Tanzsalon hinter Bretterverschlag "Wo ich hier wohne, ist eine Welt für sich"
Hinter einem unscheinbaren Bretterverschlag in Eppendorf versteckt sich das Wohnzimmer des Malers Nikisch. Ein Besuch bei einem (Lebens-)Künstler.
Er zog nach Hamburg, um der niedersächsischen Einöde zu entfliehen. Jetzt geht er nur noch selten aus dem Haus. Seine selbst geschaffene Oase mitten in Hamburg-Eppendorf reicht ihm aus. Vincent Frank Nikisch muss nicht in die Welt. Der 64-Jährige bittet die Welt zu sich.
Von außen kaum erkennbar, hat Nikisch hinter einem weißen Bretterverschlag einen ungewöhnlichen Salon errichtet, der Fotostudio, Ausstellungsraum, Meditationsstudio, Tanzsaal und sein persönliches Wohnzimmer in einem ist. Sein Ziel? "Kultur schaffen, Menschen zusammenbringen, gute Energie erzeugen."
Tarpenbekstraße 65: Fotostudio, Tanzsalon, Meditationsstudio ...
Das Herz seiner Wohnung ist der 75 Quadratmeter große Saal mit einer bunten Mischung aus verschiedenen Stilen und Gegenständen. An der einen Wand klebt Tapete in Steinoptik, an der anderen eine dunkelrot-goldene Ornament-Tapete.
Von Barock-Sesseln, einem Bechstein-Konzertflügel bis hin zu einer Tiffany-Lampe aus buntem Glas findet hier alles seinen Platz. Doch wer jetzt ein Bild einer Rumpelbude vor Augen hat, liegt falsch. Skurril erscheint dieser Ort allemal, doch Nikisch hat die bemerkenswerte Fähigkeit, scheinbar unvereinbare Objekte so anzuordnen, dass sie letztlich doch zusammenpassen.
Die Zuschreibung "Multitalent" schmeichelt ihm
Sein Leben ist so verrückt wie sein Salon. "Ich habe mir immer die Frage gestellt: Wie wird man im Leben glücklich?", so Nikisch. Inspiriert von seiner Namensgebung nach dem berühmten Maler Vincent van Gogh, hat er eine Karriere als Künstler verfolgt. Sein zweiter Vorname Frank hat sich dennoch als Rufname durchgesetzt.
Bei Medienbesuchen tritt er gerne in einer roten Piratenjacke auf, seine Locken fallen ihm dann über die Schultern. Heute ist ein kühler Tag, weswegen er eine weiße Teddyjacke trägt, seine Haare sind zum Dutt zusammengebunden.
Sich selbst bezeichnet Nikisch als Musiker, Künstler, Fotograf und Veranstalter. Einmal wurde er öffentlich als "Pirat von Eppendorf", ein andermal als "Multitalent" beschrieben. Seine 26-jährige Lebensgefährtin Judith bezeichnet ihn als einen "Charmeur". Das alles schmeichelt ihm.
Von Hannoversch Münden nach Hamburg
"Ich wollte immer gerne mit Menschen zusammenkommen", erzählt er, "aber nicht allein in einem Studio sitzen und nur etwas kreieren und dann aufstellen und verkaufen." Vor 30 Jahren zog er deswegen aus Hannoversch Münden nach Hamburg, dem "Tor zur Welt".
Doch statt die Welt selbst zu erkunden, freut er sich, wenn sie zu ihm kommt. Veränderungen in Eppendorf und in Hamburg nimmt er kaum wahr – sein Leben spielt sich größtenteils in den eigenen vier Wänden ab.
"Wo ich hier wohne, ist eine Welt für sich"
"Wo ich hier wohne, ist eine Welt für sich", so Nikisch, "ich habe gar nicht den Bedarf auszugehen." Die Menschen kommen von ganz allein. Zum Beispiel, um sich fotografieren zu lassen, einen Geburtstag zu feiern, eine Lesung oder einen Meditationskreis zu organisieren. Früher trat regelmäßig eine Theatergruppe auf. Heute finden auf dem Tanzschwingparkett Tango-Abende statt.
Die Idee brachte seine Lebensgefährtin Judith mit, die kürzlich aus Berlin zu ihm gezogen ist. Sie selbst agiert als Discjockey. In ihrer Freizeit sortiert sie stundenlang MP3-Dateien, um die passende Musik für die Milonga-Abende herauszusuchen. So heißen die Veranstaltungen, bei denen man Tango zu verschiedenen Musikstilen tanzt.
Eppendorf: Milonga-Abende an der Tarpenbekstraße
Künftig will Nikisch selbst auch das Tanzbein schwingen. Sieben Jahre lang saß er bei den Tanzveranstaltungen nur auf der Zuschauerbank. "Viele müssen wohl gedacht haben, das ist ein Unikum, der Typ", sagt Nikisch über sich selbst.
Mit seiner Lebensgefährtin nimmt er deswegen an einem Tanzkurs teil. "Ich bin aber sehr talentiert", betont er mit einem Nicken. Wie sollte es auch anders sein bei einem Multitalent. Genügend Möglichkeiten zum Tanzen wird er haben: In Kürze sollen sowohl samstags als auch montags Milonga-Abende an der Tarpenbekstraße stattfinden.
- Besuch vor Ort
- tangokalender-hamburg.de: "Tangokalender Hamburg"