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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Trauriges Jubiläum 100 Jahre Chilehaus: Weltkulturerbe kämpft mit Missständen
Hamburg feiert 100 Jahre Chilehaus. Doch im denkmalgeschützten Kontorhausviertel trübt ein soziales Problem die Idylle. Anwohner beschreiben dramatische Situationen.
Hamburgs wohl schönstes Bürogebäude, das Chilehaus, wird in diesem Jahr 100 Jahre alt. Das feiert der Senat am Sonntag, dem 2. Juni, mit einer Lesung sowie Rundgängen durchs Haus und durch das angrenzende Kontorhausviertel. Beides zählt seit 2015 zusammen mit der Speicherstadt zum Unesco-Weltkulturerbe.
Bei den Rundgängen sollten Besucher aber besser nicht in jede Ecke schauen. Anwohner klagen über Lärm und Fäkalien von kampierenden Obdachlosen, Junkies sowie Drogendeals vor der eigenen Haustür. Seitdem die Caritas in dem denkmalgeschützten Wohnblock einen Tagestreff für Obdachlose eröffnet hat, sei das Quartier nicht mehr der lebens- und liebenswerte Ort, der er einmal war.
Dunkle Gestalten, die Autos aufbrechen
"Frauen trauen sich hier abends nicht mehr alleine auf die Straße", sagt Ulrich Masau, der seit 1998 eine Kaffeerösterei im bahnhofsnahen Viertel betreibt. "Hier treiben sich dunkle Gestalten rum, oft werden Autos aufgebrochen." Auf der Terrasse seines Lokals habe er eine Zeit lang täglich Hinterlassenschaften von Obdachlosen gefunden. "Auch ich fühle mich echt unwohl", sagt der Gastronom.
Im Oktober vergangenen Jahres haben sich mehr als 40 Anwohner und Gewerbetreibende in der Kneipe "Kombüse" getroffen, um ihrem Ärger Luft zu machen. Der Vorwurf: Sowohl die Caritas als auch das städtische Wohnungsunternehmen Saga, das 230 Wohnungen im Quartier vermietet, würden tatenlos zuschauen.
Sicherheitsdienst patrouilliert vor Obdachlosen-Treff
Der Protest zeigte Wirkung. Seit Mitte April setzt die Caritas einen Sicherheitsdienst rund um den Tagestreff für Obdachlose ein. Dieser patrouilliert von 6 bis 21.30 Uhr und wird voraussichtlich bis Anfang des nächsten Winternotprogramms im Einsatz bleiben, teilte das Bezirksamt Mitte auf Anfrage mit.
Gastronom Ulrich Masau sagt, die Situation habe sich dadurch "ein kleines bisschen" verbessert. Ob der Sicherheitsdienst allerdings als Dauerlösung taugt, bezweifelt er. Die Drogenberatungsstelle "Drob Inn" am Hauptbahnhof, wenige hundert Meter vom Kontorhausviertel entfernt, ist Anziehungspunkt für täglich viele Hundert Süchtige und Gestrandete. "Das schwappt hier rüber", berichtet Masau. "Ich habe das Gefühl, das wird in Zukunft alles nur noch viel massiver."
- Pressemitteilung der Behörde für Kultur und Medien vom 29. Mai 2024
- Anfrage an das Bezirksamt Mitte
- Gespräch mit Ulrich Masau
- t-online.de: Lärm, Dreck und Drogen: Obdachlose belagern Weltkulturerbe