissen Preisniveau können wir uns das gar nicht mehr leisten. Wir können nicht mehr zu Treffen fahren, wir können nicht mal eben an den Strand fahren", sagt Thies. "Und die meisten hier sind Durchschnittsverdiener. Was ist mit denen, die für Mindestlohn arbeiten?"

Die hohe Zahl der Menschen aus der Cruiser-Szene erklärt Thies damit, dass sie als Cruiser-Gruppe zu der Demo aufgerufen haben. "Wir sind eine sehr, sehr große Gemeinschaft, eine große Tuning-Community." Konkret geht es den Demonstrierenden darum, die Mehrwertsteuer für Sprit von 19 auf sieben Prozent zu senken. Man dürfe die hohen Benzinpreise nicht nur auf die Sanktionen gegen Russland schieben, findet Thies.

Nicht links, nicht rechts – wie politisch ist der Protest in Hamburg?

In diversen Gruppen von Corona-Autokorsos sowie bei der AfD wird ebenfalls gegen hohe Spritpreise gewettert und zu Aktionen aufgerufen. Die rechtsextreme "Harzrevolte" plant für Sonntagabend eine Demonstration für bezahlbares Benzin in Sachsen-Anhalt.

Tristan Thies will damit nichts zu tun haben. Sein Autokorso sei weder rechts noch links, es ginge nur um Sprit, beteuert er. "Sollte hier eine rechte Fahne geschwungen werden, sollte hier irgendwas Linksradikales kommen, werden diese Teilnehmer sofort ausgeschlossen."

Hamburger Autokorso: Rund 700 Wagen laut Veranstalter

Während der Versammlungsleiter noch Pressestatements abgibt, lassen junge Motorradfahrer wenige Meter weiter ihre Motoren aufheulen. Um kurz nach 22 Uhr rollt der Korso los. Mehr als 30 Kilometer geht es von Allermöhe über die Reeperbahn und die Elbchaussee bis nach Wedel im Hamburger Westen.

Rund 700 Autos seien gekommen, sagt Thies. Darunter lassen sich auch eine Lkw-Zugmaschine und drei Autos eines Handwerksbetriebs ausmachen. Alle fahren mit Warnblinklicht, aus einigen Autos dröhnt Musik.

Wenig Plakate mit Forderungen: Der Korso mutet fast wie ein Stau und nicht wie eine Demo an

Plakate und Banner mit Forderungen darauf sieht man selten. Ein Auto hat Deutschlandfahnen an den Fenstern befestigt. Auf einem Pappschild steht in hastig geschriebener Schrift: "Stoppt den Wahnsinn." Auf einem anderen Fahrzeug wird vor einem Versorgungskrieg gewarnt. Ein drittes Fahrzeug hat ein Schild in der Heckscheibe: "Wir sind das Volk und keine Melk-Kühe."

Wer die Durchsagen und Anzeigen der vorausfahrenden Polizeiautos nicht wahrnimmt, könnte zeitweise meinen, einfach nur einen langen Stau zu beobachten – so wenige Teilnehmende haben Botschaften an ihren Wagen angebracht.

Die Kolonne wälzt sich langsam durch Hamburgs Straßen. Erst in der Innenstadt wird es lebendiger. Einzelne Teilnehmende strecken ihre Oberkörper aus den Fenstern, die Demonstrierenden hupen. Immer wieder jaulen Motoren auf.

Feiervolk am Rand versteht den Sinn der Demo nicht

Auf der Reeperbahn müssen Polizisten die am Straßenrand feiernden Menschen davon abhalten, die Fahrbahn zu überqueren: Sie ist für den Autokorso gesperrt. Wirklich verstehen will das hier keiner. Immer wieder rennen einzelne zwischen den fahrenden Autos durch. Gegenüber der Davidwache bildet sich eine große Menschentraube. Ein junger Mann ruft laut und zusammenhanglos: "Die Mauer muss weg."

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Es ist ein skurriles Bild. Wenige Meter weiter zeigen Passanten noch weniger Verständnis: Mehrere Gruppen stürmen los und blockieren für eine kurze Zeit den Autokorso, um auf die andere Straßenseite zu kommen. Ein Mann, der wohl gegen den Widerstand der Polizisten über die Straße gerannt ist, wird von Beamten am Boden fixiert.

Auto für Auto kriecht der Korso weiter Richtung Westen. Mehr als eine halbe Stunde vergeht, bevor die Straße wieder freigegeben wird. Tristan Thies verspricht zum Schluss, dass es weitere Autokorsos geben wird, die noch größer werden – wenn sich an der Lage nichts ändert.

Verwendete Quellen
  • Beobachtungen vor Ort
  • Eigene Recherche
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