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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Gehört Usmanow-Schwester Oligarchen-Jacht "Dilbar" offiziell festgesetzt
Wem gehört die Jacht "Dilbar"? Diese Frage beschäftigte die Behörden nun mehrere Wochen. Ermittlungen führten zur Schwester eines russischen Oligarchen. Nun wurde das Schiff festgesetzt.
Nach umfangreichen Ermittlungen zu den Eigentumsverhältnissen der Jacht "Dilbar" im Hamburger Hafen wurde das Schiff jetzt "rechtssicher festgesetzt". Das teilte das Bundeskriminalamt am Mittwoch mit.
Die bei der Hamburger Werft Blohm+Voss liegende Megajacht "Dilbar" soll der Schwester des russischen Oligarchen Alischer Usmanow gehören. Wie die "Süddeutsche Zeitung" berichtet hatte, ist Gulbahor Ismailowa die offizielle Eigentümerin der 156 Meter langen Luxusjacht. Das ist nun bestätigt. Ismailowa steht seit dem 8. April auf der Sanktionsliste der Europäischen Union, ebenso ihre Schwester Saodat Narziewa.
Wie t-online berichtet hatte, ist der Zugriff auf Vermögensgegenstände russischer Oligarchen für deutsche Behörden kein leichtes Spiel. Das Eigentum muss zweifelsfrei nachgewiesen werden. Die einflussreichen Milliardäre nutzen Firmengeflechte oder Mittelsmänner, um die Eigentumsverhältnisse zu verschleiern und die Sanktionen zu umgehen.
Usmanow gilt als einer der einflussreichsten Oligarchen
Eine Kontrollbehörde des Finanzministeriums der Vereinigten Staaten, das Office of Foreign Assets Control (OFAC), listet Usmanow selbst auf seiner Sanktionsliste als Eigentümer der "Dilbar". In der EU-Sanktionsliste vom 8. April heißt es: "Ermittlungen des deutschen Bundeskriminalamts haben ergeben, dass Alisher Usmanow indirekt Vermögenswerte an seine Schwester Gulbahor Ismailowa übertragen hat."
Usmanow ist im Bergbau und in der Metallindustrie tätig, soll ein Vermögen von 14 Milliarden US-Dollar haben und gilt als enger Vertrauter des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Laut EU unterstütze er "die Politik der russischen Regierung zur Destabilisierung der Ukraine" aktiv. Das Bundesfinanzministerium wollte sich bislang nicht zu den Eigentumsverhältnissen rund um die "Dilbar" äußern.
BKA-Ermittler haben "Dilbar"-Werft einen Besuch abgestattet
Wie die "Süddeutsche Zeitung" berichtete, haben Ermittler des Bundeskriminalamtes (BKA) und der Steuerfahndung in Nordrhein-Westfalen Ismailowa als "Dilbar"-Eigentümerin ausfindig gemacht. Demnach statteten Ermittler der "Ermittlungsgruppe Ukraine" Mitte März der Lürssen-Werft einen Besuch ab. Sie wollten die Unterlagen zur "Dilbar" sehen, die 2016 bei Lürssen in Bremen gebaut worden war.
Die Ermittler seien bei ihrem Besuch vor allem daran interessiert gewesen, wer jetzt der Vertragspartner für die Wartung und Überholung des Schiffes sei. Die Werft habe einen 65-seitigen Wartungsvertrag übergeben, der "detailliert über Preise und Inhalt der Überholung Auskunft gibt", schrieb die "Süddeutsche Zeitung". Lürssen hatte die Hamburger Werft Blohm+Voss im November 2016 übernommen.
Eigentum wird durch globales Firmengeflecht verschleiert
Demnach habe die Lürssen-Werft einen Vertrag mit einem Unternehmen namens Navis Marine Ltd. auf den Cayman Islands. Dieses Unternehmen sei Eigentümer der "Dilbar" und gehöre wiederum einer Holding mit Sitz auf Zypern, deren Aktien vollständig von einer schweizerischen Firma gehalten werden – im treuhänderischen Auftrag für ein in London gemeldetes Konstrukt mit dem Namen "The Sisters Trust". Wirtschaftlich Berechtigte sei dort Gulbahor Ismailowa, die Schwester des Oligarchen Usmanow.
"Sobald durch Verschachtelungen oder Treuhandorganschaften ein Oligarch nicht als zumindest wirtschaftlich Berechtigter ausgemacht werden kann, wird eine Beschlagnahmung kaum möglich sein", sagte der Anwalt und Jachtenexperte Christoph Schließmann t-online. Dieses Konstrukt scheinen die deutschen Ermittler nun durchleuchtet zu haben.
Usmanow-Schwester soll teilweise über mehr als zwei Dutzend Konten verfügt haben
Das BKA habe laut "Süddeutscher Zeitung" das Außenministerium gebeten, die Listung der beiden Usmanow-Schwestern so schnell wie möglich voranzutreiben, um etwa die "Dilbar" rechtssicher einfrieren zu können. Auch Saodat Narziewa war bereits in Enthüllungsskandale wie die "Suisse Papers" verstrickt und soll wirtschaftlich Berechtigte von bis zu 27 Konten bei der Schweizer Großbank Credit Suisse mit Guthaben in Milliardenhöhe gewesen sein.
Sobald ein Vermögensgegenstand, in diesem Fall die Jacht "Dilbar", einer sanktionierten Person direkt zugeschrieben werden kann, gilt er mit Inkrafttreten der Sanktionsverordnung als eingefroren. "Die Sanktionsverordnung stellt unmittelbar geltendes Recht dar", erklärt das Bundesfinanzministerium (BMF) t-online.
Ministerien, BKA und Zoll: Viele deutsche Behörden jagen Oligarchen hinterher
Die Bundesrepublik betriebt erheblichen Aufwand, um die Eigentumsstrukturen sanktionierter Oligarchen zu durchleuchten. Einer unlängst gegründeten Taskforce gehören neben den Ministerien für Finanzen, Wirtschaft, Justiz, Digitales und des Inneren auch das Auswärtige Amt, das BKA, der BND, der Verfassungsschutz, der Zoll sowie das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle an.
Eingefrorene finanzielle Vermögenswerte, so das BMF, unterliegen einem Verfügungsverbot und dürfen nicht "für den Erwerb von Geldern, Waren oder Dienstleistungen verwendet werden". Handelt es sich wie bei einer Jacht um eine Sache, darf diese nicht mehr "veräußert, vermietet oder anderweitig als Einkommensquelle genutzt werden". Eine private Nutzung sei weiterhin zulässig, da die Vermögensgegenstände zwar eingefroren, aber nicht beschlagnahmt sind.
Megajacht "Dilbar" wird wohl noch länger in Hamburg liegen
Eine Beschlagnahmung kann nur unter besonderen Voraussetzungen erfolgen. Es müssen laut BMF "konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass Sanktionsverstöße begangen werden könnten". Das ist bei der Megajacht "Dilbar" derzeit nicht zu befürchten: Sie liegt im Trockendock der Hamburger Werft Blohm+Voss.
Für die Werft hat das Einfrieren der Jacht erhebliche Folgen. Das BMF teilt allgemein mit, dass zur Einhaltung der Sanktionsvorschriften Unternehmen und Personen verpflichtet seien, die in geschäftlichem Verkehr mit sanktionierten Unternehmen oder Personen stehen. Übersetzt heißt das: Die Werft, in diesem Fall Blohm+Voss beziehungsweise Lürssen, ist mitverantwortlich dafür, dass die Sanktionen nicht umgangen werden.
Ein Sprecher von Blohm+Voss sagte auf Anfrage, dass man "selbstverständlich" keine Arbeiten an Jachten sanktionierter Personen durchführe. Zudem arbeite man eng mit den Behörden zusammen und befolge sämtliche Sanktionsregularien.
Ein Szenario, in dem die "Dilbar" zu privaten Zwecken die Werft verlässt, ist also vollkommen unrealistisch. Hinzu kommt, dass, selbst wenn die "Dilbar" fahrbereit wäre, sie immer noch einem Auslaufverbot unterliegt. Damit soll verhindert werden, dass das Schiff aus dem Geltungsbereich der EU-Sanktionen gebracht wird. "Das könnte einen Sanktionsbruch darstellen", erklärt das BMF.
Eine "öffentlichkeitswirksame Arretierung der Jacht" solle es laut "Süddeutscher Zeitung" nicht geben. Denn sollte der Staat die "Dilbar" einziehen, müsse er auch für die Liege- und Unterhaltskosten in Hamburg aufkommen, so die Zeitung weiter. Die Rede sei von einem fünfstelligen Betrag pro Tag. Nun müsse die Werft die Liege- und Unterhaltskosten für die sechstgrößte Jacht der Welt selbst tragen.
- "Süddeutsche Zeitung": "Die Schwester des Oligarchen"
- Anfrage beim Bundesfinanzministerium
- Anfrage bei Blohm+Voss
- Anfrage bei Anwalt Christoph Schließmann
- EU-Sanktionsliste vom 8. April 2022 (PDF)
- Anfrage an das Bundeskriminalamt
- Bundeskriminalamt bei Twitter