18-Jähriger stirbt Tod auf Zahnarztstuhl: Gericht verurteilt Narkosearzt
Ein 18-Jähriger hat panische Angst vorm Zahnarzt, doch er ringt sich doch durch und lässt sich behandeln – mit fatalen Folgen. Ein Arzt wurde nun verurteilt.
Ein Teenager mit kaputten Zähnen hat furchtbare Schmerzen, doch erfüllt von panischer Angst will er seit Jahren nicht zum Zahnarzt. Schließlich sieht die Familie nur noch einen Ausweg: Eine Behandlung unter Vollnarkose in einer Praxis in Hamburg-Altona. Doch es kommt zu Komplikationen, der 18-Jährige stirbt. Acht Jahre später müssen sich vor dem Landgericht zwei Ärzte verantworten. Nun haben die Richter ein Urteil gefällt.
Der Narkosearzt ist zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten auf Bewährung wegen Körperverletzung mit Todesfolge verurteilt worden. Die ebenfalls angeklagte Zahnärztin wurde freigesprochen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
"Der Fall macht einen sehr betroffen", sagte der Vorsitzende Richter Matthias Steinmann. Der junge Mann habe ständig starke Schmerzmittel eingenommen. Nur mit Mühe habe seine Mutter ihn überreden können, die Praxis der Angeklagten aufzusuchen. Diese durfte nur ein Röntgenbild machen, eine nähere Untersuchung ließ er nicht zu. "Er hatte eine Zahnarzt-Phobie", sagte Steinmann.
"Er wollte nur einschlafen, aufwachen und alles ist in Ordnung"
Vorschläge der Zahnärztin für alternative Methoden wie eine Behandlung unter Hypnose lehnte der Patient ab. Schließlich wurde ein Termin für die Vollnarkose angesetzt, die mehr als acht Stunden dauern sollte., so der Richter. Doch bei dem stundenlangen Termin kam es zu einem Herz-Kreislauf-Versagen. Kurz darauf starb der Patient in einem Krankenhaus.
Die Zahnärztin und der von ihr hinzugezogene Narkosearzt hätten dem 18-Jährigen helfen wollen, betonte Steinmann. Ein Sachverständiger vor Gericht habe angesichts der Länge der Narkose bei dem gesunden, jungen Mann gesagt: "Man kann das machen, aber man muss aufmerksam sein."
Doch nach Überzeugung des Gerichts hatte der heute 67 Jahre alte Anästhesist nicht alle notwendigen Geräte, wie etwa EKG-Monitoring, für eine solch lange Behandlung dabei. "Er fühlt sich diesen Hilfsmitteln überlegen", sagte Steinmann. Der Mediziner habe gedacht, er brauche diese aufgrund seiner jahrelangen Erfahrung nicht. Das Gericht nehme ihm nicht ab, dass er diese Standard-Vorschriften nicht gekannt habe.
Ausstattung weicht vom Standard ab – doch Aufklärung fehlte
Die Richter kritisierten zudem, dass der Arzt angesichts der Länge der Behandlung kein geschultes Assistenzpersonal mitgebracht hatte. Der Angeklagte habe den Patienten und seine Mutter nicht darüber aufgeklärt, dass seine Ausstattung vom Standard abweiche, betonte Steinmann. Die beiden hätten sonst sicherlich nicht eingewilligt. Die Zahnärztin treffe keine Schuld. Die 46-Jährige habe darauf vertrauen dürfen, dass der ihr als erfahrener Kollege bekannte Narkosearzt die richtige Ausstattung mitbringe.
Der junge Patient war bereits Vater einer damals zweijährigen Tochter, die wie die Mutter des 18-Jährigen in dem Prozess Nebenklägerin war. Das Gericht bewertete positiv für den Angeklagten, dass er sich zu einer "großzügigen Entschädigungszahlung" an das Kind verpflichtet habe. Steinmann verteidigte in der Urteilsbegründung, dass das Ermittlungsverfahren so lange gedauert hatte. Es sei ein hochkomplexer Sachverhalt. Die Bearbeitung sei nur mit einer Vielzahl von medizinischen Gutachten möglich gewesen.
Richter zur Mutter: "Sie sind nicht zerbrochen"
Zum Prozessauftakt am 4. April hatten die Ärzte den Tod des Patienten sehr bedauert. Der Anästhesist hatte Fehler eingeräumt. Die Zahnärztin meinte, ihre Sorgfaltspflicht erfüllt zu haben. Ihre Verteidigung plädierte auf Freispruch. Die Anklage dagegen war überzeugt, die Zahnärztin habe sich der fahrlässigen Tötung schuldig gemacht und forderte eine Geldstrafe.
Die Staatsanwaltschaft hatte für den Anästhesisten wegen vorsätzlicher Körperverletzung mit Todesfolge eine Haftstrafe von einem Jahr und sechs Monaten auf Bewährung gefordert. Die Verteidigung beantragte, ihren Mandanten wegen fahrlässiger Tötung zu einer Bewährungsstrafe zu verurteilen.
Der Vorsitzende Richter wandte sich in seiner Urteilsbegründung an die Mutter des Toten. Ihre Aussage sei beeindruckend und uneingeschränkt glaubwürdig gewesen. "Sie sind nicht zerbrochen", sagte Steinmann. "Sie haben dieses Schicksal angenommen und sich entschlossen weiterzuleben." Diese Fähigkeit habe nicht jeder.
- Nachrichtenagentur dpa