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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Tag der Arbeit in Hamburg Überwiegend ruhige Demos am 1. Mai – mit einer Ausnahme
Zum "Kampftag der Arbeiterklasse" fanden mehrere große Demonstrationen in Hamburg statt. Neben verschiedenen inhaltlichen Schwerpunkten wurde dabei immer wieder auch der russische Angriffskrieg thematisiert.
Mehr als 6.500 Menschen demonstrierten laut Polizei am Sonntagvormittag für Frieden, Gerechtigkeit und sozialen Zusammenhalt in Hamburg. Unter dem Motto "GeMAInsam Zukunft gestalten" hatte der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) insgesamt drei Demonstrationszüge angemeldet.
Zahlreichen Gewerkschaften waren vor Ort, so etwa ver.di, IG Metall, IG BCE und die Gewerkschaft der Polizei. Auch sozialistische Gruppen wie die Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend (SDAJ) oder die Falken nahmen teil. Ebenso linksradikale Kleinparteien wie die Marxistisch-Leninistische Partei Deutschland (MLPD) oder die Deutsche Kommunistische Partei (DKP).
Daneben gab es bei der Demo Vertreter der SPD, der Linkspartei, der Grünen und verschiedener kurdischer Gruppen.
Demonstrationen auch im Zeichen des Ukraine-Kriegs
Der 1. Mai stand in diesem Jahr auch im Zeichen des Krieges. Zahlreiche Plakate für Frieden und Abrüstung prägten die Demo. Gemeint war dabei aber nicht nur der Krieg in der Ukraine, auch die Angriffe der Türkei auf die kurdischen Gebiete in Nordsyrien und dem Nordirak wurden von den Demonstranten verurteilt.
Klassische Gewerkschaftsthemen wie die Forderung nach mehr Lohn, Mindestlohn für Azubis oder mehr Gelder für Gesundheit, Bildung und Soziales waren wichtige Themen der Demo. Ein Redner der SDAJ erklärte, dass der Kapitalismus keine Zukunftsperspektive biete.
Mit "100 Milliarden in Bildung und Gesundheit statt in die Bundeswehr", schloss er seine Rede. Der Jugendblock skandierte: "Jugend, Zukunft, Sozialismus". In einem anderen Block riefen die Demonstrantinnen und Demonstranten: "Ausbildungsplätze statt Kriegseinsätze".
Mehrere Hundertschaften bei "Hafencity entern"-Demo
Gegen 13 Uhr startete die Demo des Bündnis "Wer hat, der gibt", die unter dem Motto "Hafencity entern" von der Elbphilharmonie bis zur Warburg-Bank am Jungfernstieg zog. Die mehr als 2.000 Demonstrierenden setzten sich für Umverteilung und eine soziale, ökologische und bedürfnisorientierte Gesellschaft ein.
Bereits in der Vergangenheit organisierte das Umverteilungsbündnis "Wer hat, der gibt" Demonstrationen durch die wohlhabenden Viertel in Hamburg-Rotherbaum, Harvestehude und Blankenese.
Mehrere Einsatzhundertschaften begleiteten die Demo. Neun thematische Blöcke gab es bei der Demonstration, darunter ein barrierefreier Block, ein Enteignungsblock, ein Block des Gängeviertels und ein satirischer Block der "Bonzen".
Großer Antifa-Block begleitet Demonstration
"Wir können uns die Reichen nicht mehr leisten", sagte eine Rednerin von "Wer hat, der gibt". "Wir können es uns nicht mehr leisten, Milliarden in Prestigeprojekte wie die Elbphilharmonie zu pumpen", so die Rednerin weiter. Durch steigende Energiepreise und Inflation würde Wohnen und Heizen zum Luxus werden, erzählt sie.
"Wir sagen: Wer hat, der gibt." Die Kampagne "Hamburg enteignet", die mit einem eigenen Block vertreten ist, fordert ganz konkret, alle Unternehmen zu enteignen, die mehr als 500 Wohnungen besitzen.
Im hinteren Teil der Demo lief ein großer Antifa-Block mit mehreren hundert schwarz gekleideten Aktivisten. Am Sandtorkai zündeten sie mehrere Rauchtöpfe. Kurz vor Ende forderte die Polizei den Block am Jungfernstieg auf, die Vermummung abzulegen, weil nur OP- und FFP2-Masken seit dem Ende der Maskenpflicht erlaubt sind.
Revolutionärer 1. Mai demonstriert am Berliner Tor
Auch am Berliner Tor zeigte sich die Hamburger Polizei zur Revolutionären 1.-Mai-Demo mit einer großen Zahl an Einsatzkräften. Unter dem Motto "Kapitalismus ist Pandemie, Krieg und Krise" demonstrierten hier zahlreiche kommunistische Gruppen.
Mit roten OP-Masken und roten Fahnen stellte sich die Demo in 6er-Reihen auf. Rund 2.000 Menschen beteiligten sich bereits zu Beginn an der Demo. Die Polizei sprach von 1.500 Teilnehmern.
Auch der Acht-Stunden-Tag, für den Arbeiter schon vor 136 Jahren auf die Straße gegangen sind, war hier Thema. In einem Aufruf hieß es dazu: "Die Bundesregierung arbeitet daran, den 8-Stunden-Tag durch Flexibilisierungen quasi abzuschaffen. Dies zeigt, die vergangenen Siege im System werden uns wieder streitig gemacht."
Aufgeteilt in drei Blöcke zog die Demo durch Barmbek, die Demonstranten riefen: "Klasse gegen Klasse! Krieg dem Krieg! Kampf dem Kapital, bis der Frieden siegt."
"Anarchismus in die Offensive"
Während die Revolutionäre 1.-Mai-Demo noch unterwegs war, startete außerhalb der klassischen Demorouten die Demonstration des anarchistischen Bündnisses "Schwarz-Roter 1. Mai" an der S-Bahn-Station in Wilhelmsburg. Das Motto der Demo: "Verboten gut: Anarchismus in die Offensive".
Auch bei den Anarchisten und der revolutionären Demo ist der russische Angriffskrieg ein Thema. "Wir sind nicht auf der Seite des ukrainischen Staates", erklärte ein Aktivist in einer Rede in Wilhelmsburg. "Wir sind immer auf der Seite der Bevölkerung, wir begrüßen einen Widerstand von unten."
Beide Demos kritisierten das 100-Milliarden-Paket für die Bundeswehr und die fehlende Aufmerksamkeit auf die türkischen Angriffe auf kurdische Gebiete.
Aktivisten verdecken sich mit Regenschirmen
Rund 850 Menschen sind laut Angaben der Polizei nach Wilhelmsburg gekommen, die Veranstalter sprechen von über 1.000. Mit einem großen Schwarzen Block zog die Demo der Anarchisten los, Regenschirme verdeckten die Sicht in den Block.
In großen Buchstaben steht "Riots work! You shouldn't" auf einem Seitentransparent. Nach wenigen hundert Metern zündete der vordere Block zahlreiche Bengalos, sodass die Polizei die Demo stoppte.
Die Aktivisten in Wilhelmsburg mussten die Regenschirme einpacken, die Banner niedriger halten und Schlauchschals ablegen, dann durften sie weiterlaufen. Die Route führte durch den nordöstlichen Teil des Stadtteils.
Während die Polizei den vorderen Block nahezu dauerhaft filmt, antwortet dieser mit Sprüchen gegen die Polizei. So rufen die Demonstranten immer wieder: "Erster Mai, Straße frei, nieder mit der Polizei".
Demo findet zum ersten Mal seit 2019 statt
Die Antiautoritäre 1.-Mai-Demo des Bündnisses fand zum ersten Mal 2019 statt. Damals zogen rund 500 Menschen durch Hamburg-Harburg und zündeten Rauchtöpfe und Bengalos. "Wir wollen ein bisschen raus aus den Szenekiezen und dahin, wo die Menschen wohnen, mit denen wir Politik machen wollen", erklärte Kim B. vom "Schwarz-roten 1. Mai"- Bündnis in einem Interview beim Freien Sender Kombinat (FSK).
2019 hatte die Polizei die Demonstration deutlich falsch eingeschätzt und war zunächst nur mit wenigen Streifenwagen vor Ort. 2021 wurde die Demo des Bündnisses verboten, eine Spontan-Demo von mehreren hundert Anarchisten von der Polizei gestoppt.
Kurz vor dem Endpunkt an der S-Bahn-Station Veddel zündeten Teilnehmer am Sonntag erneut Pyrotechnik. Die Polizei stoppte die Demo, woraufhin mindestens eine Flasche flog. Anschließend nahm die Polizei zwei Personen fest. Keine 50 Meter weiter griff die Polizei die Demo in einer Unterführung an.
Übertriebene Polizeigewalt?
Im Rahmen der gewaltsamen Auseinandersetzung kam es mehrfach zu Angriffen der Beamten mit Schlagstöcken – vereinzelt auch mit gezielten Hieben auf die Köpfe der Demonstrierenden. Außerdem wurde Pfefferspray in Richtung der Menge eingesetzt.
Ziel sei es gewesen, zwei Tatverdächtige im Zusammenhang mit Straftaten festzunehmen, erklärt die Polizei später dazu. Das Bündnis "Schwarz-Roter 1. Mai" berichtet auf Twitter in der Nacht, dass mehrere Menschen zur Behandlung ins Krankenhaus mussten.
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Feste feiern, wie sie fallen
Aber nicht nur Demonstrationen gehören zum 1. Mai. Bereits am Freitagabend veranstaltete das Bündnis "Wer hat, der gibt" ein Fest mit Musik, Infoständen und Redebeiträgen. Mehrere hundert Menschen versammelten sich zu den "Symphonien der Umverteilung" auf dem Schulterblatt vor der Roten Flora.
- Über 30 Jahre besetzt: Die Geschichte der Roten Flora
Am Samstagabend veranstalteten die Organisatoren der Revolutionären 1.-Mai-Demo an der S-Bahn Sternschanze das sogenannte Klassenfest, ein Hiphop-Open-Air-Konzert "gegen Staat und Kapital". Neben Musik gab es auch hier inhaltliche Redebeiträge.
Verschiedene Rapper und Rapperinnen sorgten im Anschluss für die Musik zum Klassenkampf. Der Bass dröhnte über den Platz, auf dem rund 650 Menschen feierten, tanzten und mitrappten. Zwischen den Liedern stimmten die Musiker immer wieder Sprechchöre gegen Kapitalismus und Polizei an. Feiernde zündeten Rauchtöpfe und Bengalos in der Menge.
Die Polizei hielt sich zurück. Sie sperrte lediglich die Straße und beobachte die Lage vom Bahnsteig der S-Bahn aus.
Polizei zieht positive Bilanz zum 1. Mai
Am Sonntagabend zog die Polizei überwiegend positive Bilanz. "Drei Aufzüge haben wir mit einem größeren Kräfteansatz begleitet, um Krawallmachern keinen Raum zu geben", heißt es in einer Pressemitteilung.
Diese Taktik sei insbesondere in Wilhelmsburg aufgegangen. Über 1.200 Einsatzkräfte waren nach Angaben der Polizei am 1. Mai im Einsatz.
- Pressemitteilung des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB)
- Radio FSK: Interview mit Bündis "Schwarz-Roter 1. Mai"
- Polizei Hamburg: Pressemitteilung vom 01.05.2022