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Oligarchen-Jachten in Hamburg: Warum kassiert der Staat sie nicht ein?


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Millionenteure Luxusschiffe
Warum der Staat die Oligarchen-Jachten nicht einkassiert


Aktualisiert am 09.04.2022Lesedauer: 4 Min.
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Schiffe der Superreichen: Der Westen hat Sanktionen gegen die russischen Oligarchen verhängt – einige Luxusschiffe wurden bereits beschlagnahmt. (Quelle: t-online)

Die Hunderte Millionen Euro teure Jacht "Dilbar" des russischen Oligarchen Alischer Usmanow liegt in einem Trockendock im Hamburger Hafen. Der Milliardär steht auf der EU-Sanktionsliste. Für deutsche Behörden ist der Zugriff allerdings kein leichtes Spiel.

Laut Bundesfinanzministerium gibt es im Hamburg derzeit mehrere Jachten, die mit Blick auf die Sanktionsverordnung geprüft werden. Wie t-online auf Anfrage erfuhr, ist eine davon auch "Gegenstand eines Ermittlungsverfahrens und unterliegt einem Auslaufverbot". Anzunehmen ist, dass es sich um die "Dilbar" von Alischer Usmanow handelt. Bestätigen kann das Ministerium dies aber nicht.

Der russische Oligarch Usmanow steht schon seit dem 28. Februar auf der Sanktionsliste der EU. Dass Usmanow der eigentliche Besitzer der "Dilbar" ist, gilt als gesichert: Eine Kontrollbehörde des Finanzministeriums der Vereinigten Staaten, das Office of Foreign Assets Control (OFAC), listet den Oligarchen auf seiner Sanktionsliste als Eigentümer der "Dilbar". Fraglich ist allerdings, ob dem Russen der Besitz der Luxusjacht derart direkt nachgewiesen werden kann, sodass auch konkrete rechtliche Schritte im Rahmen der europäischen Sanktionsverordnung erfolgen können.

Fachanwalt: Oligarchen können es den Ermittlern schwer machen

Dass der Zugriff auf Vermögenswerte sanktionierter Personen gar nicht so einfach ist, erklärt Christoph Schließmann, Fachanwalt für internationales Wirtschaftsrecht aus Frankfurt am Main. Schließmann nennt sich "der Yacht-Anwalt". Der Anwalt berät seine Kunden in rechtlichen, steuerlichen und wirtschaftlichen Fragen rund um "große Jachten".

"Sobald durch Verschachtelungen oder Treuhandorganschaften ein Oligarch nicht als zumindest wirtschaftlich Berechtigter ausgemacht werden kann, wird eine Beschlagnahmung kaum möglich sein", sagt Schließmann gegenüber t-online. "Letztlich muss die Eigentumsfrage der Jacht geklärt sein."

Bundesfinanzministerium hält sich zu Megajachten bedeckt

Und genau das ist auch der Knackpunkt, wenn es um die Luxusboote oder andere Vermögensobjekte der Oligarchen geht. Sie nutzen in vielen Fällen verschiedene Konstrukte oder Mittelsmänner, um die eigentlichen Eigentümer zu verschleiern.

Das Bundesfinanzministerium will sich nicht zu weiteren Details und den Eigentumsverhältnissen rund um die "Dilbar" äußern. "Details zu operativen Maßnahmen können nicht öffentlich gemacht werden", heißt es aus Berlin. Erst Anfang der Woche war klar geworden, dass eine andere Jacht, die "Solandge", nicht in Verbindung zu russischen Oligarchen steht und auslaufen darf.

Kann eine Jacht einer sanktionierten Person eindeutig zugeschrieben werden, darf diese erst mal nicht bewegt werden, sagt Anwalt Schließmann. "Wenn die Jacht beschlagnahmt worden ist, die nationalen Vollstreckungsbehörden die Jacht also arrestiert haben, wird sie die notwendige Ausfuhrerlassung kaum bekommen." Eine hochkomplexe Angelegenheit sei das, sagt der Branchenkenner.

Internationale Transparenzregister helfen den Behörden

Um die Eigentumsverhältnisse aufzuklären, greifen die Ermittler der deutschen Behörden unter anderem auf internationale Transparenzregister zurück, sagt Schließmann. Das Globale Forum für Transparenz und Informationsaustausch für Steuerzwecke ist bei der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) angesiedelt. Dem Forum gehören 163 Staaten an.

Das Register dient in erster Linie der Nachverfolgung von Steuerflucht und soll Klarheit in globale Firmengeflechte bringen. Allein in Deutschland sind zahlreiche Behörden an der Durchsetzung der Sanktionen beteiligt: Einer unlängst gegründeten Taskforce gehören neben den Ministerien für Finanzen, Wirtschaft, Justiz, Digitales und des Inneren auch das Auswärtige Amt, das BKA, der BND, der Verfassungsschutz, der Zoll sowie das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle an.

Experte: Werften werden unter Russland-Sanktionen leiden

Der Wirbel um die russischen Oligarchen dürfte auch für die Hersteller der "Gigajachten", wie Schließmann sie nennt, ernsthafte Konsequenzen haben. "Das ist ein extrem kleiner Markt und in der Vergangenheit meist von russischen Käufern geprägt", berichtet der Experte. "Es gibt nur eine Handvoll Werften, vor allem im Deutschland und Holland, die solche Jachten bauen können. Für die wird hier sicher ein Markt wegbrechen, der nicht so leicht kompensiert werden kann."

Die von der EU verhängten Sanktionen gegen die Oligarchen hätten zunächst einmal keinen "Einfluss auf die wirtschaftsrechtliche Beziehung zwischen Auftraggeber und Werft sowie den Pflichten aus Bau-, Reparatur- oder Instandsetzungsverträgen". Problematisch für die Werften seien vor allem "Folgeaufträge mit Jachten dieser Art, die nicht mehr kommen können".

Oligarchen-Jachten sind zu politischem Symbol geworden

Die Jachten der Oligarchen sind für Schließmann vor allem ein politisches Symbol: "Sie sind mit der Annahme verbunden, dass die gigantischen Kosten für den Bau und die Unterhaltung solch einer Jacht mit weniger rechtmäßig verdientem Geld finanziert werden." Die Jachten unterlägen grundsätzlich der Eigentumsgarantie in Artikel 14 des Grundgesetzes und können "nur aufgrund eines Gesetzes unter Beachtung von Verhältnismäßigkeit, Gleichheitsprinzip und Vertrauensschutz entzogen werden."

Auch wenn die russischen Oligarchen Präsident Putin zweifellos nahe stünden, stellt Schließmann klar: "Wir müssen die Sanktionen der EU gegen Russland aufgrund der kriegerischen Handlungen und der internationalen Rechtsverstöße von der Beschlagnahme der Jachten unterscheiden, die ja nichts direkt damit zu tun hat."

Usmanow-Jacht "Dilbar" ist derzeit nicht fahrtüchtig

Die "Dilbar", die mit 156 Metern sechstlängste Jacht der Welt, ist derzeit wohl gar nicht fahrtüchtig: Als letzte bekannte Position gibt die Schiffsdatenbank "Vesselfinder.com" das Trockendock Elbe 17 von Blohm+Voss an. Das Signal stammt vom 5. Januar 2022. Unter Umständen ein Grund dafür, warum die deutschen Behörden bislang gar nicht eingreifen mussten. Das Finanzministerium schreibt nämlich auch: "Das Auslaufverbot muss notfalls zwangsweise durchgesetzt werden."

Auf der EU-Liste wird Usmanow als "kremlfreundlicher Oligarch, der besonders enge Verbindungen zum russischen Präsidenten Wladimir Putin unterhält", beschrieben. Dem Oligarchen schreibt das US-Wirtschaftsmagazin "Forbes" ein Gesamtvermögen von rund 14 Milliarden US-Dollar zu. Er ist im Bergbau und in der Metallindustrie tätig. Laut EU gehöre er zu Putins Lieblings-Oligarchen. "Berichten zufolge hat Usmanow als Strohmann für Präsident Putin gedient und seine geschäftlichen Probleme gelöst", heißt es in der Sanktionsverordnung.

Verwendete Quellen
  • Gespräch mit Christoph Schließmann
  • Anfrage beim Bundesministerium der Finanzen
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