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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Mafiöse Strukturen in Hamburg Diese Drogenbande ist gefährlicher als die Hells Angels
Eine brutale Drogenbande aus Hamburg bereitet der Polizei große Sorgen. Mit ihren Mafiamethoden hat sie die Hells Angels längst in den Schatten gestellt.
Schießereien auf offener Straße, die Einfuhr gigantischer Mengen Kokain und mafiöse Strukturen: Eine kriminelle Vereinigung aus dem Hamburger Stadtteil Altona gewinnt immer weiter an Einfluss und Macht in der Hansestadt und stellt die Polizei vor große Herausforderungen.
Die Rede ist von der Gruppierung "HausDrei", benannt nach dem gleichnamigen Kulturzentrum in Hamburg-Altona. Dort haben sich einige Mitglieder wohl kennengelernt, mit den Drogengeschäften hat das Zentrum aber nichts zu tun.
Schon jetzt gehören zu der Vereinigung 150 bis 200 Personen – Tendenz stark steigend. Wie viele Kriminalfälle ihr zuzurechnen sind, werde statistisch jedoch nicht erhoben, sagt Jan Reinecke, Hamburger Landesvorsitzender des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK) zu t-online. "Wir wissen bloß, dass die Rauschgiftgruppierung 'HausDrei' eine besonders ernstzunehmende OK-Gruppierung darstellt."
Hamburger Straßenrapper rekrutieren neue Mitglieder
Über Deutsch-Rap rekrutiere "HausDrei" seinen Nachwuchs. "In den Musikvideos wird ein Lebensstil gezeigt, den viele junge, oft sozial abgehängte Menschen wahnsinnig anziehend finden. Mit der Darstellung von Reichtum, Waffen, teuren Autos, Sex und anderen Statussymbolen wirbt die Gruppierung für das Leben als Rauschgift-Gangster. Weil es in dem Milieu wirklich viel Geld zu verdienen gibt, finden sich immer genug Menschen, die mitmachen wollen."
Ein Beispiel sei das Musikvideo zum Song "Ndrangheta" der Rapper Shafo und Gzuz (187 Straßenbande). Gewaltszenen wechseln sich mit Aufnahmen schwarz gekleideter Männer ab. Reinecke weiß: "Viele der im Halbkreis vor dem 'Haus Drei' posierenden Personen sind polizeibekannte 'Berufskriminelle' und keine Statisten."
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Für die Polizei Hamburg hat die Drogenbande die Hells Angels "längst in den Schatten gestellt", so Reinecke. Die Rockergruppe sei mittlerweile "ins Wirtschaftsleben abgedriftet" und betreibe ihre Unternehmen als "etablierte" Geschäftsleute. Aus diesem Grund sei auch das für Rocker zuständige Sachgebiet im Landeskriminalamt aufgelöst worden. "Was aber nicht bedeutet, dass es die Hells Angels und andere kriminelle Rockergruppierungen in Hamburg nicht mehr gibt. Jedoch kommen die nur auf den Plan, wenn jemand ihnen ihre Geschäfte madig macht."
Bei "HausDrei" könne man förmlich zusehen, wie Strukturen der Organisierten Kriminalität entstehen. "Die Ur-Gruppe lernt sich in einem Kulturzentrum kennen, organisiert sich. Es entstehen Hierarchien, wer Straftaten begeht, steigt in der Rangordnung auf. Das Gefängnis verstehen diese Menschen als Fort- und Ausbildungsanstalt, um Resozialisierung geht es ihnen nicht und der gute und richte Ansatz der Resozialisierung läuft bei diesen Personen vollkommen ins Leere."
"HausDrei" schreckt vor Waffengewalt nicht zurück
Der Gewerkschaftler sagt auch: Die Polizei habe im Bereich der Organisierten Kriminalität viel zu wenig Beamte, um dagegen anzukommen. "Der politische Fokus liegt auf der sichtbaren Kriminalität, also Dealen von Drogen auf der Straße. Diese wahrnehmbare, soziale 'Unordnung' lehnen die Wählerinnen und Wähler ab und das wissen die Politiker. Also pumpt die Politik unglaublich Personal in die Verdrängung von sichtbarer Straßenkriminalität." Für die Bekämpfung von Organisierten Strukturen bleibe dann nur noch eine nicht mehr ausreichende Anzahl an Ermittlerinnen und Ermittlern übrig.
Die Ursache werde damit aber nicht bekämpft. "Die Ermittlerinnen und Ermittler, die sich um kriminelle Vereinigungen wie 'Haus Drei' in originärer Zuständigkeit kümmern sollen, sind nur noch eine Handvoll Personen", weiß Reinecke. "20 bis 30 Mitarbeiter des LKA stehen damit 150 bis 200 Berufskriminellen von 'HausDrei' und allen anderen, in Hamburg ebenso operierenden Gruppierungen der Organisierten Kriminalität gegenüber. Ein Wettbewerb, den die Polizei nicht für sich und die Stadt entscheiden kann."
Das sei gefährlich, denn die Bande schreckt auch vor Waffengewalt nicht zurück. "Das, was wir in den Gewaltvideos sehen, wird auch umgesetzt", sagt Reinecke. "Sie haben Waffen und setzen sie auch ein. Das sehen wir in den jüngsten Auseinandersetzungen in Hamburg, die mit Schusswaffen ausgetragen werden." Auch sei es keine Ausnahme mehr, dass seine Kollegen bei einer Hausdurchsuchung "scharfe Schusswaffen und sogar Kriegswaffen" sicherstellen. "Dass da noch nichts passiert ist, ist eher dem Glück geschuldet."
- Telefonat mit Jan Reinecke vom Bund Deutscher Kriminalbeamter am 6.9.2023
- youtube.de: "Shafo – Ndrangheta feat. Gzuz (Prod. Franky x Bawer)"