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Hamburg

Hamburger Verein vernetzt Senioren und macht sie fit für die digitale Welt


Soziales Projekt in Hamburg
"Senioren von der Digitalisierung auszuschließen, ist sträflich"


17.12.2022Lesedauer: 3 Min.
Dagmar Hirche ist Gründungsmitglied des Vereins "Wege aus der Einsamkeit": Der Schwerpunkt des Hamburger Vereins liegt in der digitalen Bildung von Senioren.Vergrößern des Bildes
Dagmar Hirche ist Gründungsmitglied von "Wege aus der Einsamkeit": Der Schwerpunkt des Hamburger Vereins liegt auf der digitalen Bildung von Senioren. (Quelle: Milad J. Panah)
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Ein Hamburger Verein wollte das Image von Senioren modernisieren. Jetzt vernetzt er Ältere in ganz Deutschland mit einem digitalen Stammtisch.

"Das Alter in Deutschland ist viel zu negativ besetzt", ärgert sich Dagmar Hirche. Modern, aktiv und lebenslustig sei die Generation, der über die Digitalisierung gesagt werde: Das müsst ihr nicht mehr lernen. "Ein großer Fehler", sagt Hirche, die den Hamburger Verein "Wege aus der Einsamkeit" mitgegründet hat und seit 15 Jahren dessen Gesicht ist. Die Initiative vernetzt mittlerweile Senioren deutschlandweit – rund um die Uhr und im digitalen Raum.

Die Idee kam den Geschäftspartnern einer Hamburger Unternehmensberatung, weil sie sich ihrer privilegierten Lage bewusst waren, sagt Hirche zu t-online. "Wir wollten der Gesellschaft etwas Gutes tun. Senioren sind eine Gruppe, die viel zu oft über den Kamm 60 Plus geschoren wird – dabei liegen dieser Gruppe noch Lebensjahrzehnte vor sich." Das Bild der Älteren stecke in der Vergangenheit fest. "Wir sind nicht mehr die Kittel-und-Dutt-Generation, sondern voll im Leben", sagt die 65-Jährige.

Hamburger Verein macht Senioren fit für Smartphones und Social Media

Der demografische Wandel schien den acht Gründungsmitgliedern im Jahr 2007 das drängendste Problem zu sein, und die Unternehmensberater wussten um die Wichtigkeit von guter Öffentlichkeitsarbeit. Dennoch floppte die erste Aktion: Ein Adventsessen für Senioren musste abgesagt werden, weil keiner kommen wollte. "Wir hatten keinen persönlichen Draht zu den Menschen, waren für sie Fremde. Das hatten wir nicht ausreichend bedacht", gibt Hirche zu.

Also begann der Verein, ein Netzwerk aufzubauen, und verteilte bundesweit Preisgelder an Organisationen, die schon in der Seniorenarbeit aktiv waren. Ein gemeinsamer Besuch im Tierpark Hagenbeck lockte dann erste Interessierte an, man lernte sich kennen. "Alle unsere Angebote sind kostenlos. Bei Veranstaltungen übernehmen wir Eintrittsgelder und stellen Verpflegung", erzählt Hirche. "Niemand darf aus finanziellen Gründen ausgeschlossen werden, und Altersarmut führt oft zu Isolation."

Erster Workshop stößt auf riesiges Interesse

Über die Jahre wurden es immer mehr Veranstaltungen und das Angebot sprach sich herum. "Irgendwann wollten wir mehr machen. Die Digitalisierung war da schon voll da, die Alten wurden dabei aber vergessen", erinnert sich Hirche. Der Verein begann, Workshops zu planen und Senioren an mobile Endgeräte wie Smartphones und Tablets heranzuführen. Niemand sollte belehrt werden, auch auf englische Begriffe wurde weitestgehend verzichtet. Auf eine kleine Meldung in einer Lokalzeitung hin kamen in wenigen Tagen mehr als 700 Anrufe. "Wir waren überwältigt und überzeugt: Senioren von der Digitalisierung auszuschließen, ist sträflich."

Mehrmals in der Woche fanden sich in Stadtteilzentren Menschen unter dem Motto "Wir versilbern das Netz" zusammen – eine Anspielung auf "Silver Surfer", wie Internetnutzer (mit silbernem Haar) im fortgeschrittenen Alter genannt werden. "Das Ganze wurde dann recht schnell politisch. Ich habe an Diskussionsrunden teilgenommen und Forderungen an Verantwortliche gestellt." Dagmar Hirche trat sogar bei einer TEDx-Veranstaltung in München auf.

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Doch die Corona-Pandemie machte die Präsenz-Workshops unmöglich, gleichzeitig waren digitale Zugänge für Senioren wichtiger denn je. "Wir haben noch im März 2020 ein Erklärvideo über Zoom produziert und eine Hotline geschaltet." Was dann passierte, erreichte schnell ein "unvorstellbares Ausmaß", sagt Hirche. "Gefühlt war ich nur noch am Telefon und hab den Leuten Zoom erklärt, bis ich sie durch die Kamera gesehen habe."

860 kostenlose Online-Veranstaltungen seit Pandemiebeginn

Jeden Tag bot der Verein auf Zoom ein Programm an: Yoga, Theater, Gesellschaftsspiele, Kochkurse. "Wir haben mittlerweile 860 Online-Veranstaltungen mit insgesamt 24.000 Teilnehmenden durchgeführt", sagt sie. Inzwischen hat sich die Community selbstständig gemacht: Der Zoom-Raum sei rund um die Uhr geöffnet, auch spät in der Nacht werde sich dort zu allen Themen des Lebens ausgetauscht. "Nach der Anmeldung geben wir ein Passwort raus und dann machen die Leute den Rest von alleine." Sogar ein Auswanderer, der in Australien lebt, schalte sich sonntags zum Stadt-Land-Fluss-Spielen dazu. Bis zu 400 Leute seien regelmäßig aktiv.

Rund 20 Ehrenamtliche unterstützen den Verein, der im nächsten Jahr sein zweites Buch auf den Markt bringt: ein niedrigschwelliges "Erklärbuch" zu den wichtigsten Begriffen der digitalen Welt. Das "Mutmachbuch" mit dem Motto "Wir versilbern das Netz" ist schon seit 2019 auf dem Markt.

Nur eine Sache würde Hirche, die Ende des Jahres selbst in den Ruhestand geht, noch einmal anders machen: Einen positiveren Namen für ihren Verein wählen. "Wir hatten damals ja noch keine Ahnung", sagt sie lachend. "Aber jetzt kennt man uns so, und das ist das Wichtigste." "Altersfreuden" würde sie das Projekt heute nennen. So nennt sich der Verein, ganz mit der Zeit gegangen, auf Twitter und Instagram.

Hintergrund zum Beitrag

Die Ehrenamtskampagne "Helping Hands" zeichnet soziale Projekte in Hamburg aus. Sie wird von der Ströer-Gruppe initiiert, zu der auch das Nachrichtenportal t-online gehört. Schirmherrin ist die Präsidentin der Hamburgischen Bürgerschaft, Carola Veit.

Verwendete Quellen
  • Persönliches Treffen mit Dagmar Hirche
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