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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Kampf gegen Fußgängerzone Waitzstraße: Letzte Rettung Poller
Händler versuchen in der Waitzstraße in Hamburg-Othmarschen eine Fußgängerzone zu verhindern – sie fürchten um ihre Existenz.
Dreizehn neue Poller und ein paar Parkbügel für E-Bikes: Sie sind die letzte Hoffnung für Arne Ehlers. Er betreibt an der Waitzstraße in Hamburg-Othmarschen das Papierhaus J. Harder. Die Poller und die Bügel sollen auch sein Geschäft schützen. Immer wieder sind in den vergangenen Jahren Autofahrer in Fensterscheiben örtlicher Händler und Lokale gefahren. Offiziell gezählt wurden 25 Unfälle. Inoffiziell dürften es weit mehr sein.
Bei einem Ortstermin im Januar dieses Jahres fanden sich viele angefahrene Betonklötze, Fahrradbügel und Straßenschilder. Die dürften von Autos beschädigt worden sein, deren Crash nicht mitgezählt wurde. Wie hoch der Schaden insgesamt ist, hat niemand gezählt. Doch für Fußgänger. Kunden und Geschäftsleuten könnte die Waitzstraße gefährlich werden.
Immer wieder Unfälle in der Waitzstraße – am Steuer: Rentner
Meist sind es Rentner, die beim Rangieren mit ihren Autos in den Fensterscheiben landen. Die Unfälle der Senioren hat die Waitzstraße in ganz Hamburg bekannt gemacht.
Das Thema ist ein Dauerbrenner im Bezirk und höchst sensibel. Auf Einwohnerversammlungen wird emotional diskutiert. Die Parteien in der Bezirksversammlung Altona streiten erbittert. Erst im Mai haben Linke und Grüne in der Bezirksversammlung Tempo zehn für die Autos auf der Waitzstraße durchgesetzt, statt bislang Tempo 20. Alle anderen Parteien waren dagegen.
Altonas Bezirksamtschefin Stefanie von Berg (Grüne) spricht regelmäßig mit den Händlern. Sie kann sich einen Shuttlebus vorstellen, der die Senioren zu den Arztpraxen bringt und wieder abholt. Auch eine Sperrung der Straße für den normalen Durchgangsverkehr ist immer wieder Gespräch. Dann dürfen nur noch Busse, Taxen und eventuell Shuttle durch Othmarschens Nobeleinkaufszone fahren.
Warum die Rentner die Unfälle bauen, ist nicht klar
"Das wäre unser Ruin", glaubt Ehlers, der sich als Sprecher der Interessensgemeinschaft (IG) Waitzstraße engagiert. Wenn die Kunden nicht mehr vor den Geschäften und Arztpraxen parken dürfen, blieben sie weg. Gerade ältere Kunden seien schlecht zu Fuß, deshalb auf die Parkplätze vor den Geschäften angewiesen. Ehlers ist überzeugt: "Wir kleinen Leute können auf keinen einzigen Kunden verzichten".
Warum dort so viele Autos von Rentnern in Schaufenstern landen, kann er nur vermuten: Experten halten die vielen Schrägparkplätze vor den Geschäften für ein Problem. Ein Teil davon soll jetzt "begradigt" werden. Ehlers macht eher "Individuelles Versagen" und "die moderne Technik" dafür verantwortlich.
Rentner würden gerne Autos mit Automatikgetriebe fahren, bei denen sie schnell mal die Pedale verwechselten. Auch das Bedienen der Schaltknüppel bei der Automatik sei gewöhnungsbedürftig. Ehlers: "Ein falscher Griff und das Auto fährt vorwärts, statt rückwärts" – also auch mal in die Läden der Händler.
"Das ist aber ein Problem der Autohersteller, nicht der Geschäftsleute in Othmarschen", sagt Ehlers. "An der Straße an sich liegt es jedenfalls nicht." Die sei nicht gefährlich. Davon ist er überzeugt.
Poller sollen Verkehrsberuhigung der Waitzstraße verhindern
Ehlers und die anderen Händler setzen große Hoffnung in die neuen Poller. Es könnte ihre letzte Chance sein, die Verkehrsberuhigung der Waitzstraße zu verhindern.
Dafür greift der Bezirk seit Jahren tief in die Taschen, hat seit 2018 mehr als drei Millionen Euro in diverse Umbaumaßnahmen investiert. Auch in 63 Poller und Betonklötze, die jetzt schon an der Waitzstraße stehen und vor ein paar Jahren rund 135.000 Euro gekostet haben. Viel gebracht haben sie nicht.
Ehlers sagt, das liege daran, dass diese Poller nicht tief genug im Boden verankert seien, um Autos wirklich abzuhalten. Andere Händler der Straße kritisieren, die Poller stünden nicht dicht genug nebeneinander.
Mit den neuen Pollern soll nun alles besser werden. Auch sie werden vom Bezirk bezahlt, sind Teil eines neuen Maßnahmepakets, welches vereinbart wurde. Die neuen Poller sollen die alten Poller ergänzen, besonders fest im Boden verankert werden und speziell vor Unfallschwerpunkte wie die örtliche Sparkasse oder das Restaurant Newport stehen.
Genau dort sind zuletzt Autos verunglückt. Mit den Pollern und den Fahrradbügeln vor den Geschäften soll damit jetzt endlich Schluss sein, hofft Ehlers: "Wir tun, was wir können". Wenn nicht, wird die Fußgängerzone wohl doch kommen.
- Telefonat mit Arne Ehlers, IG Waitzstraße
- abendblatt.de: "Wieder Waitzstraße - Senior fährt mit SUV in Außengastronomie"
- Telefonat mit Pressestelle des Bezirks Altona