"4.200 Euro für ein Menschenleben?" Getötete Radfahrerin – Urteil gegen Lkw-Fahrer empört
Das Urteil nach dem tödlichen Fahrradunfall in der Hafencity löst Empörung aus. Der ADFC erhebt schwere Vorwürfe gegen Gericht und Behörden.
Der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) hat scharfe Kritik an dem Urteil des Amtsgerichts Hamburg geäußert, das gegen einen Lkw-Fahrer verhängt wurde. Er hatte im Januar 2023 eine 34-jährige Radfahrerin in der Hafencity tödlich erfasst, die ihren dreijährigen Sohn von der Kita abholen wollte. Der Fahrer wurde zu einer Geldstrafe von 4.200 Euro auf Bewährung verurteilt – eine Entscheidung, die bei Angehörigen und Fahrradaktivisten Empörung auslöst.
Laut Gericht war der Unfall eine Folge mehrerer Fehler des Fahrers. Dieser hatte beim Rechtsabbiegen in die Osakaallee nicht die vorgeschriebene Schrittgeschwindigkeit eingehalten und die Radfahrerin, die eine gelbe Warnweste trug, übersehen. Der Lkw war mit einem Abbiegeassistenten ausgestattet, doch dieser löste nicht aus, weil sich die Fahrradfahrerin zu dicht am Fahrzeug befand, ergab ein Test der Polizei. Dennoch: "Durch einen gezielten Blick, zum richtigen Zeitpunkt in den richtigen Spiegel, hätte die Kollision vermieden werden können", sagte eine Sachverständige laut der "Hamburger Morgenpost".
"Absolut vermeidbarer Unfall"
Das Gericht sah seine Schuld als erwiesen an, sprach aber zugleich von einer "Verkettung unglücklicher Umstände" und einer "Tragödie", weshalb es die "mildeste" Strafe verhängte, die möglich war. Die Angehörigen der getöteten Radfahrerin haben angekündigt, Rechtsmittel gegen das Urteil einzulegen.
"Dieser Unfall war keine Tragödie, sondern absolut vermeidbar", betonte Cajus Pruin vom Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC) in Hamburg. Der Lkw-Fahrer gab zu, mit rund 18 km/h abgebogen zu sein – weit über der zulässigen Geschwindigkeit von 5 bis 7 km/h. Für Pruin ein klarer Verstoß gegen die Sorgfaltspflichten im Straßenverkehr: "Wer es nicht schafft, mit Schrittgeschwindigkeit abzubiegen, ist ungeeignet, ein Fahrzeug dieser Größenordnung zu führen."
Kritik an Behörden und Infrastruktur
Der ADFC macht nicht nur den Fahrer, sondern auch die Behörden mitverantwortlich. Bereits vor dem Unfall hatte es Warnungen aus der Bevölkerung gegeben, dass die Kreuzung in der Hafencity besonders für Radfahrer gefährlich sei. Doch die Polizei habe diese Hinweise ignoriert, so Pruin: "Solange niemand ums Leben kommt, wiegelt die Polizei ab. Erst wenn es zu spät ist, zeigt man sich betroffen." Bis heute seien keine Maßnahmen zur Verbesserung der Verkehrssicherheit an der Unfallstelle umgesetzt worden, obwohl dies dringend erforderlich wäre.
Der ADFC fordert umfassende Maßnahmen, um Unfälle dieser Art zu verhindern. Dazu gehören baulich getrennte Verkehrswege, sicherere Kreuzungen und die konsequente Durchsetzung der Straßenverkehrs-Ordnung zugunsten schwächerer Verkehrsteilnehmer. Die derzeitige Streckenführung an der Magdeburger Brücke sei weder objektiv noch subjektiv sicher, kritisierte Pruin. Eng geführte Schutzstreifen und mangelnde bauliche Trennungen erhöhten das Risiko für Radfahrer erheblich.
Appell an die Politik
Der Fahrradclub sieht den Senat in der Pflicht, die Vision Zero – keine Toten und Schwerverletzten im Straßenverkehr – endlich ernst zu nehmen. Seit dem Unfall im Januar 2023 seien allein in Hamburg weitere 18 Radfahrer getötet worden. "Jeder Getötete ist einer zu viel", mahnte Pruin. Es müsse endlich gehandelt werden, um die Sicherheit im Straßenverkehr zu erhöhen.
- Pressemitteilung des ADFC Hamburg vom 22.11.2024
- mopo.de: "Es tut mir unendlich leid": Fataler Unfall – unter seinem Lkw starb eine Radfahrerin