Leben unter dem Existenzminimum Gericht stoppt radikale Leistungskürzungen für Geflüchtete

Im Hamburger Dublin-Zentrum standen Geflüchteten nur noch Brot und Seife zu – Geld und Kleidung wurden gestrichen. Ein Gericht erklärt diese Praxis nun für verfassungswidrig.
Das Sozialgericht Hamburg hat drastische Leistungseinschränkungen für Geflüchtete im sogenannten Dublin-Zentrum für rechtswidrig erklärt. Die Einrichtung im Stadtteil Harburg war in die Kritik geraten, weil dort untergebrachte Männer nur noch ein Bett, Brot, Seife und medizinische Notversorgung erhielten – Geld, Kleidung oder Fahrkarten wurden nicht mehr gewährt.
Die Richter stellten klar: Diese Form der Versorgung verstoße gegen das Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum. Der Kläger, ein Geflüchteter aus Schweden, war nach der Dublin-Verordnung zur Rückführung in das Erstaufnahmeland vorgesehen. Doch eine solche Rückführung wurde laut Gericht nicht konkret vorbereitet – ein zentraler Punkt, denn nur bei kurzfristiger Ausreisemöglichkeit wären die Kürzungen rechtlich zulässig gewesen.
Innenbehörde hält an Dublin-Zentrum fest
Trotz des Urteils hält die Hamburger Innenbehörde an dem umstrittenen Zentrum fest. Eine Sprecherin teilte mit: "Wir sind von der Rechtmäßigkeit der neuen Regelung überzeugt." Gemeinsam mit der Sozialbehörde werde man die gerichtlichen Entscheidungen prüfen. Eine Schließung des Pilotprojekts sei nicht geplant. Es solle Rückführungen in andere EU-Staaten beschleunigen.
Wie viel der Betrieb des Zentrums kostet – etwa für Unterkunft, Verpflegung und Sicherheit – konnte die Behörde auf Nachfrage nicht beziffern. Nach Angaben des Hamburger Senats waren seit Beginn des Projekts 19 Männer dort untergebracht, sechs von ihnen wurden bereits abgeschoben. Derzeit leben noch 14 Personen in der Einrichtung.
Ausreise kaum möglich – Leistungen trotzdem gekürzt
Die Linksfraktion kritisiert das Konzept als "rechtswidrig und zynisch". Besonders schwer wiege laut des Gerichts der Umstand, dass Geflüchtete sich nicht eigenständig auf den Weg in das zuständige EU-Land machen könnten. Anders als EU-Bürger seien sie auf eine offizielle Überstellung durch Behörden angewiesen. Der Senat selbst bestätigt: "Freiwillige Selbstüberstellungen ohne Organisation eines Überstellungstermins werden derzeit nicht durchgeführt."
Das Gericht betonte, dass unter diesen Umständen Leistungskürzungen nicht gerechtfertigt seien – die Menschen würden so faktisch entrechtet. Welche Konsequenzen das Urteil für ähnliche Einrichtungen in anderen Bundesländern hat, ist offen.
- justiz.hamburg.de: Beschluss des Sozialgerichts Hamburg vom 15. April 2025
- taz.de: "Aushungern von Asylsuchenden verboten"
- buergerschaft-hh.de: Drucksache 23/88 – Schriftliche Kleine Anfrage vom 7. April 2025
- Schriftliche Anfrage bei der Hamburger Innenbehörde