NS-Zeitzeugin aus Hamburg Schauspielerin und Schlagersängerin Marie Nejar ist gestorben

Sie wuchs auf St. Pauli auf, stand für NS-Propagandafilme vor der Kamera und schrieb ein Buch über das Leben als Schwarze Frau im Nationalsozialismus. Nun ist Marie Nejar im Alter von 95 Jahren in Hamburg gestorben.
Sie galt als eine der letzten Schwarzen Zeitzeuginnen der NS-Zeit: Marie Nejar ist am 11. Mai im Alter von 95 Jahren in Hamburg gestorben.
Die Sängerin, Schauspielerin und spätere Krankenschwester hatte ein außergewöhnliches Leben zwischen Zwangsarbeit, Musikindustrie und Widerstand gegen rassistische Stereotype geführt. Verschiedene Medien haben zuvor über ihren Tod berichtet.
Geboren im Waisenhaus
Geboren wurde Marie Nejar am 20. März 1930 in einem Waisenhaus in Mülheim an der Ruhr. Ihre Mutter, eine Musikerin aus Hamburg, hielt die Schwangerschaft zunächst geheim. Kontakt zum Vater aus Ghana gab es kaum.
Auf Drängen der Großmutter kam die kleine Marie nach Hamburg und wuchs im Stadtteil St. Pauli auf. Schon früh war sie rassistischer Diskriminierung ausgesetzt. Nach dem Tod ihrer Mutter, als Nejar zehn Jahre alt war, blieb sie in Hamburg – mitten im nationalsozialistischen Deutschland.
Als schwarze Jugendliche wurde sie Opfer der NS-Rassengesetze: Ein Schulabschluss wurde ihr verwehrt, stattdessen musste sie in einer Fabrik Zwangsarbeit leisten. Parallel dazu wurde sie in Propagandafilme eingespannt.
Vor der Kamera wurde sie instrumentalisiert
Auf Anweisung von Joseph Goebbels stand sie für die Ufa vor der Kamera – etwa 1942 als palmenwedelnde Dienerin in "Münchhausen" an der Seite von Hans Albers oder später neben Heinz Rühmann in "Quax in Afrika".
Erst im Rückblick habe sie verstanden, dass sie instrumentalisiert worden war, sagte Politikwissenschaftlerin Hadija Haruna-Oelker im Gespräch mit NDR Kultur.
Nach dem Krieg entdeckte sie zufällig ihr Gesangstalent – zunächst als Bar-Sängerin, dann auf der Bühne. Die Plattenfirma gab ihr den rassistischen Künstlernamen: "Leila Negra". Die Vermarktung folgte einem klaren Muster: Als angeblich 15-jähriges Mädchen trat sie mit Teddybär auf, obwohl sie längst erwachsen war.
Ihr größter Hit: das Duett "Die süßesten Früchte fressen nur die großen Tiere" mit Peter Alexander. Doch die Lieder, in denen oft rassistische Klischees bedient wurden, fühlten sich für sie nicht richtig an. Im Jahr 1957 beendete sie ihre Musikkarriere.
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Bis zur Rente arbeitete sie als Krankenschwester
Sie absolvierte eine Ausbildung zur Krankenschwester und arbeitete bis zu ihrer Rente in diesem Beruf in ihrer Heimatstadt Hamburg. Erst im Ruhestand wurde sie wieder öffentlich sichtbar als NS-Zeitzeugin und Stimme der afrodeutschen Community.
In ihrer 2007 erschienenen Autobiografie "Mach nicht so traurige Augen, weil du ein Negerlein bist" schildert sie eindringlich das Leben Schwarzer Menschen im nationalsozialistischen Deutschland.
Marie Nejar starb am 11. Mai 2025 in Hamburg. Sie hinterlässt ein bewegendes Lebenszeugnis zwischen Anpassung, Überleben und dem späteren Mut zur Offenheit. Ihre Geschichte bleibt – als Mahnung und als Erinnerung.
- ndr.de: "Schauspielerin und Schlagersängerin Marie Nejar gestorben"
- ksta.de: "Wie Marie Nejar als Ufa- und Schlagerstar in Deutschland überlebte"
- deutschlandfunkkultur.de: "Schwarze Zeitzeugin der NS-Zeit ist tot"(Audio)
- wikipedia.org: "Leila Negra"