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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Zwei Flugstunden ab Hamburg Eine Stadt sieht pink – Idyll ist Geheimtipp

Große Party, keine zwei Flugstunden entfernt: Ende Mai steht die Hauptstadt Litauens ganz im Zeichen eines besonderen kulinarischen Events. Aber in der Unesco-Welterbestadt Vilnius gibt es noch mehr zu entdecken.
Vilnius, das ist doch irgendwo im Osten? Gefühlt liegt Litauens Hauptstadt am östlichen Rand Westeuropas – und somit sehr weit weg. Dabei ist der Flug von Hamburg nach Litauen viel kürzer als nach Barcelona. Und die Reise ist deutlich entspannter, denn Vilnius ist nicht so überlaufen. Und hat eine Menge zu bieten.
Wer am 31. Mai in Vilnius landet, kann an jenem Tag ein Spektakel erleben, das es nirgendwo sonst auf der Welt gibt: Das Festival hat seinen Namen von einer Rote-Bete-Suppe, die kalt aufgetischt wird. Sie ist ein litauisches Nationalgericht und heißt fast unaussprechlich und schwer lesbar "Šaltibarščiai". Pinke Suppe als Anlass für ein Volksfest, das schon das dritte Mal stattfindet.
Dann herrscht in Vilnius der Ausnahmezustand. Auf dem Kopfsteinpflaster der verwinkelten Gasse Stikliu wird der pinkfarbene Teppich ausgerollt. Ab 13 Uhr zieht die Pink Parade mit Menschen in fantasievoll gestalteten Kostümen durch die Straße Gedimino. An den Hängen des Festungsberges sprühen Schaumkanonen ihre Seifenblasenmassen auf lange Rutschen, die in einer riesigen aufblasbaren Suppenschüssel enden.
Wahrzeichen der Stadt
Aber Vilnius hat mit der knapp vier Quadratkilometer großen Altstadt, die seit 1994 auf der Welterbeliste der Unesco steht, mehr zu bieten als nur eine pinke Party. An anderen Tagen ist die litauische Hauptstadt mit ihren barocken Kuppelbauten und mehr als 50 Kirchturmspitzen weit weniger besucht als beispielsweise Prag oder Krakau.
Als Wahrzeichen von Vilnius gilt der frei stehende Glockenturm der Kathedrale, der ursprünglich ein Verteidigungsturm war. Das 57 Meter hohe Bauwerk lässt sich für einen ersten Überblick über steile Holztreppen besteigen. Zum Greifen nah liegt auf Augenhöhe der Gediminas-Hügel, benannt nach dem Stadtgründer aus dem 14. Jahrhundert. Vor allem Polen, Russen und Deutsche prägten die Geschichte der Stadt mit ihren heute 550.000 Einwohnern.
Annexion und Unabhängigkeit
Im März 1990 hatte sich Litauen – noch zwei Monate vor Lettland und Estland – zum souveränen Staat erklärt, und beim Referendum 1991 stimmten mehr als 90 Prozent der Wahlberechtigten für die Unabhängigkeit. Besonders im 20. Jahrhundert haben die Machthaber in der Metropole häufig gewechselt und große Teile der Bevölkerung vertrieben, verschleppt oder ermordet; insbesondere im Zweiten Weltkrieg unter Stalin und durch die deutsche Wehrmacht, die allein im Kiefernwald von Paneriai südwestlich der Stadt mindestens 70.000 Juden ermordet hat.
Mehr über dieses Kapitel erfahren Besucher im Museum der Okkupationen und Freiheitskämpfe, dem ehemaligen Sitz des KGB. Im Keller steht in einer Zelle auch ein lebensgroßes Abbild von Wladimir Putin – als Gefangener mit gesenktem Haupt und Gefängniskleidung. Nicht weit davon, am Flussufer der Neris, heißt es in riesigen Lettern auf dem Dach des Hochhauses der Stadtverwaltung: "Putin, the Hague is waiting for you", zu Deutsch: "Putin, Den Haag wartet auf dich." Den Haag ist der Sitz des Internationalen Gerichtshofs, der 2023 einen Haftbefehl gegen Putin erlassen hat. Er soll ukrainische Kinder nach Russland deportiert haben lassen.
Grüne Stadt mit pinkem Herz
Neben der größten Altstadt Osteuropas mit verwinkelten und holprigen Kopfsteingassen und der historischen Bausubstanz beeindruckt Vilnius durch die vielen Grünanlagen, die mehr als 60 Prozent der Fläche ausmachen. Nicht umsonst wurde die Stadt zur "Grünen Hauptstadt Europas 2025" gekürt. Vermutlich auch dank der unzähligen Wasserspender, Fahrradstraßen und einem ausgezeichneten Busnetz mit elektrischen Trolleybussen.
Zu den neuen Attraktionen zählt das private MO Museum für zeitgenössische Kunst. Der Bau am Rand der Altstadt ist ein Entwurf der Architekten Daniel Libeskind und Do Architects und zeigt bis November "Game Play", eine die Ausstellung über Videospiele, die in Kooperation mit dem Zentrum für Kunst und Medien Karlsruhe entstand.
Wer Vilnius nicht Ende Mai, sondern an einem anderen Wochenende besucht, findet in der Halės Turgus, der ältesten und beliebtesten Markthalle, ein riesiges Angebot. Dort duftet es nach Würsten und Kräutern, türmen sich an den Ständen Obst und Gemüse aus Gärten, Eingelegtes in Gläsern sowie Pilze aus den heimischen Wäldern. Die moderne Version nennt sich Paupys-Markt. In dem riesigen begrünten Wintergarten haben viele Restaurants, Bars und Cafés mit regionalen Süßspeisen ihren Platz gefunden. Hier wird offensichtlich, dass sich Vilnius längst zur kulinarischen Trendmetropole entwickelt hat und die Gastroszene weit mehr als nur das pinke Suppen-Spektakel bietet. Im vorigen Jahr erschien erstmals der "Michelin Guide Lithuania" mit 34 Restaurant-Empfehlungen. Darunter waren vier von einem Michelin-Star gekrönte Gourmet-Lokale in Vilnius.
Anreise ab Hamburg
Hamburgern wird die Anreise leicht gemacht: Mehrmals in der Woche fliegt die Air Baltic vom Helmuth-Schmidt-Airport direkt nach Vilnius. Zwei Stunden dauert der Flug und er ist ab 85 Euro zu haben.
- Eigene Recherchen
- www.govilnius.lt