Acht Milliarden in einem Monat zugelegt Dieser Hamburger ist jetzt der reichste Deutsche
An der Spitze der deutschen Reichen-Liste gibt es einen Wechsel: Ein Milliardär verliert, ein anderer nutzt das zum Überholen.
Er ist 86 Jahre alt, verheiratet, kinderlos – und wird reicher und reicher. Jetzt hat er es im Realtime-Ranking von "Forbes" auf Platz eins der Liste der reichsten Deutschen geschafft: Der gebürtige Hamburger Klaus-Michael Kühne besitzt dem Wirtschaftsmagazin zufolge aktuell sagenhafte 42,5 Milliarden Dollar (39 Mrd. Euro), acht Milliarden Dollar mehr als vor einem Monat.
Damit hat er den 84-Jährigen Lidl-Gründer Dieter Schwarz vom Thron gestoßen. Der verlor "Forbes" zufolge jüngst einen Haufen Geld. Vor wenigen Wochen lag er mit 46,4 Milliarden Dollar noch klar vorn. Nun wird Schwarz' Vermögen "nur" noch auf 38,4 Milliarden Dollar geschätzt.
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Die täglich aktualisierten Schätzwerte von Forbes hängen unter anderem ab von den Entwicklungen am Aktienmarkt und den vielfältigen Beteiligungen der Superreichen. Das heißt: Die reichsten Menschen Deutschlands verlieren und gewinnen jeden Tag gigantische Vermögen – und das praktisch im Schlaf.
Meistens gewinnen sie, wie die Grafik oben zeigt: Die Top-Milliardäre Deutschlands haben in den vergangenen Jahren überwiegend ein ordentliches Plus aufgehäuft.
Besonders spektakulär ist Kühnes Kurve. Er hat sein Vermögen seit 2017 mehr als verdreifacht. Geboren wurde er 1937 als einziges Kind des Speditionskaufmanns Alfred Kühne. Sein Großvater August Kühne hatte das Unternehmen 1890 gemeinsam mit einem Unternehmerkollegen gegründet.
Die dunkle Nazi-Vergangenheit von Kühne+Nagel
1910 stieg ein weiterer Kaufmann mit ein. Adolf Maass wurde 1933 kurz nach der Machtübernahme der Nazis von Kühnes Vater und Onkel aus der Firma gedrängt und 1945 in Auschwitz ermordet. Maass war Jude. Das Speditionsunternehmen entwickelte sich derweil zu einem mehrfach ausgezeichneten "nationalsozialistischen Musterbetrieb": Ab 1942 war Kühne+Nagel Recherchen zufolge in großem Stil an der systematischen Ausplünderung der europäischen Juden beteiligt und schaffte jüdisches Eigentum aus besetzten Gebieten wie Holland, Frankreich, Luxemburg und Belgien ins Deutsche Reich.
Achtung, Verwechselungsgefahr
Kühne ist nicht gleich Kühne. "Kaum einer kennt sich mit Gurken besser aus als wir", schreibt die Carl Kühne KG im Internet. "Vielleicht sind wir als Hamburger Traditionsunternehmen deshalb auch besonders stolz auf den HSV." Um einer Verwechselung mit Namensvetter und HSV-Investor Klaus-Michael Kühne vorzubeugen, hält die KG allerdings auch fest: "Millionenschwere Investitionen ins Fußball-Business überlassen wir lieber anderen und bleiben bei unserem eigenen Gurken-Business."
Die Rede ist von rund 30.000 Bahnwaggons sowie 500 Schiffsladungen mit Möbeln. Kühne+Nagel sei die bevorzugte Firma der Nazis für dieses schmutzige Geschäft mit dem Namen "M-Aktion" (für Möbel) gewesen, sagen Historiker.
Kritiker werfen Klaus-Michael Kühne vor, bis heute ein mangelndes Interesse an der Aufklärung der Verbrechen zu haben, an denen sein Vater und sein Onkel beteiligt waren. Eine 2015 öffentlich präsentierte offizielle Firmengeschichte weise "riesengroße Lücken" und "Geschichtsverdrehung" auf. Auch wenn Kühne+Nagel inzwischen Stück für Stück ein paar Aspekte eingeräumt habe, fehle immer noch eine klare Haltung zur Nazi-Vergangenheit, sagte 2022 der Leiter der Heinrich-Böll-Stiftung in Bremen, Henning Bleyl: "Solange Herr Kühne als Aktionär durchregiert, erwarte ich auch keine größere Klarheit."
Das Kühne-Imperium heute
Klaus-Michael Kühne stieg 1958 ins Familienunternehmen ein, wurde 1966 Vorstandsvorsitzender. 1969 verlegte er den Firmensitz in die Schweiz. Heute hat Kühne+Nagel eigenen Angaben zufolge 80.000 Mitarbeiter an rund 1.300 Standorten in fast 100 Ländern und betreibt das Logistikgeschäft an Land, in der Luft und auf dem Wasser.
Kühne hält zudem unter anderem Beteiligungen an Hapag-Lloyd, ist größter Aktionär der Lufthansa und pumpt als HSV-Investor immer mal wieder ein paar Millionen in den Zweitligaclub. Diesen Februar offenbarte er sich als Fan von Felix Magath, sagte dem TV-Sender Sky: "Ginge es nach mir, würde ich Herrn Magath sofort als Trainer oder Sportdirektor verpflichten."
Gekränkter Stolz, das Gefühl von Undank
Im September 2023 sagte er dem "Hamburger Abendblatt", für den Bau einer Oper in der Hansestadt bis zu 300 Millionen Euro geben zu wollen, das sei seine Schmerzgrenze. Kurz darauf berichtete das "Manager Magazin", Kühne fühle sich manchmal nicht ausreichend geliebt von seiner Geburtsstadt. Der Milliardär sei "mehr als verstimmt", zitierte das Magazin aus seinem Umfeld. Die Rede sei von gekränktem Stolz und dem Gefühl von Undank.
Damals hatte der Senat gerade sein Angebot zurückgewiesen, den Hafenterminalbetreiber HHLA zu übernehmen. Zuletzt ließ Kühne dafür eine Hoffnung platzen, die so mancher Hamburger gehegt hatte: Er wird wohl nicht beim Hamburger Elbtower einsteigen. Was nach der Signa-Pleite aus der Großbaustelle wird, ist weiter unklar.
- forbes.com: "The Real-Time Billionaires List", abgerufen am 22. Februar 2024
- statista.de: "The 25 wealthiest Germans in 2024, by assets", Forbes-Realtime-Daten vom 22. Januar 2024
- taz.de: "Logistiker der 'Arisierung'"
- ndr.de: "Global Player mit belasteter Vergangenheit"
- deutschlandfunk.de: "NS-Geschichte von Kühne + Nagel: Unaufgearbeitete Vergangenheit"
- newsroom.kuehne-nagel.com: "Kühne+Nagel mit sehr starkem Geschäftsjahr 2022"
- abendblatt.de: "Oper im Hafen wird konkret – Kühne gibt noch mehr Millionen"
- manager-magazin.de: "Warum Reichtum für Klaus-Michael Kühne nicht alles ist"
- kuehne.de: "Wir sind die mit den Gurken"
- Mit Material der Nachrichtenagentur dpa