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Flughafen Hamburg: Kritik nach Geiselnahme – ungehindert aufs Rollfeld?


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Kritik an Hamburger Sicherheitskonzept
Warum gelangte der Geiselnehmer problemlos aufs Rollfeld?


Aktualisiert am 06.11.2023Lesedauer: 3 Min.
HAMBURG-AIRPORT/Vergrößern des Bildes
Polizisten nehmen den Geiselnehmer fest: Wie konnte er auf das Rollfeld in Hamburg kommen? (Quelle: Fabian Bimmer/reuters)

Nach der beendeten Geiselnahme am Hamburger Airport wird Kritik am Sicherheitskonzept laut. Wie konnte der Mann so weit kommen?

Drei Schranken und ein Metalltor waren kein Hindernis: Am Samstagabend durchbrach ein Mann mit einem Audi die Absperrungen zum Rollfeld. Mit im Auto saß seine vierjährige Tochter, die er entführt hatte. 16 Stunden dauerte die Geiselnahme, bis der Vater aufgab und die Situation unblutig endete.

Nun wird Kritik am Airport laut: Wie konnte der Mann so leicht aufs Rollfeld gelangen? Die drei Schranken durchbrach er wohl recht ungehindert. Ein weiteres Metalltor, das zusätzlich mit Nato-Stacheldraht gesichert ist, soll laut Flughafenmitarbeitern offen gestanden haben.

Das sagt der Flughafen Hamburg

"Die Sicherung des Geländes entspricht allen gesetzlichen Vorgaben und übertrifft diese größtenteils", sagte eine Flughafensprecherin der Nachrichtenagentur dpa. Dennoch könne bei der Größe des Airports nicht ausgeschlossen werden, "dass ein hochkrimineller, unbefugter Zutritt zum Sicherheitsbereich mit brachialer Gewalt erfolgen kann".

Unzeitgemäßer Sicherheitsstandard?

Der Flughafen habe diese Sicherheitskonzepte auch eingehalten, erklärt der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Andreas Roßkopf, der "Tagesschau24". Doch angesichts des Vorfalls müsse man sich die Frage stellen, wie zeitgemäß das Konzept noch sei. "Wir müssen ganz dringend ein Sicherheitskonzept ins Leben rufen, was dem Stand der heutigen Zeit entspricht", sagt Roßkopf. Er wolle sich nicht ausdenken, was bei einem terroristischen Motiv hätte passieren können.

Derzeit sichern einfache Schranken die Zufahrt zum Rollfeld. Sie funktionieren in einem Stufenverfahren, sodass nur autorisierte Mitarbeiter oder Lieferanten in die speziellen Zonen des Airports gelangen, sagt Experte Schellenberg, der auch den Airport in Hamburg beraten hat. Wenn sich die erste Schranke geöffnet habe, bliebe die zweite Schranke unten, bis Schranke 1 sich wieder geschlossen habe, erklärt Schellenberg weiter. In diesem Fall nützte das alles wenig, denn der Geiselnehmer bretterte durch alle drei Schranken bis zum Rollfeld durch.

Veraltete Strukturen

Für Roßkopf ein Hinweis auf völlig veraltete Sicherheitsstrukturen. "Wir müssen bei Zufahrtswegen mit Barrieren und Schranken arbeiten, die zumindest mit einem normalen Fahrzeug nicht zu durchbrechen sind", so Roßkopf weiter. Auch Sensoren und lückenlose Kameraüberwachung sei Teil eines modernen Konzepts.

Die Diskussion über die Sicherheitsvorkehrungen am Airport werden auch deshalb so laut geführt, da es nicht der erste Vorfall dieser Art war. Im Sommer gelangten Aktivisten der "Letzten Generation" recht problemlos aufs Rollfeld. Sie durchtrennten dafür einen Zaun, schoben Fahrräder hindurch und radelten über die asphaltierte Fläche.

Cord Schellenberg will daher die Vorfälle auch nicht vergleichen, dafür seien sie zu unterschiedlich. Der Geiselnehmer habe eine Zufahrt zum Gelände genutzt, die auch gebraucht wird. Für den Airport sei wichtig, dass in einer solchen Situation schnell gehandelt werden kann, der Flugverkehr gestoppt und die Passagiere in Sicherheit gebracht werden. "Das hat hier geklappt", fasst der Experte zusammen. Auch laut der Sprecherin des Hamburger Airports hätten die Alarmketten "einwandfrei gegriffen".

Ein Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes am Airport erhebt Vorwürfe gegen das Management. "Da wurde geschlampt!", sagte der Mann, der nicht namentlich genannt wurde, dem "Focus". Wer sich Zugang zu dem Gelände verschaffen wolle, könne dies auch ohne große Vorkenntnisse schaffen. Die Schwachstellen ließen sich schnell erkennen. "Eine große Drahtschere reicht schon, um in sämtliche Bereiche zu kommen", beschreibt der Mann die Möglichkeiten. Dass der Geiselnehmer die Schranke einfach durchbrechen konnte, verwundert den Mann nicht. Auf anderen Flughäfen würden dann sofort Poller hochfahren und das Auto stoppen.

Politik in der Pflicht

Auch Roßkopf reicht der Schutz nicht aus. Er fordert verschärfte Sicherheitsvorgaben für die Airport-Betreiber. Und sieht die Politik in der Pflicht. "Der Gesetzgeber muss hier ganz klare Vorschriften vorgeben, sodass die Flughafenbetreiber gezwungen sind, diese Schutzmaßnahmen einzuführen, sodass die Gefahr, die wir jetzt gerade auch erleben, so gering wie möglich gehalten wird", appelliert er an die Politiker.

Ähnlich äußert sich der Professor für Polizeiwissenschaften an der Akademie der Polizei, Rafael Behr und der stellvertretende Bundesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), Heiko Teggatz. Sie fordern einen besseren Schutz von Flughäfen.

"Es ist nur schwer vermittelbar, dass etwa Weihnachtsmärkte mit Betonbarrikaden gesichert werden, und unsere Flughäfen werden als Hochsicherheitsbereiche von Betreibern stiefmütterlich behandelt", sagte DPolG-Bundesvize Heiko Teggatz der Nachrichtenagentur dpa. Der Druck auf die Flughafenbetreiber sei zu gering, um Sicherheitsmaßnahmen so hochzufahren, "dass es zu solchen Vorfällen schlicht nicht mehr kommen kann", so Teggatz.

Nur die Minimalanforderungen zu erfüllen, hält auch Behr für zu wenig. "Wenn wir in die Welt schauen, sehen wir doch, dass sich Täter nicht darum scheren, welche rechtlichen Vorgaben erfüllt sind oder nicht", sagte er zum "NDR". "Sondern man muss doch schon dieses sensible Verkehrsgeschehen besser schützen. Und das muss unbedingt auf den Prüfstand gestellt werden." Ähnlich äußert sich auch der Flugexperte Heinrich Großbongardt zum "Spiegel": "Der Hamburger Flughafen ist nicht sicher – und andere Airports in Deutschland auch nicht."

Verwendete Quellen
  • tagesschau.de: "Sicherheitskonzept nicht mehr zeitgemäß"
  • tagesschau.de: Unzureichend geschützt?
  • ndr.de: Geiselnahme in Hamburg: Kritik am Sicherheitskonzept des Flughafens
  • fr.de: Geiselnahme auf Hamburg-Rollfeld: Polizei rechnet mit deutschem Sicherheitskonzept ab
  • zeit.de "Der Pilot sagte: 'Die Tür bleibt zu, hier kommt keiner rein'" (kostenpflichtig)
  • spiegel.de: "Der Hamburger Flughafen ist nicht sicher – andere deutsche Airports auch nicht" (kostenpflichtig)
  • focus.de: Als der Brandsatz flog, hieß es "sofort räumen!": So erlebten Mitarbeiter das Geiseldrama
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