Mehr als 150 Journalistinnen und Journalisten berichten rund um die Uhr für Sie über das Geschehen in Deutschland und der Welt.
Zum journalistischen Leitbild von t-online.Nach Hafen-Übernahmeangebot Die Schattenseiten des Container-Imperiums MSC
Der Containerriese MSC plant eine wegweisende Investition in den Hamburger Hafen. Damit setzt der Konzern seinen Expansionskurs fort – der jedoch auch Probleme mit sich bringt.
Die weltgrößte Containerreederei "Mediterranean Shipping Company" (MSC) will beim Hamburger Hafenlogistiker HHLA einsteigen. Der in Genf ansässige Konzern soll 49,9 Prozent der Anteile übernehmen, sodass die Stadt Hamburg eine knappe Mehrheit mit 50,1 Prozent behält. Mit dem Einstieg in den Hamburger Hafen setzt MSC seinen Expansionskurs der vergangenen Jahre fort.
Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher begrüßt die strategische Partnerschaft der Stadt mit einer der weltweit führenden Reedereien. "Dies kann unserer gesamten maritimen Wirtschaft die Schubkraft geben, die in schwierigen Zeiten gebraucht wird", sagte der SPD-Politiker am Mittwoch auf einer Pressekonferenz. Hier lesen Sie mehr dazu.
"Schwierige Zeiten" ist das richtige Stichwort. Die HHLA kämpft seit Jahren mit sinkenden Zahlen beim Containerumschlag. Daran schuld ist auch die Corona-Pandemie. Ausgerechnet in dieser Zeit konnte der wohl zukünftige Anteilseigner MSC hingegen ein deutliches Wachstum verzeichnen: Zwischen 2020 und 2021 hat das Unternehmen des italienischen Eigentümers Gianluigi Aponte laut dem Branchendienst "Alphaliner" Maersk als führende Reederei abgelöst.
MSC-Eigentümer Aponte: Vom Schiffskapitän zum Milliardär
In der Pandemie kaufte Aponte 128 gebrauchte Containerschiffe, wodurch sich die Flotte von MSC auf 645 Schiffe vergrößert hat. Dadurch hat 83-Jährige laut "Bloomberg Billionaires Index" sein Vermögen in dieser Zeit mehr als verdoppelt – auf 19 Milliarden Dollar. Die Erfolgsgeschichte seines Imperiums begann jedoch bereits im Jahr 1970.
Damals kaufte Aponte, der aus einer Seefahrerfamilie stammt, laut dem Wirtschaftsmagazin "Capital" ein altes deutsches Stückgutfrachtschiff und gründete das Unternehmen MSC. Er wurde in dem kleinen Ort Sant'Agnello am Golf von Neapel geboren. Schon seine Familie transportierte Waren und Passagiere über das Meer. Später absolvierte er eine Ausbildung zum Schiffskapitän.
Als der Italiener mit MSC in den Containerhandel einstieg, wurde der Markt von alteingesessenen Schifffahrtsunternehmen wie Maersk und Hapag-Lloyd beherrscht. Deshalb entschied sich Aponte, wenig bediente Touren zu übernehmen. Außerdem setzte MSC darauf, gebrauchte Containerschiffe zu kaufen und sie instand zu setzen – während die Konkurrenz vor allem durch Übernahmen wuchs. Später erweiterte das Unternehmen seine Routen um den asiatischen Raum, die USA und Südamerika.
MSC ist eine der wenigen großen Reedereien, die nicht börsennotiert ist. Sie betreibt eine Kreuzfahrtlinie, die ihre Jahresergebnisse veröffentlicht, aber ihr Frachtergeschäft gibt keine Finanzberichte heraus. Aponte besitzt außerdem Hunderte Unternehmen, die Fährbetreiber, Schnellboothersteller, Verladeterminals und sogar eine Privatinsel auf den Bahamas kontrollieren.
Wie Kriminelle Container- und Kreuzfahrtschiffe infiltrieren
Dieser Erfolg hat jedoch auch Schattenseiten. Immer wieder hat MSC mit Drogenschmuggel zu kämpfen. In den letzten Jahren wurden mehrmals große Mengen Kokain auf den Container- oder Kreuzfahrtschiffen der Reederei gefunden.
Besonders aufsehenerregend war die Beschlagnahmung des Schiffes "MSC Gayane". Dort hatten US-Behörden im Juli 2019 fast 20 Tonnen Kokain im Wert von mehr als einer Milliarde US-Dollar sichergestellt. Es war der größte Fund in der Geschichte der amerikanischen Zollbehörden.
Auch auf Kreuzfahrtschiffen der Reederei gab es immer wieder ähnliche Vorfälle. Im April 2022 wurden 66 Kilogramm Kokain bei als Passagieren getarnten Drogenschmugglern auf der "MSC Seaside" beschlagnahmt. Im Juli 2023 wurden zwei Schwestern wegen Drogenschmuggel auf der "MSC Seascape" verhaftet, als sie nach einer einwöchigen Karibik-Kreuzfahrt fast fünf Kilogramm Kokain im Futter ihrer Rucksäcke transportieren wollten.
Jedes Schifffahrtsunternehmen, das Routen von Südamerika nach Europa betreibt, laufe Gefahr, von Kokainhändlern ausgenutzt zu werden, schreibt "Bloomberg Businessweek" in einem im Dezember 2022 veröffentlichen Artikel. Die US-amerikanische Zeitschrift zeichnet darin detailliert nach, wie der Konzern in der letzten Dekade sein Geschäft ausgebaut hat und dabei gleichzeitig von Kriminellen infiltriert wurde.
In ihrer Berichterstattung stützt sich "Bloomberg Businessweek" auf Interviews mit Ermittlern und auf Unterlagen aus US-amerikanischen Gerichtsfällen. Das Ergebnis: MSC sei ein besonders attraktives Ziel, weil das Genfer Unternehmen verstärkt auf Routen fahre, die gleichzeitig als Kokain-Highways dienen.
Zusammenarbeit mit Behörden und erhöhte Sicherheitsvorkehrungen
MSC selbst sieht sich als Opfer der organisierten Kriminalität. Der Fund auf der "MSC Gayane" 2019 hatte für das Unternehmen weitreichende Konsequenzen. Neben einer Kaution in Millionenhöhe, damit das Schiff wieder fahren durfte, droht ihnen laut "Bloomberg Businessweek" eine Strafe von 700 Millionen Dollar. Dabei liefern sich die Genfer einen juristischen Streit mit den US-Behörden.
Die Reederei gab in einer Pressemitteilung bekannt: "Der Vorfall auf der 'MSC Gayane' war für die gesamte Containerschifffahrts- und Logistikbranche sicherlich ein Weckruf". Seitdem habe das Unternehmen seine eigenen Sicherheitsanstrengungen erheblich intensiviert und werde dies auch in den kommenden Jahren tun. "MSC ist heute als Branchenführer für seine Bemühungen zur Bekämpfung des Schmuggels anerkannt", schreiben die Genfer.
MSC verfügt nach eigenen Angaben heute über mehr als fünfzig verschiedene Methoden zur Aufdeckung potenziell illegaler Aktivitäten auf den wichtigsten Handelsrouten, darunter hochmoderne und firmeneigene Technologien auf der Grundlage künstlicher Intelligenz, die in enger Zusammenarbeit mit den Strafverfolgungsbehörden eingesetzt werden.
"Der weltweite Drogenhandel ist ein systemisches Problem, das kein Unternehmen allein bewältigen kann", so MSC weiter. "Von den Produktionsquellen bis hin zu den Verbrauchern, die die Nachfrage ankurbeln, muss jeder in der Lieferkette seinen Teil beizutragen versuchen, um Strafverfolgungs-, Zoll- und Hafenbehörden bei der besseren Kontrolle des Problems zu unterstützen."
- bloomberg.com: "Wie die Balkan-Kokainmafia die weltgrößte Reederei infiltrierte" (kostenpflichtig)
- capital.de: "Wie ein Drogenkartell die weltgrößte Reederei infiltrierte" (kostenpflichtig)
- msc.com: "MSC Statement on Bloomberg Article About MSC Gayane Incident" vom 17.12.2022 (englisch)
- businessinsider.de: "Zwei Schwestern schmuggelten Drogen auf Kreuzfahrt"
- cruisetricks.de: "66 Kilogramm Kokain bei Passagieren der MSC Seaside beschlagnahmt"
- Eigene Recherche