Mehr als 150 Journalistinnen und Journalisten berichten rund um die Uhr für Sie über das Geschehen in Deutschland und der Welt.
Zum journalistischen Leitbild von t-online.Sie folgt Wagenknecht Darum weint die Hamburger Linke Zaklin Nastic keine Träne nach
Die Hamburger Bundestagsabgeordnete Zaklin Nastic hat die Linkspartei verlassen. Viele Elb-Linke finden das gut.
Das Ende kam dann nicht mehr überraschend. Denn Zaklin Nastic war schon lange out bei den Hamburger Linken. Am Mittwoch ist Hamburgs einzige Bundestagsabgeordnete der Linken aus der Partei ausgestiegen. Sie hat sich dem neuen Bündnis von Sahra Wagenknecht angeschlossen. Damit ist die Hamburger Linke im Bundestag nicht mehr vertreten.
Die Elb-Linken nehmen das nur noch zur Kenntnis. Ärgern sich bestenfalls, weil Nastic ihr Mandat behalten will, das der Linken nun fehlt. Nastic selber fehlt ihnen nicht. Im Gegenteil, wer sich in der Partei umhört, spürt viel Erleichterung und Aufbruchstimmung. Weil Sahra Wagenknecht die Partei verlässt und Nastic auch.
Nastic wirft den eigenen Genossen Stasimethoden vor
Zu groß und heftig waren die inhaltlichen und persönlichen Kollisionen in den vergangenen Wochen und Monaten zwischen ihr und der Partei. Insider der Linken sprechen auch von Krieg, so sehr haben sich die jetzt Ex-Linke und der Parteivorstand duelliert. Höhepunkt war der Vorwurf Nastics, die Parteiführung wende Stasimethoden gegen sie an.
Nastic warf ihr vor, widerrechtlich ihr Hamburger Büro betreten zu haben, um dort belastendes Material gegen die Bundestagsabgeordnete zu sammeln. Das war im Sommer dieses Jahres. Tatsächlich wollte die Parteiführung ihre Ex-Chefin da längst loswerden. An den Vorwürfen war nichts dran, stellte sich heraus. Das Tischtuch war dennoch endgültig zerschnitten.
Dabei stand sie mal ganz oben auf der Karriereleiter der Linken. Seit 2008 war die in Polen geborene Deutsch-Polin in der Partei, hat dort eine steile Karriere hingelegt. Schon drei Jahre nach ihrem Eintritt saß sie in der Bezirksversammlung Eimsbüttel, seit 2017 im deutschen Bundestag. Ein Jahr später zog sie in den Bundesvorstand ein. 2020 wurde sie Sprecherin der Partei in Hamburg, also eine Art Vorsitzende. Ihr Bundestagsmandat konnte sie mehrfach verteidigen, zog über die Landesliste ins Berliner Parlament ein.
Dort musste sie aber auf den hinteren Bänken Platz nehmen, war Mitglied im Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe. Dort treffen sich die weniger bekannten Gesichter in der Fraktion. Der Ausschuss hat wenig Glamour.
Doch in Hamburg hatte ihr Wort weiter Gewicht. Nach der desaströs verlaufenen Bundestagswahl 2021 zog sie durch die deprimierten Parteigliederungen, versuchte, die Basis wieder aufzubauen. Da war noch alles okay zwischen ihr und der Partei. Auf den ersten Blick.
Wer allerdings genau hinsah und hinhörte, bemerkte durchaus erste Risse. Denn während die Partei verständnislos zuschaute, wie Sahra Wagenknecht in der Öffentlichkeit die Partei demontierte, kam von ihr kein böses Wort dazu. Auch für den einstigen Vorzeigelinken Oskar Lafontaine hatte Nastic auffallend viele Sympathien. Dabei hatte der gerade den einst blühenden saarländischen Landesverband in die Bedeutungslosigkeit geführt. Die Partei war entsetzt, Nastic hatte Verständnis.
"Ohne Nato leben – Ideen zum Frieden"
Der offene Bruch kam dann mit dem Krieg in der Ukraine. Während die linke Fraktionschefin Sabine Boeddinghaus in den Medien klarstellte: "Russland ist der Aggressor und muss schleunigst raus aus der Ukraine", initiierte Nastic erst mal einen Kongress. Sein Thema: "Ohne Nato leben – Ideen zum Frieden."
Die "Hamburger Morgenpost" besuchte damals den Kongress und schrieb: "Nach drei die Einladung einleitenden Zeilen, in denen der Angriffskrieg Russlands verurteilt wird, folgen mehr als 60 Zeilen gegen die Nato und die Rolle des Westens".
Die Reaktionen in der Partei waren entsprechend. Gerade in ihrem Bezirksverband Eimsbüttel war Nastic nunmehr eine Persona non grata. Die Genossen dort sind ausgesprochen pragmatisch, passen sich mit ihrer Politik thematisch dem eher grünen Klima im Bezirk an.
Viele Genossen finden ihren Austritt "okay"
Genau das, was Wagenknecht in ihren Büchern vehement ablehnt. Sie will stattdessen die Partei auf einen Kurs trimmen, der einzig und allein die soziale Frage in den Vordergrund stellt. Radwege und Nachhaltigkeitsthemen verunglimpft sie in ihren Büchern als Themen für "Gymnasiasten". Nastic drückt sich weniger provokant aus, sieht das aber ähnlich.
Dass Nastic irgendwann als Sprecherin der Hamburger Linken abgesetzt wurde, war dann keine Überraschung mehr. Der Zeitpunkt schon. Offiziell verkündet wurde das offenbar in linken Kreisen nicht. "Sie war es einfach nicht mehr", erinnern sich Genossen. "Das war aber schon okay so."
- Eigene Beobachtungen
- abendblatt.de: "Watergate bei den Hamburger Linken" (kostenpflichtig)
- wikipedia.de: Eintrag zu Żaklin Nastić